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Süßwasserschnecken

1. Teil: Kiemenatmende Süßwasserschnecken

 
YouTube Video: "Giant Snail Uses Snorkel to Breathe Underwater". Video: BBC Earth (Englisch).

Inhalt

Einleitung

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Bezeichnung Artenzahl Prozent
Gastropoda ca. 65.000 - 80.000 ~ 76%
Bivalvia ca. 20.000 ~ 21%
Cephalopoda ca. 900 ~ 1%
Scaphopoda ca. 900 ~ 1%
Monoplacophora ca. 25 < 1%
Polyplacophora ca. 1.000 ~ 1%
Solenogastres ca. 300 < 1%
Caudofoveata ca. 150 < 1%
Mollusca ca. 85.000 - 100.000  
 


Diagramm: Vergrößerte Darstellung!
  Artenzahlen rezenter Mollusca, verteilt auf Untergruppen, prozentual. Quellen: WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Mollusca LINNAEUS, 1758.

Schnecken und Muscheln sind die einzigen Weichtierklassen, die nicht nur im Meer, sondern auch im Süßwasser vorkommen – also in Flüssen und Bächen, in Seen, Teichen und Quellen. Die Bedingungen dort unterscheiden sich grundlegend vom weitgehend stabilen Lebensraum Meer. In Binnengewässern herrschen starke Schwankungen bei Temperatur, Wasserstand, Strömung und chemischer Zusammensetzung. Das stellt besondere Anforderungen an die Organismen, die dort leben.

Hinzu kommt die starke ökologische Fragmentierung: Viele Süßwasserlebensräume sind voneinander isoliert, was die genetische Trennung von Populationen und langfristig auch die Entstehung neuer Arten (adaptive Radiation) begünstigt. Diese Prozesse haben im Süßwasser – ebenso wie an Land – zu einer hohen Artenvielfalt innerhalb der Schnecken und Muscheln geführt.

Im Vergleich zu den übrigen Weichtierklassen, die ausschließlich im Meer vorkommen, stellen die Schnecken (Gastropoda) mit rund 73.000 bekannten rezenten Arten (Stand 2024) die artenreichste Gruppe der Mollusken dar – davon lebt etwa ein Drittel nicht im Meer. Auch die rund 20.000 Muschelarten (Bivalvia) sind zu einem erheblichen Teil im Süßwasser angesiedelt. Andere Weichtierklassen wie Käferschnecken, Kahnfüßer oder Kopffüßer sind dagegen ausschließlich im Meer zu finden.

Bemerkenswert ist, dass viele der heute im Süßwasser lebenden Schneckengruppen systematisch sehr unterschiedlich sind: Manche, wie etwa süßwasserlebende Kahnschneckenarten, wie Theodoxus fluviatilis (Neritidae), sind mit Meeresformen wie Nerita oder Clithon verwandt, ebenso wie mit den landlebenden Helicinidae. Alle gemeinsam gehören zur Großgruppe der Neritimorpha. Andere, wie etwa die Sumpfdeckelschnecken (Viviparidae) und die Schnauzenschnecken (Bithyniidae) sind mit den marinen (= meereslebenden) Strandschnecken (Littorinidae) verwandt. Ebenso, wie die Landdeckelschnecken (Pomatiidae) gehören sie zur Großgruppe der Caenogastropoda.

Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass der Übergang ins Süßwasser bei den Schnecken mehrfach und unabhängig voneinander erfolgte. Das erklärt die große Formenvielfalt limnischer (= süßwasserlebender) Schnecken und ihre teils sehr unterschiedlichen ökologischen Eigenschaften. Die folgende Übersicht befasst sich zunächst mit den kiementragenden Süßwasserschnecken.

Meeresschnecken: Systematik und Vielfalt.
Wie gelangten die Schnecken an Land?.

Neritimorpha

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Kahnschnecke (Theodoxus sp.): Donauinsel, Wien.
Bild: Thomas Bernhard (iNaturalist).
 
