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Vielfraßschnecken (Enidae)

 
Berg-Vielfraßschnecke (Ena montana).
Bild: © Stefan Haller, (schneckenfoto.ch).
 
Berg-Vielfraßschnecken leben in feuchten Laubwäldern und
Auenwäldern.  Bild: © Roland Bodenmann.

Systematik

Klasse: Gastropoda
Unterklasse: Pulmonata
Überordnung: Eupulmonata
Ordnung: Stylommatophora
Unterordnung: Orthurethra
Überfamilie: Enoidea
Familie: Enidae Woodward 1903

Quelle: Mollbase auf http://www.mollbase.de/list/.

Die manchmal auch als Turmschnecken bezeichneten Vielfraßschnecken sind kleine bis mittelgroße Landlungenschnecken, die ein hoch konisch bis zylindrisch getürmtes Gehäuse besitzen. Der Mündungsrand weist meist eine Mündungslippe auf und ist oft durch eine Mündungsarmatur aus mehreren Zähnen verstärkt. Während die Gehäuse der meisten einheimischen Arten der Enidae rechts gewunden sind, ist das der Vierzahn-Vielfraßschnecke (Jaminia quadridens) arttypisch links gewunden (s. u.).

Die Arten der Familie leben als Waldschnecken auf Bäumen, in Trockengebieten als Bodenwühler oder an Felsen. Sie ernähren sich von welkem Pflanzenmaterial und Detritus. Einige Arten tarnen ihre Gehäuse mit Kot und Detritus, die auf die Oberfläche geklebt werden.

Der vormals gebräuchliche wissenschaftliche Name Buliminidae Clessin 1879 ist präokkupiert (die Buliminidae sind eine Familie der Foraminiferen), daher wäre der jüngere Name Enidae Woodward 1903 angebracht, der auch die vormals namengebende Gattung Buliminus einschließt. Zwar wird als Trivialname der Name Turmschnecken vorgeschlagen, allerdings könnte dies zu Verwechslungen mit den Turmschnecken (Turritellidae) führen, so dass der eindeutige Ausdruck Vielfraßschnecken vorzuziehen wäre.

Animal Base: Enidae family homepage.
Jungbluth, J. H., v. Knorre, D. (2008): Trivialnamen der Land- und Süßwassermollusken Deutschlands (Gastropoda et Bivalvia). Mollusca, 26(1): 105-156.

Berg-Vielfraßschnecke - Ena montana (Draparnaud 1801)


Berg-Vielfraßschnecke (Ena montana).
Bild: © Stefan Haller, (schneckenfoto.ch).
 
 
Berg-Vielfraßschnecke (Ena montana).
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien (mrkvicka.at).

Beschreibung: Das Gehäuse der Berg-Vielfraßschnecke ist spitzkegelig mit ziemlich flachen Windungen. Die Schalenoberfläche ist gitterartig gekörnt und leicht glänzend. Im Gegensatz zum übrigen, hell oder dunkel braun gefärbten Gehäuse mit manchmal ausgebleichter Spitze ist der Saum der Mündung blass rosa bis weiß. Der Mundsaum ist umgebogen, fehlt aber an der Oberseite der Mündung (dem Gewinde zu). Dort hat sich statt dessen eine weiße Schicht, der Kallus, gebildet. Der Körper der Schnecke ist dunkel bis violett braun mit dunklen Flecken auf der Oberseite. Jungtiere der Berg-Vielfraßschnecke tarnen ihr Gehäuse manchmal mit Kot und Erde.

Maße:H: 14 - 17 mm; B: 6 - 7 mm; U: 7 - 8. Information: Abkürzungen

Lebensraum und Verbreitung: Die Berg-Vielfraßschnecke lebt in feuchten Laubwäldern der Hügel- und Bergländer. Während die Art in Südengland auf kalkreichem trockenem Boden vorkommt, ist sie in Mitteleuropa eine charakteristische Art der Auenwälder. In der Schweiz ist die Berg-Vielfraßschnecke bis in 2500 m NN, allerdings selten über der Baumgrenze, anzutreffen. Ena montana lebt von verwelktem und totem Pflanzenmaterial, an feuchten Tagen steigt sie an Felsen und Baumstämmen auf, ähnlich, wie manche Schließmundschnecken-Arten.

Die Berg-Vielfraßschnecke ist in ganz Mitteleuropa verbreitet, im Osten bis nach Mittelrussland und die Karpaten, im Westen bis nach Ostfrankreich. Isoliert kommt sie auch weiter im Westen, in den Pyrenäen, Westfrankreich und Südengland, vor.

Animal Base: Ena montana species homepage.
Wikipedia: Berg-Vielfraßschnecke (Ena montana).

