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Glasschnecken

Vitrinidae Fitzinger, 1833

 

Inhalt

Einleitung

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Ohrförmige Glasschnecke (Eucobresia diaphana).
Bild: © Stefan Haller (schneckenfoto.ch).
   
 
Mantelfortsatz von Eucobresia diaphana.
Bild: Andreas Heidl

Berg-Glasschnecke (Hessemilimax kotulae). Bild: Gianbattista Nardi.
 
Der Name Glasschnecken rührt von dem glasartig durchsichtigen und zerbrechlichen Gehäuse her, das diese kleinen Schnecken mit einer Körpergröße von weniger als 20 mm tragen. Mehrere heimische Glasschneckenarten leben meist am Boden ausreichend feuchter Standorte unter zerfallendem Laub und Moos, an Quellrändern und Bachufern, bis in große Höhen der Gebirge. Glasschnecken kommen erst im Herbst mit Eintritt kühler und feuchter Witterung an die Oberfläche, wo sie sich während des ganzen Winters aufhalten und selbst unter dem tauenden Schnee zu finden sind. Da Glasschnecken so unempfindlich gegen Kälte sind, sind sie im Norden über den Polarkreis hinaus verbreitet. Im Gebirge gibt es Arten, die auf über 3000 m NN leben können.

Das hauchdünne Gehäuse der Glasschnecken zeigt bereits ihre deutliche Ähnlichkeit mit Nacktschnecken. Vergleicht man zum Beispiel die Kugelige Glasschnecke (Vitrina pellucida) und die Ohrförmige Glasschnecke (Eucobresia diaphana), so erkennt man, dass, während die Kugelige Glasschnecke noch ein Gehäuse hat, in das sie sich vollständig zurück ziehen kann, so hat die Ohrförmige Glasschnecke, und daher auch ihr Name, ein relativ kleineres Gehäuse mit weniger Windungen (oder Umgängen), deren letzte ohrförmig erweitert ist, und sie kann sich nicht mehr vollständig in ihr Gehäuse zurückziehen.

Unterschiede kann man auch in der Form des Mantels sehen: Von der Kugeligen Glasschnecke bis hin zu anderen Glasschneckenarten kann man erkennen, dass der Mantelschild in zunehmendem Maße das Gehäuse von vorne überdeckt. Zusätzlich legt sich ein unterschiedlich großer Mantellappen rechts über das Gewinde. Bei manchen Glasschneckenarten kann das Gehäuse schon fast vom Mantel überdeckt sein.

So besitzt auf der einen Seite Oligolimax annularis eine große Schale, in die er sich vollständig zurückziehen kann. Sein Gattungsname Oligolimax bedeutet wörtlich der Wenig-Schnegel, weil er von allen Glasschnecken am wenigsten an einen solchen erinnert. Auf der anderen Seite ist bei der Weitmündigen Glasschnecke (Semilimax semilimax) die Schale schon so stark vom Mantel überwachsen, so dass sie, wie der Name Semilimax (Halb-Schnegel) schon sagt, fast eine Nacktschnecke ist (siehe Abbildungen am Seitenende).


Madeirovitrina ruivensis: Madeira, Portugal.
Bild: Sébastien Sant (iNaturalist).
 
Besonders gut kann man diese Entwicklung bei der Unterfamilie der Plutoniinae auf der Insel Madeira erkennen. So erinnert die Art Madeirovitrina marcida äußerlich an Vitrina pellucida, mit einem wohl erhaltenen und gewundenen Gehäuse. Hingegen bei Madeirovitrina albipalliata ist das Gehäuse schon zum großen Teil vom Mantel überwachsen, bei Madeirovitrina nitida noch weiter und schließlich bei Madeirovitrina ruivensis und Madeirovitrina behnii kann man das Gehäuse äußerlich gar nicht mehr erkennen. Äußerlich ist die Schnecke praktisch eine Nacktschnecke.

Groh, K.; Rähle, W.; Kittel, K.; Hemmen, J.; Bank, R. (2009): Corrections and Additions to Mary B. Seddon's "The Landsnails of Madeira". Conchylia 40, (3/4), 2 - 25. (In der Arbeit wird Madeirovitrina noch als Plutonia dargestellt).
MolluscaBase eds. (2025): Madeirovitrina Groh & Hemmen, 1986.

Ähnliche Verhältnisse kann man bei anderen Schneckengruppen beobachten, wie z. B. bei der tropischen Familie Helicarionidae. Nacktschnecken sind im Rahmen der Entwicklungsgeschichte der Landschnecken mehrfach und unabhängig voneinander entstanden. Diesen Entwicklungsweg der Schalenrückbildung bezeichnet man auch als Vitrinisierung, nach der Familie der Glasschnecken (Vitrinidae), die nur einen der möglichen Wege dieser Strategie beschritten hat.