 
Thermenschnecken im Bükk-Gebirge (Ungarn).
Bild: Alexander Mrkvicka (iNaturalist). Ansicht vergrößern!
Die Neritimorpha sind eine urtümliche Gruppe der Schnecken: Etwa 2000 rezente Arten sind heute von den Neritimorpha bekannt. Aber tatsächlich ist die Gruppe sehr viel älter: Fossilien sind aus dem frühen Ordovizium bekannt. Bemerkenswert ist die Vielzahl von Lebensräumen, in denen Neritimorpha vorkommen: Von den Gezeitenzonen der Meere über das Brackwasser bis ins Süßwasser, und in einigen Fällen sogar an Land: Die Schalen der vor allem tropische Familie der Helicinidae erinnert zwar optisch an "herkömmliche" Landlungenschnecken, jedoch sind die Helicinidae mit diesen nur sehr entfernt verwandt: Sie haben einen Schalendeckel, nur zwei Fühler, sind getrennt geschlechtlich und tatsächlich viel näher mit den meeres- und süßwasserlebenden Kahnschnecken (Neritidae) verwandt.

Meeresschnecken: Neritimorpha.
Wie gelangten die Schnecken an Land?: Helicinidae.

Kahnschnecken (Neritidae)

Die bekannteste Familie der Neritimorpha im Süßwasser sind die Neritidae (Kahnschnecken), erkennbar an einem dickwandigen, oft halbkugeligen Gehäuse, einem kalkverstärkten Schalendeckel (Operculum) und einer besondere Form der Radula. Kahnschnecken gelten unter anderem als wichtige Belege für die Besiedlung des Süßwassers aus dem Meer heraus: Nach neueren Erkenntnissen haben die Neritidae nicht weniger als sechsmal vom Meer aus das Süßwasser besiedelt (Holthuis 1995). Auch heute noch bewohnen manche Arten, wie Theodoxus fluviatilis, auch Brackwasserhabitate, wie z.B. in Küstenregionen der westlichen Ostsee.

Im Gegensatz zu vielen anderen Süßwasserschnecken haben die Kahnschneckenverwandten ihre ursprüngliche Fortpflanzung beibehalten: Die getrennt geschlechtlichen Tiere legen Eikapseln ab und vermehren sich ohne freischwimmende Larvenstadien, also nicht über Veliger-Larven.

In Mitteleuropa sind nur wenige Arten vertreten, doch diese spielen eine wichtige Rolle als Bioindikatoren für Wasserqualität und als Algenfresser in Fließgewässern.

Meeresschnecken: Neritidae.
Süßwasserschnecken: Neritidae.
WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Neritidae RAFINESQUE, 1815.

Gemeine Kahnschnecke (Theodoxus fluviatilis)


Gemeine Kahnschnecke (Theodoxus fluviatilis)
Bild: Maëlan Adam (iNaturalist): Champagne-Ardenne, Frankreich. 
 
 
Gemeine Kahnschnecke (Theodoxus fluviatilis): Kurskaya obl., Russland.
Bild: Daniil Polyakov (iNaturalist).
   
 
Gemeine Kahnschnecke (Theodoxus fluviatilis): Split, Kroatien. 
Bild: Anton Gjeldum (iNaturalist).
Die Gemeine Kahnschnecke (Theodoxus fluviatilis) ist eine der häufigeren Vertreterinnen der Neritidae im mitteleuropäischen Süßwasser. Sie bewohnt bevorzugt größere Fließgewässer mit hartem Untergrund, auf dem sie sich von Kieselalgen (Diatomeen) ernährt. Diese werden mithilfe der Radula abgeraspelt und mit kräftigem Druck auf dem Substrat zerdrückt – eine notwendige Maßnahme, um den harten Silikatpanzer der Algen aufzubrechen.

Die Art besitzt ein halbeiförmiges, dickwandiges Gehäuse, das meist nur aus wenigen Umgängen besteht. Die Färbung und Musterung der Schale – oft gestreift, gewellt oder marmoriert – ist außerordentlich variabel und regional unterschiedlich. Die Bestimmung erfolgt daher häufig über das Operculum, den kalkigen Deckel, mit dem die Schnecke die Gehäuseöffnung bei Gefahr verschließt.

Gemeine Kahnschnecke (Theodoxus fluviatilis): Schalenansicht.

Interessant ist, dass Theodoxus fluviatilis auch im Brackwasser der Ostsee vorkommt: Er gilt als lebendes Beispiel für die Übergangsformen zwischen Meer- und Süßwasserbewohnern und zeigt, wie solche Anpassungen im Lauf der Evolution erfolgen konnten. Die osmotische Anpassung an salzhaltiges Wasser (Salinitäts-Toleranz ~10 PSU) ist dabei so energieaufwändig, dass die Brackwasser-Form von Theodoxus fluviatilis deutlich kleiner und dünnschaliger bleibt als ihre Verwandten im Süßwasser.

