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Rosige Wolfsschnecke

Euglandina rosea (A. Férussac, 1821)

Mit einem Exkurs über andere Raubschneckenarten.

Inhalt

Einleitung

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Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea): St. John's County, Florida,
USA. Bild: John Slapcinski (iNaturalist).
 
Die Wolfsschnecken gehören zur überwiegend neotropischen (vgl. Faunenprovinzen der Erde) Familie Oleacinidae (vgl. Systematik unten). Das Verbreitungsgebiet der Familie reicht von Südamerika über Mittelamerika bis in den Südosten der Vereinigten Staaten. Einige wenige Vertreter haben auch das Mittelmeergebiet besiedelt, wie z.B. die Dalmatinische Raubschnecke (Poiretia cornea). In Florida trifft man andererseits die bis zu 10 cm lange Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea) an. Sie ist eine hochspezialisierte Raubschnecke, die im Gegensatz zu den meisten anderen Raubschnecken fast ausschließlich von anderen Schnecken lebt.

Sinnesorgane und Beutesuche

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Kopf von Euglandina rosea: Seminole County, Florida, USA.
Bild: Jeffrey Gammon (iNaturalist).
Betrachtet man den Kopf einer Wolfsschnecke näher, fällt auf, dass sie scheinbar sechs Fühler besitzt: zwei große Augenträger, das kleinere untere Fühlerpaar (wie alle Landlungenschnecken) und darunter ein weiteres, drittes "Fühler"-Paar. Bei diesen handelt es sich jedoch nicht um eigentliche Fühler, sondern vielmehr um die stark verlängerten Lippen. Diese sind mit chemischen Sinneszellen besetzt und dienen zum "Schmecken" des Untergrunds. Mit ihrer Hilfe verfolgt die Wolfsschnecke andere Schnecken entlang deren Schleimspur,ähnlich wie ein Wolf seiner Beute über die Geruchsspur folgt. Dabei kann sie unterscheiden, ob es sich um Artgenossen oder um eine andere Schneckenart (potentielle Beute) handelt.

Jagdweise und Ernährung

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Die Wolfsschnecke bewegt sich mit der zwei- bis dreifachen Geschwindigkeit einer gewöhnlichen Landschnecke. Sie verfolgt ihre Beute nicht nur am Boden, sondern klettert auf Bäume und kann sogar kurze Strecken unter Wasser zurücklegen.

Ihr Nahrungsspektrum umfasst:

Der amerikanische Malakologe Harry G. Lee (Jacksonville Shell Club) berichtete, bei der Präparation eines mittelgroßen Exemplars von Euglandina rosea nicht weniger als 13 Schneckenschalen im Verdauungstrakt gefunden zu haben.

Heimische Nacktschnecken
Nacktschnecken.

Vom Menschen eingeschleppt

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Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea) greift Achatschne-
cke (Lissachatina fulica) an. 
   
 
Die Achatschnecke wird in den Nacken gebissen.
Koolauloa, Hauula, Hawaii, USA.
Bild: Kevin Faccenda (iNaturalist). 
Die Rosige Wolfsschnecke wurde vom Menschen als biologische Waffe eingeführt – vor allem auf Hawaii, den Marianen-Inseln und in Polynesien. Dort sollte sie die ebenfalls eingeschleppte Afrikanische Riesenschnecke (Lissachatina fulica) bekämpfen, die große landwirtschaftliche Schäden anrichtete. Doch anstatt die großen Achatschnecken zu jagen, bevorzugte Euglandina rosea kleinere Beutetiere, insbesondere die endemischen Baumschnecken der Gattungen Partula und Achatinella. Euglandina rosea ist durchaus in der Lage, etwa eine Lissachatina fulica anzugreifen, ebenso wie die weiter unten beschriebenen afrikanischen Raubschneckenarten, jedoch bevorzugen viele von ihnen kleinere Beute, bevor sie sich mit einer Schnecke anlegen, die dreimal so groß ist, wie sie.

Die meist ohnehin kleinen Populationen dieser endemischen Inselarten hatten dem plötzlichen Räuberdruck nichts entgegenzusetzen. Viele Arten verschwanden vollständig; einige sind heute unwiederbringlich ausgestorben.

Pazifische Baumschnecken (Partulidae).
Schulz, H., Nordsieck, R. (2024): "Die Afrikanische Riesenschnecke - Lissachatina fulica". Natur und Tier Verlag Münster.