Mehr über Nacktschnecken.
Tafel: Glasschneckenverwandte (Vitrinoidea: Systematik veraltet).
Vitrinisierung: Die Rückbildung der Schneckenschale bei Landschnecken.

Systematik

Ordnung: Stylommatophora
Überfamilie: Limacoidea
Familie: Vitrinidae Fitzinger 1833

Quelle: MolluscaBase eds. (2021): Vitrinidae Fitzinger, 1833.

Systematisch zählen die Glasschnecken zur Überfamilie Limacoidea, sind also verwandt mit den Schnegeln (Limacidae).

Kugelige Glasschnecke - Vitrina pellucida (O. F. Müller, 1774)

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Kugelige Glasschnecke (Vitrina pellucida): Helperknapp,
Luxemburg. Bild: Christiane Wolff (iNaturalist).
 
Beschreibung: Die Kugelige Glasschnecke besitzt ein glänzendes und glattes Gehäuse, dessen letzter Umgang nicht weiter ist als die halbe Gehäusebreite (mit Blick auf die Gehäusespitze). Die Umgänge des Gehäuses sind an der Außenlinie gerundet und das Tier kann sich vollständig in sein Gehäuse zurück ziehen. Der Mantelschild ist schmal und der schwarze Mantelfortsatz bedeckt nicht die Gehäusespitze.

Maße: L: 4 - 6 mm; B: 2,5 - 3,5 mm; Länge des Tieres: 10 mm. Information: Abkürzungen

Lebensraum und Verbreitung: Die Kugelige Glasschnecke lebt im Allgemeinen an mäßig offenen Wiesenstandorten, in feuchten oder auch trockenen Lebensräumen im Laub- und Nadelwald, in Grasland und in Brachland. Von allen Glasschnecken bewohnt diese Art die trockensten Lebensräume, ist aber sehr anpassungsfähig an große ökologische Unterschiede. Vitrina pellucida ist auch an Felsen und Mauern, im Bachkies, in der Ufervegetation und sogar auf Almwiesen zu finden. In großer Zahl kommt sie manchmal an Standorten mit geringer Vegetationsdecke vor und toleriert sogar sauren Bodenuntergrund.

Das Verbreitungsgebiet der Art erstreckt sich von Europa bis nach Zentralasien, im Norden sogar bis jenseits des Polarkreises. In der Schweiz kommt Vitrina pellucida bis in einer Höhe von 2700 m NN vor.

Francisco Welter-Schultes: Vitrina pellucida species homepage.
MolluscaBase eds. (2025): Vitrina pellucida (O. F. Müller, 1774).
Naturportal Südwest: Vitrina pellucida (Kugelige Glasschnecke).

Ohrförmige Glasschnecke - Eucobresia diaphana (Draparnaud, 1805)

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Ohrförmige Glasschnecke (Eucobresia diaphana).
Bild: © Stefan Haller (schneckenfoto.ch).
Beschreibung: Im Gegensatz zu ihrem zuvor beschriebenen Verwandten besitzt die Ohrförmige Glasschnecke ein flaches Gehäuse, mit feinen weißlichen Strichen, das aber immerhin mehr als 2 Umgänge aufweist. Der letzte Umgang ist stark ohrförmig erweitert. Die Schalenspindel (Columella) ist gekrümmt, so dass man die vorigen Umgänge sehen kann. Das Tier selbst ist dunkel gefärbt, mit zunehmender Höhe im Gebirge auch bis zu hell grau; es kann sich nicht in das Gehäuse zurück ziehen. Der Mantelfortsatz bedeckt die Gehäusespitze (Apex) vollständig. Anatomische Merkmale des Genitalapparats unterscheiden diese Art von Eucobresia pegorarii.


Ohrförmige Glasschnecke (Eucobresia diaphana): Štěchovice,
Tschechien. Bild: Michal Honskus (iNaturalist).
 
Maße: L: 6 - 6,5 mm; B: 3,3 mm; Länge des Tieres: 16 - 18 mm. Information: Abkürzungen

Lebensraum und Verbreitung: Die Ohrförmige Glasschnecke bewohnt feuchte und kühle Standorte an der Talsohle und im Gebirge. Im Tiefland ist Eucobresia diaphana in schattigen und feuchten Lebensräumen im Wald zu finden, in höheren Lagen auch an offenen Standorten, zwischen niedrigen Zwergsträuchern und auf Grasland mit ausreichenden Versteckmöglichkeiten.

Eucobresia diaphana ist in Europa von den Pyrenäen bis zum Balkan und bis nach Norddeutschland, die südöstlichen Niederlande und vor allem in den Alpen verbreitet. In der Schweiz ist sie bis in einer Höhe von 2900 m NN zu finden.