Die Ostsee: Ein junges Brackwassermeer mit wechselvoller Geschichte.
Kahnschnecken (Neritidae): Gemeine Kahnschnecke (Theodoxus fluviatilis).

Kahnschnecken sind getrennt geschlechtlich: Die Tiere legen Eikapseln an Steinen, Pflanzen oder auch an anderen Schneckenhäusern (vgl. Bild) ab. Aus diesen schlüpfen fertig entwickelte Jungtiere – ein Larvenstadium im Wasser fehlt.

Aufgrund von Gewässerausbau, Wasserverschmutzung und Nährstoffbelastung ist die Art in vielen Regionen stark zurückgegangen. In manchen Bundesländern steht sie auf der Roten Liste gefährdeter Arten. 2004 wurde Theodoxus fluviatilis in Deutschland zum Weichtier des Jahres gewählt – als Mahnung für den Verlust ökologisch wertvoller Fließgewässer.

Deutsche Malakozoologische Gesellschaft (DMG): Weichtier des Jahres.

In Mitteleuropa kommen noch weitere Kahnschneckenarten vor, darunter die Donau-Kahnschnecke (Theodoxus danubialis) und die Gestreifte Kahnschnecke (Theodoxus transversalis). Eine bemerkenswerte Art ist die Thermen-Kahnschnecke (Theodoxus prevostianus), die nur in einigen heißen Quellen in Niederösterreich, sowie in Slowenien und Ungarn vorkommt.

Kahnschnecken (Neritidae).
Wikipedia: Gemeine Kahnschnecke.
Nationalpark Donau-Auen: Donau-Kahnschnecke (Theodoxus danubialis).

Caenogastropoda 1: Architaenioglossa

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Systematik:  
Caenogastropoda

Architaenioglossa

Viviparoidea

Sumpfdeckelschnecken (Viviparidae)

Ampullarioidea
Apfelschnecken (Ampullariidae)

Cyclophoroidea
Walddeckelschnecken (Cochlostomatidae)
Mulmnadeln (Aciculidae)

Quelle: WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Architaenioglossa HALLER, 1892.

 
Die Caenogastropoda sind eine der größten und vielfältigsten Gruppen innerhalb der Schnecken (Gastropoda). Zu ihnen zählen sowohl marine, süßwasserlebende (limnische) als auch landlebende (terrestrische) Arten. Mit weltweit rund 23.000 bis 30.000 Arten sind sie nicht nur die artenreichste Gruppe unter den Meeresschnecken, sondern auch ökologisch überaus erfolgreich. Zum Vergleich: Die ebenfalls sehr artenreichen Lungenschnecken (Pulmonata) umfassen etwa 28.000 bis 33.000 Arten.

WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Caenogastropoda L.R. COX, 1960.
Meeresschnecken Systematik: Caenogastropoda.

Zu den Caenogastropoda gehören viele bekannte Schneckengruppen, darunter die Flügelschnecken (Strombidae), Kegelschnecken (Conidae) und Kaurischnecken (Cypraeidae). Auch landlebende Formen sind vertreten, etwa die Walddeckelschnecken (Cochlostomatidae, Architaenioglossa) und Landdeckelschnecken (Pomatiidae, Littorinimorpha).

Im Fokus dieser Seite stehen jedoch vor allem die süßwasserlebenden Vertreter der Caenogastropoda. Diese lassen sich grob in zwei größere Gruppen unterteilen:

Die Architaenioglossa, zu denen unter anderem die Sumpfdeckelschnecken (Viviparidae) und die tropischen Apfelschnecken (Ampullariidae) gehören und die Littorinimorpha, die neben den meeresbewohnenden Strandschnecken (Littorinidae) auch zahlreiche süßwasserlebende (limnische) Formen umfassen – insbesondere in der Überfamilie Truncatelloidea, zu der etwa die Schnauzenschnecken (Bithyniidae), Quellschnecken (Bythinellidae) und Zwergdeckelschnecken (Tateidae) gehören.

