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Landschnecken

Gastropoda Cuvier, 1795

 

 
Riemenschnecke (Helicodonta obvoluta): Valganna (Lombardei, Italien), 440m.
Bild: Alberto Colatore (iNaturalist). 
Die Schnecken (Gastropoda) sind die einzigen Weichtiere, denen im Verlauf ihrer Evolution der Schritt zum Leben auf dem trockenen Land gelungen ist, nicht nur einmal, sondern mehrmals. Landschnecken sind jedoch nicht die Landtiere, die man erwarten würde. Ihnen fehlt eine harte Außenhaut und sie sind andauernd von Austrocknung und von der Verfolgung durch vielfältige Fressfeinde bedroht. Ihre Schale, ihr offensichtlich einziger Schutz, ist nicht so dick und stark gepanzert, wie die ihrer meereslebenden Verwandten; manche Landschnecken haben sie sogar teilweise oder vollständig zurückgebildet, wir kennen sie als Nacktschnecken. Dennoch gibt es geschätzt etwa 25.000 Arten von Landschnecken weltweit. Wie also haben die Landschnecken es also im Verlauf der Erdgeschichte geschafft, an Land nicht nur zu überleben, sondern sich erfolgreich in fast allen Lebensräumen auszubreiten?

Inhalt

Der Landgang der Schnecken

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Helicina unizonata (Helicinidae):  Orellana, Ecuador.
Bild: Stephen Luk (iNaturalist).
 
Landlebende Schnecken sind mehrfach unabhängig voneinander und auch auf unterschiedlichen Wegen entstanden. In beinahe allen sonst im Wasser lebenden Schneckengruppen gibt es auch landlebende (terrestrische) Vertreter. Eine einheitliche Gruppe der "Landschnecken" lässt sich also nicht ohne weiteres definieren: Unterschiedliche Formen von Landschnecken sind jeweils näher mit meeres- (marinen) oder süßwasserlebenden (limnischen) Gruppen verwandt, als mit anderen Landschnecken.

Dies erklärt auch, warum es einige Landschneckengruppen gibt, die noch einen Schalendeckel (Operculum) tragen, während er den meisten anderen Landschnecken fehlt. Deckeltragende Landschnecken haben auch, genauso wie ihre wasserlebenden Verwandten, nur ein Fühlerpaar mit den Augen an deren Basis.

 
Gestreifte Mulmnadel (Acicula lineata) aus Serpiano, Tessin.
Bild: © Stefan Haller (schneckenfoto.ch).
 
Schlanke Zwerghornschnecke (Carychium tridentatum): Kan-
ton St. Gallen, Schweiz. Bild: © Stefan Haller.
Sie zeigen auch gut die vielen Wege, auf denen Schnecken das Land besiedelt haben: Die Schöne Landdeckelschnecke (Pomatias elegans) gehört zu den Littorinimorpha, ist damit verwandt mit den Strandschnecken (Littorinidae) und hat sich vermutlich aus ähnlichen küstenlebenden Vorfahren entwickelt und so trockene Strandbereiche besiedeln können. Die Mulmnadeln (Aciculidae) und Walddeckelschnecken (Cochlostomatidae) gehören zu den Architaenioglossa und sind damit verwandt mit den süßwasserlebenden Sumpfdeckelschnecken (Viviparidae) und Apfelschnecken (Ampullariidae). Sie haben sich wahrscheinlich aus süßwasserlebenden Vorfahren, z.B. über sumpfige Ufer von Flüssen und Seen entwickelt. Die tropischen Helicinidae schließlich gehören zu den Neritopsina, ebenso wie die meeres- und süßwasserlebenden Kahnschnecken (Neritidae) und haben sich wahrscheinlich auf dem Weg über tropische Mangrovensümpfe an das Landleben angepasst.

Mit großem Anstand die erfolgreichste Landschneckengruppe sind jedoch die Lungenschnecken (Eupulmonata). Sie haben ihre Mantelhöhle zu einer Lunge umfunktioniert und damit die Fähigkeit, Sauerstoff aus der Luft zu atmen, perfektioniert. In der Ordnung Ellobiidae finden sich die Küstenschnecken (Ellobiidae), aber auch die ausschließlich landlebenden Zwerghornschnecken (Carychiidae).

Ebenfalls zu den Eupulmonata gehört andererseits eine weitere Ordnung, die sich an das Landleben am besten angepasst haben und daher auch die größte Artenzahl und Vielfältigkeit alles Landschnecken erreicht haben: Die Landlungenschnecken (Stylommatophora), benannt nach ihrem zweiten, längeren Fühlerpaar, das die Augen trägt und der Schnecke so ein erweitertes Gesichtsfeld verschafft. Zu den Stylommatophora gehören so winzige Arten wie die  Punktschnecke (Punctum pygmaeum, bis 1,6 mm Gehäusebreite) und so riesige Arten wie die Echte Achatschnecke (Achatina achatina, bis 20 cm Gehäuselänge). Im ganzen sind etwa 23.000 rezente Arten von Landlungenschnecken bekannt.