Kleine Vielfraßschnecke - Merdigera obscura (O. F. Müller 1774)


Kleine Vielfraßschnecke (Merdigera obscura)
mit effizienter Camouflage.
Bild: Robert Nordsieck.
 

Beschreibung: Die Kleine Vielfraßschnecke ähnelt ihrem größeren Verwandten in Form und Farbe des Gehäuses, allerdings ist sie deutlich kleiner. Die Oberfläche des Gehäuses ist nicht gekörnt, sondern dicht quergestreift. Der Mundsaum ist ebenfalls umgebogen und weiß gefärbt, allerdings fehlt Merdigera obscura der weiße Callus an der oberen, parietalen Seite der Mündung. Die Schnecke selbst ist dunkelbraun, an den Seiten und am Fuß heller gefärbt. Die kleineren Fühler sind ein Viertel so lang, wie die lang gestreckten großen Fühler. Beim Kriechen trägt die Schnecke ihr Gehäuse sehr hoch und nur wenig nach rechts geneigt.

 
Kleine Vielfraßschnecke (Merdigera obscura).
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien (mrkvicka.at).

Wie der Gattungsname der Schnecke (der "Kot-Träger") schon sagt, sind Jungtiere und Erwachsene oft unter einer tarnenden Camouflage von Kot und Erde versteckt.

Maße: H: 8,5 - 10,5 mm; B: 3 - 4 mm; U: 6. Information: Abkürzungen

Lebensraum und Verbreitung: Die Kleine Vielfraßschnecke ist weniger feuchtigkeitsbedürftig, als ihr größerer Verwandter. Man findet sie in Laubwäldern an Stämmen und unter Laub, aber auch außerhalb von Wäldern unter Steinen, an Mauern, in der Laubstreu und auf Moos. Bei feuchtem Wetter kriechen vor allem die Jungtiere an Baumstämmen und Felsen empor. Das Verbreitungsgebiet der Art erstreckt sich von Nordwestafrika über fast ganz Europa bis nach Südfinnland, in der Schweiz und in Bulgarien bis in einer Höhe von 2000 m NN.

Animal Base: Merdigera obscura species homepage.
Tarnung bei Schnecken.

 

Dreizahn-Vielfraßschnecke - Chondrula tridens (O. F. Müller 1774)


Dreizahn-Vielfraßschnecke (Chondrula tridens).
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien (mrkvicka.at).
 

Jaminia quadridensChondrula tridens

  Im Vergleich: Ein rechts gewundenes Gehäuse der Dreizahn-Vielfraßschnecke (Chondrula tridens, links) und die einzige links gewundene einheimische Art, die Vierzahn-Vielfraßschnecke (Jaminia quadridens, rechts). Bilder: Helmut Nisters.

Beschreibung: Die Dreizahn-Vielfraßschnecke ist walzig bis eiförmig und hat eine kegelförmige Spitze. Sie ist deutlich enger gewunden als die beiden zuvor genannten Arten. Die Umgänge sind schwach gewölbt, matt glänzend, von graubrauner bis hornbrauner Farbe. Der Mundsaum ist wenig erweitert und weist eine starke Lippe auf. Wie bei Ena montana bildet er an der parietalen Seite einen Kallus. In der Mündung stehen die drei Zähne, von denen die Art ihren Namen hat. Die Parietal-Lamelle (vgl. Mündungsarmatur) ist auch in der Mündung deutlich sichtbar. Die Jungtiere tarnen auch bei Chondrula tridens ihr Gehäuse manchmal mit einer Camouflage aus Kot und Erde.

Hartmut Nordsieck: Clausiliidae I:  u. a. Fachausdrücke der Mündungsarmatur.

Maße: H: 9 - 14 mm; B: 3,8 - 4,5 mm; U: 7 - 8. Information: Abkürzungen

 
Dreizahn-Vielfraßschnecke (Chondrula tridens)
mit tarnender Graufärbung am Felsen.
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.

Lebensraum und Verbreitung: Die Dreizahn-Vielfraßschnecke ist eine charakteristische Steppenart, die auf sonnigen, kalkhaltigen, versteppten Hängen in warmen Gebieten lebt. Üblicherweise lebt sie im Boden nahe den Felsen und kommt nur bei warmem und feuchtem Wetter an die Oberfläche. In der Schweiz kommt die Art bis in einer Höhe von 1500 m NN vor, in den übrigen Alpen bis auf 2200 m NN, in Bulgarien bis in einer Höhe von 1900 m NN. Chondrula tridens lebt von abgestorbenen Pflanzenteilen.

Das Verbreitungsgebiet von Chondrula tridens erstreckt sich über das europäische Mittelmeergebiet, von den Balearen, Südwest-Frankreich und Italien (auf Sardinien fehlt sie) bis nach Mitteleuropa, Litauen, Mittelrussland, den südlichen Ural, Südosteuropa (Bulgarien), die Türkei und den Nord-Iran.