Wie immer gilt: Die Systematik ist nicht in Stein gemeißelt – wir bemühen uns dennoch, den aktuellen Stand der Forschung möglichst verständlich darzustellen.

Architaenioglossa

Die Architaenioglossa bilden eine kleine, aber systematisch interessante Gruppe innerhalb der Caenogastropoda. Im Gegensatz zu den moderneren Littorinimorpha sind sie durch mehrere urtümliche Merkmale gekennzeichnet: eine besonders gebaute Radula (Zunge mit nur einem zentralen Zahnfeld), meist zwei linke Kiemen, sowie eine vergleichsweise einfache Nervenanordnung.

Wie im System oben dargestellt, gibt es drei Überfamilien innerhalb der Architaenioglossa:

Beide Familien zeigen, auf jeweils eigene Weise, wie sich urtümliche Merkmale mit neuen Lebensräumen verbinden lassen:

Die Sumpfdeckelschnecken (Viviparidae) gehören zu den wenigen Schnecken, die im Süßwasser lebendgebärend (ovovivipar) sind, während die Walddeckelschnecken (Cochlostomatidae) und Mulmnadeln (Aciculidae) mithilfe von sekundärer Luftatmung den Übergang zum Landleben geschafft haben. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie getrennt geschlechtlich sind, nur zwei Fühler und einen Schalendeckel (Operculum) besitzen.

Wie gelangten die Schnecken an Land?

Apfelschnecken (Ampullariidae)


Dies ist keine Apfelschnecke! Die echten Apfelschnecken (Ampullariidae)
haben nur zwei Fühler, einen Schalendeckel und leben vorwiegend im
Wasser. KI-Bild: ChatGPT.
 
 
Dies ist eine Apfelschnecke (Pomacea maculata)! Diese Wasserschne-
cken fressen Wasserpflanzen ab und können auch an Aquakulturen
großen Schaden anrichten. Bild: Russ Hoverman (iNaturalist): Florida.
Die tropischen Apfelschnecken (Ampullariidae) sind Verwandte der Sumpfdeckelschnecken und gehören ebenfalls zur Gruppe der Architaenioglossa, bilden dort jedoch eine eigene Überfamilie: Ampullarioidea (s.o.). Anders als diese besitzen sie jedoch sowohl Kiemen, als auch eine Lunge, was ihnen das Überleben in sauerstoffarmen Gewässern erleichtert. Viele Arten führen zum Atmen sogar einen langen Siphon an die Wasseroberfläche.

Pomacea maculata ist die größte bekannte Süßwasserschnecke: Ihr Gehäuse kann eine Höhe von 12 cm erreichen.

Apfelschnecken fressen unter anderem Wasserpflanzen und legen an diesen auch außerhalb des Wassers ihre perlenartigen Eikapseln in großen Paketen ab. Viele Arten sind Allesfresser, die neben Algen und Kleinstorganismen auch Aas, andere Schnecken und Fischgelege fressen.

Aufgrund ihrer auffälligen Farben und Größe wurden sie in der Vergangenheit häufig in Aquarien gehalten. Allerdings führten sie in manchen Regionen auch zu Problemen : In Teilen Südostasiens und der südlichen USA gelten sie inzwischen als gefährliche Landwirtschaftsschädlinge, da sie Reis- und Wassersalatkulturen zerstören.

Einige Arten stehen daher auf internationalen Verbots- und Beobachtungslisten – auch in der EU ist die Haltung und Einfuhr bestimmter Arten inzwischen verboten, darunter die Insel-Apfelschnecke (Pomacea maculata, auch bekannt als Pomacea insularum).

Stijn Ghesquiere: Apple Snails.
Jaxshells.org: Pomacea paludosa (SAY 1829) - Florida Apple Snail.
Wikipedia: Apfelschnecken.
Verbot der Gattung Pomacea in der EU.
WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Pomacea maculata G. PERRY, 1810.

Sumpfdeckelschnecken (Viviparidae)


Donau-Sumpfdeckelschnecke (Viviparus acero-
sus
). Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.
 
Schale von Viviparus contectus.
Bild: H. Zell (Quelle). 
 
 
Spitze Sumpfdeckelschnecke (Viviparus contectus).
Bild: Niklaszd (iNaturalist): Plön, Schleswig-Holstein.
   
 
Gemeine Flussdeckelschnecke (Viviparus viviparus).
Bild: Marina Sutormina (iNaturalist): Stäket, Schweden.
   