Folgen und heutige Schutzmaßnahmen

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Die Einführung der Wolfsschnecke gilt heute als klassisches Beispiel für eine fehlgeschlagene biologische Bekämpfung. Malakologen und Ökologen hatten frühzeitig vor den Folgen gewarnt, doch ihre Ratschläge wurden von den Behörden ignoriert. Heute gibt es internationale Programme, die bedrohte Partula-Arten in Zoos züchten und wieder auswildern, etwa auf Tahiti. Ohne diese Maßnahmen wäre ein Großteil der pazifischen Baumschnecken bereits verloren.

Systematik der beschriebenen Schneckengruppen

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Systematik der beschriebenen Schneckengruppen
(Vereinfacht!)
Stylommatophora

Helicina
Oleacinoidea
Spiraxidae
Euglandininae
Euglandina
Euglandina rosea (A. Férussac 1821)
Poiretia
Poiretia cornea (Brumati 1838)
Rhytidoidea
Rhytididae
Chlamydephorinae
Natalina
Natalina cafra (A. Férussac, 1821)

Testacelloidea
Testacellidae
Testacelliinae
Testacella
Testacella haliotidea Lamarck 1801

Gastrodontoidea
Zonitidae
Daudebardiinae

Daudebardia
Daudebardia rufa (Draparnaud 1805)

Achatinina
Streptaxoidea
Streptaxidae
Streptaxinae
Edentulina
Edentulina obesa (J. W. Taylor, 1877)
Odontartemoninae
Tayloria
Tayloria quadrilateralis (Preston, 1810)
Tayloria kibweziensis (E. A. Smith, 1894)

Quelle: MolluscaBase eds. (2021).
 
Wie das (vereinfachte) System links zeigt, gehören die im nächsten Abschnitt beschriebenen exotischen Raubschneckenarten zu zwei großen Unterordnungen der Landlungenschnecken (Stylommatophora). Dies sind zum einen die Helicina, zu denen die Familien Spiraxidae mit Euglandina rosea und Poiretia cornea gehören, und zum anderen die Rhytididae, zu denen Natalina cafra gehört.

Ebenfalls zur Unterordnung Helicina gehören die west- bis mitteleuropäischen Daudebardien (Daudebardia rufa: Zonitidae) und Rucksackschnecken (Testacella haliotidea: Testacellidae).

Auf der anderen Seite stehen die Achatinina, zu denen die Familie der Streptaxidae mit Edentulina obesa und den Tayloria-Arten quadrilateralis und kibweziensis gehören.

Weitere Raubschnecken

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Raubschnecken sind in ihren ursprünglichen Lebensräumen wichtige Regulatoren im Ökosystem. Erst durch menschliche Eingriffe, vor allem durch Einschleppung in fremde Gebiete, werden manche Arten zu einer Gefahr für endemische Faunen.

Afrikanische Streptaxidae (Tayloria, früher Gonaxis)

Auf mehreren pazifischen Inseln wurden auch zwei afrikanische Raubschnecken eingeführt, um die Afrikanische Riesenschnecke zu bekämpfen:

Tayloria quadrilateralis (vormals Gonaxis quadrilateralis)
Tayloria kibweziensis (vormals Gonaxis kibweziensis)

Wie schon bei Euglandina jagten aber auch sie bevorzugt die kleineren endemischen Baumschneckenarten, anstatt die großen Achatschnecken zu dezimieren. Ihr Einfluss auf die Insel-Fauna war dementsprechend verheerend. Beide gehören zur in unterschiedlichen Teilen Afrikas weit verbreiteten Familie Streptaxidae, vgl. System links).

Natalina (Natalina cafra) - "Natal Cannibal Snail"

 
Natal Cannibal Snail (Natalina cafra). Scottburgh, KwaZulu-
Natal, Südafrika. Bild: Peter Vos (iNaturalist). 
 
Natalina cafra frisst eine Achatina immaculata: KwaZulu-Natal,
Südafrika. Bild: Ricky Taylor (iNaturalist). 
In Südafrika lebt die große Raubschnecke Natalina cafra. Mit ihrem kräftigen Körper und ihrer aggressiven Jagdweise ist sie ein bedeutender Beutegreifer in ihrem natürlichen Lebensraum. Sie attackiert sowohl kleinere Schnecken als auch größere Arten und erfüllt dort eine wichtige ökologische Rolle.