Bedrohungssituation: In Rheinland-Pfalz ist Eucobresia diaphana als gefährdet eingestuft (vgl. Gefährdungskategorien gemäß Roter Liste).

Francisco Welter-Schultes: Eucobresia diaphana species homepage.
MolluscaBase eds. (2025): Eucobresia diaphana (Draparnaud, 1805).
Naturportal Südwest: Eucobresia diaphana (Ohrförmige Glasschnecke).

Berg-Glasschnecke - Hessemilimax kotulae (Westerlund, 1883)

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Berg-Glasschnecke (Hessemilimax kotulae): Krhanice, Tsche-
chien. Bild: Michal Honskus (iNaturalist).
 
Beschreibung: Das Gehäuse von Hessemilimax kotulae (wörtlich Halb-Schnegel) zeichnet sich durch eine besonders stark erweiterte Endwindung aus. Die Mündungswand weitet sich nach außen, so dass die inneren Windungen sichtbar werden. Die einzelnen Umgänge sind flach, und das Gehäuse ist glatter und glänzender als bei anderen Semilimax-Arten. Laut Ehrmann (1956) ist die Bergglasschnecke "die auf dem Wege zur Nacktschneckenbildung am weitesten fortgeschrittene Art" (S. 103).

Maße: L: 4 - 6 mm; B: 3 - 4,5 mm; Länge des Tieres: 12 - 15 mm. Information: Abkürzungen

 
Berg-Glasschnecke (Semilimax kotulae).
Bild: Gianbattista Nardi.
Lebensraum und Verbreitung: Die Berg-Glasschnecke lebt, wie ihr Name schon sagt, nur im Gebirge. Sie ist vorwiegend in Wäldern zu finden, wo sie an kühlen und schattigen Standorten ihren Lebensraum in feuchtem Moos, unter Steinen und in der Bodenstreu hat. Nur selten tritt sie im Gebirge oberhalb der Baumgrenze auf, dann in feuchtem bemoosten Gebüsch aus Zwergsträuchern, sowie auf Almwiesen unter Steinen.

Semilimax kotulae ist in den Alpen und in den Karpaten verbreitet, in der Schweiz tritt die Schnecke nur zwischen 1300 und 2600 m NN auf.

Bedrohungssituation: Die Berg-Glasschnecke ist selten und tritt nur verstreut auf. Sie ist in Bayern als stark gefährdet und in Österreich als gefährdet eingestuft (vgl. Gefährdungskategorien gemäß Roter Liste).

Francisco Welter-Schultes: Semilimax kotulae species homepage.
MolluscaBase eds. (2025): Hessemilimax kotulae (Westerlund, 1883).
Naturportal Südwest: Hessemilimax kotulae (Berg-Glasschnecke).
Nardi, G.; Niero, I.; Braccia, A. (2007): Nota sui Vitrinidae (Gastropoda, Pulmonata) viventi in provincia di Brescia. Natura Bresciana 35 (2007), 101 - 119.

Vollständige Artenliste für Österreich

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Quelle: MolluscaBase eds. (2021): Vitrinidae Fitzinger, 1833.

Vitrinidae Fitzinger, 1833

 
Oligolimax annullaris: Kütahya kalesi, Türkei.
Bild: Mehmet Akif Suna (iNaturalist
   
 
Weitmündige Glasschnecke (Semilimax semilimax): Moszczan-
ka, Polen. Bild: Michał Górski (iNaturalist).
   
 
Kurze Glasschnecke (Vitrinobrachium breve):  Ballensteadt,
Harz, Deutschland. Bild: Amigolimax (iNaturalist). 

Vitrininae Fitzinger, 1833

Eucobresia H.B. Baker, 1929

Eucobresia diaphana (Draparnaud, 1805)
Eucobresia nivalis (Dumont & Mortillet, 1854)
Eucobresia pegorarii (Pollonera, 1884)
Eucobresia glacialis (Forbes, 1837)

Hessemilimax Schileyko, 1986

Hessemilimax kotulae (Westerlund, 1883)

Oligolimax P. Fischer, 1878

Oligolimax annularis (S. Studer, 1820)

Semilimax Stabile, 1859

Semilimax semilimax (J. Férussac, 1802)
Semilimax carinthiacus (Westerlund, 1886)

Semilimacella Soós, 1917

Semilimacella carniolica (O. Boettger, 1884)

Vitrinobrachium Künkel, 1929

Vitrinobrachium breve (A. Férussac, 1821)

Vitrina Draparnaud, 1801

Vitrina pellucida (O. F. Müller, 1774)

Links

Literatur

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Mit Bildern von Stefan Haller:
http://www.schneckenfoto.ch.

Letzte Änderung: 13.09.2025 (Robert Nordsieck).