 
Gut getarnte Flussdeckelschnecke (Viviparus viviparus).
Bild: Roman D. (iNaturalist): Sum'ska obl., Ukraine.
Die Familie der Sumpfdeckelschnecken (Viviparidae) ist verwandt mit den tropischen Apfelschnecken (Ampullariidae), bildet aber eine eigene Überfamilie, Viviparoidea (s.o.). Im Gegensatz zu ihren exotischen Verwandten sind die Viviparidae ausschließlich im Süßwasser verbreitet – in Europa vor allem in Flüssen und größeren Seen.

Typisch für diese Schnecken sind die spiralig gewundenen, meist bauchigen Gehäuse mit einem gut entwickelten, hornigen Operculum, das die Gehäuseöffnung verschließt. Die Tiere bewegen sich langsam über den Gewässerboden und ernähren sich hauptsächlich von pflanzlichem Aufwuchs, Algen und organischem Detritus. Einige Arten können dabei auch Schwebstoffe aus dem Atemwasser aufnehmen – ein Verhalten, das sonst eher von Muscheln bekannt ist.

Ein besonderes Merkmal der Viviparidae ist ihre Fortpflanzung: Die Weibchen sind ovovivipar – sie legen keine Eier, sondern bringen voll entwickelte Jungtiere zur Welt. Diese schlüpfen aus den Eiern im Körper des Muttertiers. So können sie besser vor Umweltgefahren geschützt heranwachsen. Bei manchen Arten zeigen Weibchen und Männchen einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus – zum Beispiel sind die Weibchen größer und rundlicher gebaut, während das Männchen einen umgewandelten rechten Fühler als Begattungsorgan trägt.

In Österreich sind insbesondere drei Arten vertreten: die Spitze Sumpfdeckelschnecke (Viviparus contectus), die Donau-Sumpfdeckelschnecke (Viviparus acerosus) und die Gemeine Flussdeckelschnecke (Viviparus viviparus), die 2025 von der Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft zum Weichtier des Jahres ernannt wurde.

WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Viviparidae J.E. GRAY 1847.

Spitze Sumpfdeckelschnecke (Viviparus contectus)

Die Spitze Sumpfdeckelschnecke (Viviparus contectus) bewohnt vor allem nährstoffreiche Tieflandflüsse und Uferbereiche großer Seen, wo sie sich langsam über den Grund bewegt und Pflanzenaufwuchs abweidet, sowie feine Schwebstoffe als Filtrierer aufnimmt. An nährstoffreichen Stellen kann sie sich über längere Zeit aufhalten. Viviparus contectus ist oft auch in trüben, verkrauteten und veralgten schlammigen Teichen und Weihern zu finden, was der Art den deutschen Trivialnamen Sumpfdeckelschnecke eingebracht hat. Zusätzlich kommt die Art auch in sauren Moortümpeln und Sümpfen vor, worin sie sich von den meisten anderen Viviparidae unterscheidet.

Als typischer Vertreter der Viviparidae besitzt die Spitze Sumpfdeckelschnecke ein bauchiges, rechtsgewundenes Gehäuse und einen gut entwickelten hornigen Schalendeckel (Operculum). Diesen nutzt sie nicht nur, um sich vor Feinden zu schützen: Man kann die Schnecke auch im Bereich von trocken gefallenen Gewässern finden, da sie den Schalendeckel auch als Schutz gegen Trockenheit, sowie auch bei der Überwinterung als schützenden Verschluss der Schalenmündung nutzt. Man geht davon aus, dass Sumpfdeckelschnecken bis zu 13 Jahre alt werden können. Viviparus contectus erreicht eine Gehäusehöhe von ca. 45 mm.

Das bis zu 40 mm hohe und bis zu 30 mm breite dickwandige Gehäuse ist an der Schalenspitze zugespitzt, die Windungen sind deutlich stufig abgesetzt und der Nabel ist offen. In seltenen Fällen kommen, wie bei der Weinbergschnecke ( Schneckenkönige) auch links gewundene Exemplare vor. Die Färbung des Gehäuses ist meist grünlichbraun bis schwarz, mit drei rotbraunen Bändern. Der vordere Kopfbereich ist rüsselartig ausgezogen, rechts und links sitzen die beiden Fühler.