Landschnecken: Einteilung der Landschnecken.
Wie gelangten die Schnecken an Land?

Anpassungen an das Landleben

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Östliche Heideschnecke (Xerolenta obvia):
Puławy, Polen. Bild: Ewa Rauner-Bułczyńska
(iNaturalist).
 
Vielfältige Anpassungen ermöglichten es den Schnecken, sich an das Leben auf dem trockenen Land anzupassen. Die Anforderungen sind vielfältig.

 
Gemeine Schließmundschnecke (Alinda biplicata): Lambrecht,
Rheinland-Pfalz. Bild: Matthias Buck (iNaturalist).
 
Endwindungen von Alinda biplicata, geöffnet. Sichtbar sind
die Schalenspindel (Columella) und das Clausilium.
Bild: Mathijs Zonneveld (iNaturalist). Bild vergrößern!
Feuchtigkeit: Das Fehlen einer harten Außenhaut machte die Anpassung an die wechselnden Feuchtigkeitsverhältnisse an Land für die Schnecken besonders anspruchsvoll. Zum einen dient ihnen ihre harte Kalkschale als Schutz, zum anderen ist der gesamte Körper von Schleim geschützt, der hygroskopisch ist, Wasser also eher aufnimmt, als er es abgibt. Viele Schnecken haben sich auch im Verhalten angepasst und sind eher in den Abend-, Nacht- und Morgenstunden, sowie bei Regenwetter aktiv, als am hellen Tag und bei Sonnenschein.

Im Gegensatz dazu gibt es jedoch auch wärmeliebende (xerophile) Arten, wie die Heideschnecken (Geomitridae) und die Zebraschnecke (Zebrina detrita: Enidae), die mit ihrer schwarz-weißen Schale gegen Sonnenlicht geschützt sind. Selbst diese findet man bei sonnigem Wetter jedoch oft an Pflanzen hängend, wo sie eine besondere Trockenruhe (Ästivation) halten.

Eine besondere Anpassung stellen die Schließmundschnecken (Clausiliidae), eine Familie kleiner Schnecken mit spindelförmig getürmter Schale, dar, die einen besonderen Schließapparat, das Clausiliar, entwickelt haben, das aus einem Schließplättchen (Clausilium) und mehreren Lamellen in den Endwindungen der Schale besteht (vgl. Bild rechts). Wenn die Schnecke sich in die Schale zurückzieht, verschließt das an der Schalenspindel befestigte Clausilium den Schalenmündung, um die Schnecke vor Austrocknung zu schützen.

Landschnecken: Schutz gegen Austrocknung.

Luftatmung: Die meisten Landschnecken haben sich gut an Luftatmung angepasst. Bei den Lungenschnecken wurde die Mantelhöhle nach Zurückbildung der Kiemen zu einer einfachen Lunge entwickelt. Der Mantel schützt die Atemhöhle gegen Austrocknung, das Atemloch (Pneumostom) ist die einzige Öffnung der Mantelhöhle nach außen und kann von der Schnecke aktiv verschlossen werden, wiederum um die Austrocknung zu minimieren. Deckel tragende Landschnecken haben kein Atemloch, sie atmen durch sekundäre Luftatmung, eine Falte des Mantels dient ihnen als Lunge.

Landschnecken: Luftatmung.

 
Kubanische Baumschnecke (Polymita picta): Maisi, Kuba.
Bild: Miguel Ernesto Suárez Blancart (iNaturalist).
 
Gemeine Haarschnecke (Trochulus hispidus): Zuid Holland,
Niederlande. Bild: Rob Westerduijn (iNaturalist).
Orientierung: Die Fähigkeit der Landlungenschnecken (Stylommatophora), sich in ihrer Umgebung zu orientieren, ist durch ein zusätzliches Fühlerpaar stark verbessert worden. Zusätzlich befinden sich die Augen bei diesen Schnecken am Ende der großen Fühler und sind deutlich höher entwickelt als die Augen der meisten wasserlebenden Schnecken. Zusätzlich dienen die mit Geschmackssinneszellen besetzten Mundlappen der Suche nach Nahrungsquellen und Paarungspartnern, bei manchen Raubschnecken (z.B. der Rosigen Wolfsschnecke, Euglandina rosea) sind sie zu einem dritten "Fühlerpaar" erweitert, was der Wolfsschnecke die Fähigkeit verleiht, ihre Beute, andere Schnecken, entlang deren Schleimspur zu verfolgen. Zusätzliche, über den Fuß verteilte Lichtsinneszellen schützen die Schnecke durch einen diffusen Lichtsinn, so dass sie plötzlich einfallenden Schatten schnell erkennen und sich rechtzeitig in ihre Schale zurückziehen kann.

Landschnecken: Orientierung.