In Deutschland und der Schweiz ist die Art stark gefährdet ( vgl. Gefährdungskategorien gemäß Roter Liste).

  Reischütz, P. L.: Beiträge zur Molluskenfauna Niederösterreichs, XII. Zum rezenten Vorkommen von Chondrula tridens (O. F. Müller 1774) (Gastropoda: Pulmonata: Enidae) in Ostösterreich.
  Animal Base: Chondrula tridens species homepage.

Große Vielfraßschnecke oder Märzenschnecke - Zebrina detrita (O. F. Müller 1774)


Jungtier der Zebraschnecke (Zebrina detrita)
im Trockenschlaf an einem Grashalm.
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.
 

Beschreibung: Die Große Vielfraßschnecke, auch Zebraschnecke oder Märzenschnecke genannt, ist die größte der einheimischen Vielfraßschneckenarten. Ihr Gehäuse ist bauchig eiförmig mit einer stumpfen Spitze, fast glatt und leicht glänzend. Das festwandige Gehäuse ist undurchsichtig weiß, ein Hinweis darauf, dass es sich um eine wärmeliebende Schneckenart handelt. Quer zum Umgang verlaufen dunkle Striemen (daher der Name Zebraschnecke bzw. Zebrina), die aber auch fehlen können, was dann dem Gehäuse ein reinweißes Aussehen gibt.

Der Weichkörper der Zebraschnecke ist gelblich-grau bis hellgrau gefärbt. Bei sinkenden Temperaturen im Spätherbst wird er etwas dunkler, im Frühjahr bei steigender Temperatur wieder etwas heller.

 
Zebraschnecke (Zebrina detrita).
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien (mrkvicka.at).

Maße: H: 12 - 30 mm; B: 8 - 12 mm; U: 6¾ - 7. Information: Abkürzungen

Lebensraum und Verbreitung: Zebrina detrita, wie bereits erwähnt, eine wärmeliebende Schneckenart, lebt auf den Rasen warmtrockener Hänge und Felssteppen mit Kalkböden, sowie in Weingärten. Die Schnecke wird als gesellig bezeichnet, tritt also oft in großer Zahl auf. In den Alpen steigt sie bis auf eine Höhe von 1600 m NN an.

Das Verbreitungsgebiet der Zebraschnecke reicht von Süd- und Südostfrankreich über Süddeutschland und Tschechien bis nach Ungarn, Bulgarien und die Türkei. Auch in Südengland gibt es einige kleinere Vorkommen. In Deutschland liegt die Nordgrenze etwa auf Höhe des Harzes. Die Zebraschnecke ist inzwischen auch in andere Regionen verschleppt worden.

Zebrina detrita gehört zu den Zwischenwirten des kleinen Leberegels (Dicrocoelium lanceolatum), ebenso, wie z.B. die westliche Heideschnecke (Helicella itala).

Am Kaiserstuhl in Südbaden sind Wärme liebende (xerotherme) Schneckenarten zu finden, die sonst in Südwestdeutschland eher selten auftreten. Die Anlage von Terrassen für den Weinbau auf dem nährstoff- und kalkreichen Lößboden hat hier neue Biotope geschaffen. Die Einwanderung xerothermer mediterraner Arten an den Kaiserstuhl ist aber keine moderne Entwicklung, sie hat in unterschiedlichen Phasen der Geschichte statt gefunden: Zebrina detrita findet sich am Kaiserstuhl erstmals in Lößschichten aus der späten Bronzezeit, ebenso wie die Schöne Landdeckelschnecke (Pomatias elegans).

Bedrohungssituation: Die Zebraschnecke ist vor allem von der Veränderung ihres Lebensraums, zum Beispiel durch die Grasmahd oder Heuernte, bedroht. Da sie in Mitteleuropa nur an isolierten Standorten, wenn auch dort in großer Zahl, vorkommt, ist sie gegen solche Veränderungen sehr empfindlich. In Österreich und Bayern ist Zebrina detrita als stark gefährdet, in der Schweiz als gefährdet eingestuft (vgl. Gefährdungskategorien gemäß Roter Liste).

Mollbase: Zebrina detrita.
Wikipedia: Die Märzenschnecke (Zebrina detrita).
Francisco Welter-Schultes: Zebrina detrita species homepage.

Lais, R. et al.: "Die Mollusken", in: "Der Kaiserstuhl - Eine Naturgeschichte des Vulkangebirges am Oberrhein", Bad. Landesverband f. Naturkunde u. Naturschutz, 1933, S. 366 ff.


Mit Bildern von Stefan Haller:
http://www.schneckenfoto.ch.