Röntgenaufnahme einer Sumpfdeckel-
schnecke (Viviparus sp.) mit den heran
wachsenden Jungtieren.
Bild: Prof. G. Ribi, Uni Zürich.
 
Jungtiere von Viviparus contectus (5 mm).
Bild: Schnecken und Muscheln.
 
Die Geschlechter unterscheiden sich voneinander. Beim Männchen dient der rechte Fühler als extra dafür umgebildetes Begattungsorgan, er ist kürzer und dicker als der linke. Weibchen besitzen zwei gleich dicke Fühler und werden größer und rundlicher als die Männchen.

Besonders bemerkenswert ist die Fortpflanzung: Viviparidae sind vivipar: Die Weibchen legen also keine Eier ab, sondern die Embryonen entwickeln sich in den Eikapseln im Körper der Mutter, wo sie sich von einer eiweißhaltigen Flüssigkeit ernähren. Die weibliche Schnecke beherbergt dabei während des Sommers bis zu 30 verschieden alte Jungtiere, von denen das jeweils älteste dann einzeln geboren wird, wenn es bereits ein etwa 5 mm großes Gehäuse besitzt.

Wenig überraschend rührt daher auch der Gattungsname Viviparus, der auf Latein "Lebendgebärend" bedeutet. Genaugenommen handelt es sich dabei allerdings um Ovoviviparie oder lecithotrophe Viviparie, wie sie durchaus auch bei anderen Schneckengruppen, z.B. manchen landlebenden Schließmundschnecken (Clausiliidae), vorkommt.

Die neugeborenen Jungtiere besitzen eine behaarte Gehäuseoberfläche, an der sich feine Bodenteilchen anlagern – ein wirksamer Tarnmechanismus, der sie besser vor Fressfeinden schützt. Die Jungschnecken sind nicht nur am Boden aktiv, sondern kriechen gelegentlich sogar kopfüber an der Wasseroberfläche entlang – ein Verhalten, das man auch von Schlammschnecken (Lymnaeidae) kennt.

Aufgrund ihrer sehr langsamen Fortbewegung und teilweise nahezu sessilen Lebensweise sind aber auch die Schalen ausgewachsener Sumpfdeckelschnecken oft von Algen und Sediment bedeckt, was auch diesen eine sehr nützliche Tarnung verschafft.

Weitere Arten:

Neben Viviparus contectus kommen in Mitteleuropa zwei weitere Arten vor:

Die Gemeine Flussdeckelschnecke (Viviparus viviparus) ist in geeigneten Fließ- und Stillgewässern häufig und weit verbreitet. Sie wurde 2025 von der Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft zum Weichtier des Jahres gewählt, da die Art "sowohl durch die Verschmutzung ihrer Wohngewässer als auch durch die ansteigenden Wassertemperaturen im Sommer und den damit einhergehenden sinkenden Sauerstoffgehalt im Wasser bedroht" ist (SCHNIEBS, K. et al., 2025).

Die Donau-Sumpfdeckelschnecke (Viviparus acerosus) ist hingegen ein typischer Vertreter der Donauauen, wo sie geschlossen von Wien aus stromabwärts vorkommt. In Bayern und Österreich steht die Art kurz vor dem Aussterben. Viviparus acerosus ist von Viviparus viviparus nur schwer zu unterscheiden, beide Arten bilden manchmal auch Hybriden: SCHNIEBS, K. et al. (2025) vermuten, dass es sich auch um zwei Varianten einer Art handeln könnte.

Caenogastropoda 2: Littorinimorpha

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Systematik:  
Caenogastropoda

Littorinimorpha

Littorinoidea
Strandschnecken (Littorinidae)
Landdeckelschnecken (Pomatiidae)

Truncatelloidea
Schnauzenschnecken (Bithyniidae)
Quellschnecken (Bythinellidae)
Zwergdeckelschnecken (Tateidae)
Hydrobiidae

Quelle: WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Littorinimorpha A.N. GOLIKOV & STAROBOGATOV, 1840.