Bodenbeschaffenheit: Schnecken kommen an Land vor allem auf kalkreichem Boden vor. Dort hat die Schnecke die Möglichkeit, Kalk zu Bau und Reparatur ihrer Schale aufzunehmen: Entweder direkt aus Boden oder Gestein oder über die Nahrung. Zusätzlich entsteht bei der Verwitterung von Kalk fruchtbarer Boden mit dichter Vegetationsschicht, was für die Schnecken sowohl Nahrungsquelle, als auch Schutz vor Fressfeinden und Austrocknung durch Sonnenlicht bedeutet.

Landschnecken: Bodenbeschaffenheit.

Tarnung: Landschnecken sind im Allgemeinen deutlich besser getarnt als ihre meereslebenden Verwandten, da ihre Schalen viel dünner und weniger gut gepanzert sind. Manche Schnecken können aktiv oder passiv Camouflage betreiben, da ihre Schalen über Härchen oder Wimpern verfügen, mit deren Hilfe die Schnecke ihre Schale mit Kot oder Erdpartikeln "verkleiden" kann. Zusätzlich senken diese Wimpern vermutlich die Verdunstungsgefahr. Der Polymorphismus mancher Gruppen, etwa der Bänderschnecken (Cepaea) oder der Kubanischen Baumschnecken (Polymita picta), mit zahlreichen möglichen Farben und Mustern dient dazu, dass immer ein Teil der Population vor einem gegebenen Hintergrund gegen auf Sicht jagende Fressfeinde, z.B. Vögel, geschützt ist.

Landschnecken: Tarnung (Camouflage).

Nacktschnecken

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Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris).
Bild: Robert Nordsieck.
 
 
Graugelbe Rucksackschnecke (Testacella haliotidea): Auck-
land, Neuseeland. Bild: Joseph Knight (iNaturalist).
Viele unterschiedliche Landschneckengruppen haben ihre Schale zugunsten besserer Beweglichkeit mehr oder weniger zurück gebildet. Man bezeichnet die fortschreitende Reduktion der Schale, am besten zu beobachten bei der Familie der Glasschnecken (Vitrinidae) als Vitrinisierung.

Neben tatsächlichen Nacktschnecken, denen jede Form einer äußeren Schale fehlt, gibt es auch unterschiedliche Formen so genannter Halbnacktschnecken, z.B. Rucksackschnecken (Testacellidae) oder Daudebardien (Daudebardiinae: Oxychilidae), die zwar noch einen kleinen Schalenrest am Rücken tragen, diesen jedoch nicht mehr als Schutz nützen können.

Den meisten Nacktschnecken dient der Schleim als wichtigster Schutz gegen Austrocknung und Fressfeinde, überdies sind die meisten vorwiegend bei Dunkelheit oder Regenwetter aktiv. Bekannte Nacktschneckengruppen sind vor allem die einheimischen Wegschnecken (Arionidae) und Schnegel (Limacidae).

Landschnecken: Nacktschnecken.

Bestimmung von Landschnecken

Die große Artenvielfalt selbst einheimischer Landschnecken macht dem Laien eine Bestimmung oftmals sehr schwer. Sehr hilfreich sind dabei Bestimmungsbücher (vgl. Literatur), geeignete Bestimmungsseiten im Internet oder Bestimmungsschlüssel (vgl. Links). Oftmals macht eine genauere Bestimmung eine anatomische Untersuchung, etwa des Genitalapparats, durch einen Fachmann nötig.

Landschnecken: Bestimmung von Landschnecken.

Links

Literatur

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Die lebende Welt der Weichtiere auf weichtiere.at von Robert Nordsieck seit 25 Jahren: 2000 - 2025!

Youtube Der Youtube-Kanal von Weichtiere.at mit mehreren Videoclips zum Anschauen!


  Zwei Tigerschnegel verfolgen einander. Wegschnecke greift vorbei kriechenden Schnegel an.
Neu: Die Seite über Tigerschnegel (Limax maximus) auf schnegel.at wurde komplett überarbeitet  und mit zahlreichen neuen Bildern von Martina Eleveld,
besonders über de Paarung des Tigerschnegels, versehen, zusätzlich zu einer neuen Video-Playlist zum selben Thema auf unserem YouTube-Kanal!



Bild: Haus der Natur in Cismar.

Bestimmungskarten "Weichtiere Österreichs - Gehäuseschnecken" und
"Weichtiere Österreichs - Süßwasserschnecken und Nacktschnecken"

Zusätzliche Informationen!

Erhältlich im Naturhistorischen Museum in Wien und im Haus der Natur in Cismar, Deutschland.
Überblick über die deutschen und holländischen Bestimmungskarten: http://www.miniposter.hausdernatur.de/.




http://www.mollusca.de: Reichhaltige Seite der
Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft
rund um die Weichtierforschung.

 


Molluskenforschung Austria

Österreichweite Plattform für Molluskenforscher.

 

Naturkundemuseum Stuttgart: Weichtiere
Naturkundemuseum Stuttgart: Weichtiere - Bestimmung, Systematik, Fundmeldungen


Weichtiere beim Naturschutzbund Deutschland (NABU)

Letzte Änderung: 29.09.2025 (Robert Nordsieck).