Nachdem diese Schnecken vorwiegend andere Schnecken, wie die Achatschnecke (Achatina immaculata), die Gefleckte Weinbergschnecke (Cornu aspersum) und Nacktschnecken (Elisolimax flavescens) jagt und frisst, wird sie umgangssprachlich auch als "cannibal snail" bezeichnet. Außerdem frisst die Schnecke aber auch Regenwürmer, die sie mit den scharfen Zähnen ihrer Radula zerteilen kann. Laut Herbert, Kilburn (2004) wurde ein Malakologe, der eine Schnecke untersuchen wollte, von dieser in die Hand "gebissen" und trug eine 5 mm lange blutende Wunde davon.

In Südafrika gibt es mehrere Natalina-Arten, die regional verbreitet sind. Diese gehören zur systematischen Familie Rhytididae (vgl. System links).

Herbert, D., Kilburn, D.: "Field guide to the Land Snails and Slugs of Eastern South Africa", Natal Museum Pietermaritzburg, 2004. S. 215 ff.
Wikipedia: Natalina cafra.

Grüne Raubschnecke (Edentulina obesa) - "Hunter Snail"

 
Natalina cafra hat einen kleineren Artgenoss
en gefressen und trägt nun seine Schale am
Schwanzende mit sich herum, um den darin
enthaltenen Kalk zu absorbieren.

Scottburgh, KwaZulu-Natal, Südafrika, 
Bild: Peter Vos (iNaturalist).
 
Edentulina ovoidea von der Insel Mayotte.
Bild: Maël Dewynter (iNaturalist).
Eine weitere auffällige Raubschnecke ist die so genannte Grüne Raubschnecke (Edentulina obesa), auf Englisch auch als "Hunter Snail" bezeichnet (Herbert, Kilburn, 2004, s.o.). Trotz ihrer relativ geringen Größe (Schalenlänge 25 mm) greift sie sogar junge Achatschnecken, vor allem Lissachatina fulica, an. Ihr gedrungenes, massives Gehäuse macht sie unverwechselbar und hebt sie deutlich von anderen Streptaxiden ab. Die in Südost-Afrika und Zanzibar verbreitete Schnecke besitzt eine durchscheinend weiße Schale, durch die der gelblich gefärbte Mantel und der grünliche Eingeweidesack durchscheint. Zusammen mit dem gelblich gefärbten Fuß gibt dies der Schnecke ein beeindruckendes Erscheinungsbild.

In anderen Teilen Afrikas sind auch mehrere weitere Arten der Gattung Edentulina vertreten.

Heimbiotop.de: Grüne Raubschnecke (Edentulina obesa).
MolluscaBase eds. (2021): Edentulina L. Pfeiffer, 1856.

Mittel- und südeuropäische Raubschnecken

Auch in Europa gibt es mehrere Raubschneckenarten, wenn auch mit einer etwas anderen Ernährungsweise als ihre tropischen Verwandten.

Dalmatinische Raubschnecke (Poiretia cornea)

Poiretia cornea mit ihrem beachtlich gelb gefärbten Fuß ist ein spezialisierter Schneckenjäger, der unter anderem landlebende Deckelschnecken (Pomatias elegans) jagt. Nachdem sie diese wegen des Operculums nicht durch die Mündung angreifen kann, löst sie mit Hilfe einer besonderen Säuredrüse ain der Fußsohle einen Teil der Schalenwand der Beute auf und frisst sie durch das entstandene Loch. Poiretia frisst aber auch andere Gehäuseschnecken, auf herkömmliche Weise durch die Mündung. Poiretia cornea ist von Monfalcone in Nordost-Italien bis nach Serbien verbreitet.

Dalmatinische Raubschnecke (Poiretia cornea).
Fechter, R.; Falkner, G. (1990): "Weichtiere". Mosaik-Verlag München. S. 182 f.

Neben der Art Sardopoiretia emanueli (Bodon, Nardi, Braccia & Cianfanelli, 2010) gehören zur Gattung Poiretia die einzigen Vertreter der Familie Oleacinidae (zu der auch die Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea) gehört), die im Mittelmeerraum vorkommen, wo es neben Poiretia cornea acht weitere Arten der Gattung Poiretia gibt.

MolluscaBase eds. (2025): Poiretia P. Fischer, 1883.

Abgesehen davon sind alle anderen Vertreter der Familie Oleacinidae nur in Mittelamerika und der Karibik, bis nach Florida zu finden.


Rötliche Daudebardie (Daudebardia rufa):  Bangor, Wales,
Großbritannien. Bild: Yolanda Evans (iNaturalist).
 
Daudebardiinae: Unter den mitteleuropäischen Raubschnecken sind hier die Daudebardiinae zu nennen: Halbnacktschnecken mit einem winzigen Schalenrest, in den sie sich nicht mehr zurückziehen können. Sie sind aktive  unterirdische Jäger von Regenwürmern, die sie mit ihrer kräftigen Radula fangen und in den Mund ziehen. Wenn der Wurm größer ist, als die bis zu 20 mm lange Schnecke, kann es vorkommen, dass er bereits an einem Ende verdauet wird, während das andere noch herausschaut.

Systematisch gehören die Daudebardiinae zu den Glanzschnecken (Zonitidae), eine in Europa weit verbreitete, größtenteils Schalen tragende, und zumindest fakultativ räuberische Schneckengruppe.

Daudebardien (Daudebardiinae, Zonitidae).
Glanzschnecken (Zonitidae).
Kerney, M. P.; Cameron, R. A. D.; Jungbluth J. H. (1983): "Die Landschnecken Nord- und Mitteleuropas". Parey Verlag Hamburg, Berlin. S. 174 f.
Fechter, R.; Falkner, G. (1990): "Weichtiere". Mosaik-Verlag München. S. 182 f.
Wiese, V. (2024): "Die Landschnecken Deutschlands". 3. Ed. S. 191 f.
Geyer, D. (1927): "Unsere Land- und Süßwassermollusken". 3. Ed. S. 62.

 
Rucksackschnecke (Testacella haliotidea): Berkeley, Kalifor-
nien, USA.
 
Schalenrest am Schwanzende der Schnecke.
Bilder: Ken-ichi Ueda (iNaturalist).
Testacellidae: Ebenfalls auf Regenwürmer spezialisiert sind die Testacellidae, die sogenannten "Rucksackschnecken". Sie tragen, ähnlich wie die Daudebardien, am Körperende ein kleines, rucksackartiges Schälchen, in das sie sich nich zurück ziehen können, und gehen vor allem unterirdisch auf Beutefang.

Rucksackschnecken (Testacellidae).
Kerney, M. P.; Cameron, R. A. D.; Jungbluth J. H. (1983): "Die Landschnecken Nord- und Mitteleuropas". Parey Verlag Hamburg, Berlin. S. 238 f.
Fechter, R.; Falkner, G. (1990): "Weichtiere". Mosaik-Verlag München. S. 168 f.
Wiese, V. (2024): "Die Landschnecken Deutschlands". 3. Ed. S. 153 f.
Geyer, D. (1927): "Unsere Land- und Süßwassermollusken". 3. Ed. S. 50.

Diese Gruppen zeigen, dass auch in Europa Raubschnecken eine wichtige Rolle im Ökosystem spielen – wenn auch mit einer ganz anderen Spezialisierung als die eigentlichen Schneckenjäger wie Euglandina.

Zonitidae, Vitrinidae u.a.: Weitere Schneckenarten, wie zum Beispiel viele Glanzschneckenarten (Zonitidae) sind zumindest fakultativ räuberisch. Auch die Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris) frisst Aas, greift aber gelegentlich andere Schnecken an. Auch der bekannte Tigerschnegel (Limax maximus) wird neben seiner üblichen Nahrung (v.a. Pilze) auch Schneckeneier fressen und so andere Schnecken regulieren, wird aber durchaus auch erwachsene Schnecken angreifen, besonders wenn sie schon verletzt sind. Glasschnecken (Vitrinidae) sind recht kälteunempfindlich und nutzen es aus, wenn andere Schnecken im Kälteschlaf sind, diese zu fressen. Auch die Gefleckte Weinbergschnecke (Cornu aspersum), die bisher nur als Beuetetier erwähnt wurde, ist durchaus nicht abgeneigt, Aas oder Schneckeneier zu fressen. Eine mögliche Theorie ist, dass die starke Ausbreitung von Cornu aspersum in Niederösterreich zum Rückgang der Spanischen Wegschnecke geführt hat, da Cornu den Wegschnecken Nahrungskonkurrenz macht und deren Gelege frisst.

Verglichen mit einer Euglandina rosea oder einer Natalina cafra erscheinen diese Schneckenarten sehr harmlos, man sollte ihre Rolle und ihre Bedeutung im Ökosystem jedoch nicht unterschätzen.

Links

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Literatur

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Letzte Änderung: 18.08.2025 (Robert Nordsieck).