 
  Systematik der Truncatelloidea
Caenogastropoda > Littorinimorpha > Truncatelloidea
 

Überfamilie Truncatelloidea

Familie Hydrobiidae
Unterfamilie Belgrandiellinae
Belgrandiella
Graziana
Unterfamilie Horatiinae
Sadleriana
Unterfamilie Hydrobiinae
Peringia (Wattschnecken)
Unterfamilie Pyrgulinae
Pyrgula

Familie Bythinellidae
Bythinella

Familie Moitessieridae
Bythiospeum

Familie Amnicolidae
Marstoniopsis

Familie Lithoglyphidae
Lithoglyphus

Familie Tateidae
Potamopyrgus

Familie Emmericiidae
Emmericia

Familie: Bithyniidae
Bithynia

Quelle: WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Truncatelloidea J.E. GRAY, 1840.

Littorinimorpha

Unter dem Überbegriff der Littorinimorpha werden innerhalb der Caenogastropoda eine große Zahl höher entwickelter Schneckengruppen zusammengefasst. Darunter fallen neben den namengebenden Strandschnecken (Littorinidae) meereslebende Gruppen, wie Pantoffelschnecken (Calyptraeidae), Kaurischnecken (Cypraeidae), Flügelschnecken (Strombidae) und Tonnenschnecken (Tonnidae), aber auch landlebende Gruppen wie die Landdeckelschnecken (Pomatiidae) und außerdem viele süßwasserlebende (limnische) Gruppen, auf einige von denen wir uns hier konzentrieren wollen.

In der Überfamilie Truncatelloidea (vgl. System rechts) gehören dazu Schnauzenschnecken (Bithyniidae), Quellschnecken (Bythinellidae) und Zwergdeckelschnecken (Tateidae), aber auch die Hydrobiidae, zu denen z.B. die Wattschnecke (Peringia ulvae) gehört (vgl. dazu Das Wattenmeer).

Quellschnecken (Bythinellidae) sind besonders deswegen bemerkenswert, weil sie oftmals endemisch nur in bestimmten Quellen und Bachläufen vorkommen. Zum einen haben sie es dadurch auf eine sehr große Artenzahl gebracht, zum anderen sind diese Quellschnecken-Populationen oftmals bedroht, wenn ein Quellgewässer durch Baumaßnahmen oder Überdüngung beeinträchtigt wird.

Die Zwergdeckelschnecken (Tateidae) sind in Mitteleuropa vor allem durch die Neuseeländische Zwergdeckelschnecke (Potamopyrgus antipodarum) vertreten, die vielerorts eingeschleppt wurde und zu einem Zeigerorganismus der anderen Art geworden ist. Im Gegensatz zu vielen einheimischen Süßwasserschneckenarten ist sie nämlich sehr anspruchslos, d.h. wenn in einem Gewässer sehr viele Neuseeländische Zwergdeckelschnecken, aber sehr wenige andere Süßwasserschnecken vorkommen, spricht das deutlich für eine Beeinträchtigung des Gewässers.

Zu den Hydrobiidae schließlich gehören eine Vielzahl kleiner bis sehr kleiner meeres- und süßwasserlebender Deckelschneckenarten, wie z.B. die Wattschnecke (Peringia ulvae), aber auch die winzigen Quellschnecken (Belgrandiellinae). Im System rechts werden die Schneckengruppen aus den Truncatelloidea aufgeführt, die auf dieser Homepage beschrieben werden. Die WoRMS-Datenbank zeigt, wie kompliziert und vielfältig diese Schneckengruppen wirklich sind.

Schnauzenschnecken (Bithyniidae)


Schnauzenschnecke (Bithynia tentaculata). Bild: Lars Peters.
 
Schnauzenschnecke (Bithynia tentaculata) mit charakteristi-
scher Mündungsform und konzentrischem Operculum.
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.
 
Im Altertum befand sich die Landschaft Bithynien (griech. Βιθυνία, Bithynia) im nordwestlichen Kleinasien, an der Südküste des Marmara-Meeres zwischen Bosporus und dem Schwarzen Meer.

Die Schnauzenschnecken (Bithyniidae), die ihren Namen diesem antiken Landstrich verdanken, sind auf allen Kontinenten weit verbreitet, außer in Amerika, wo nur Bithynia tentaculata eingeschleppt lebt. Schnauzenschnecken sind deutlich kleiner als Sumpfdeckelschnecken oder vor allem Apfelschnecken: Das Gehäuse einer erwachsenen Bithynia tentaculata wird bis zu ca. 13 mm hoch.

Das kegel- bis eiförmige Gehäuse der Schnauzenschnecke wird von einem dicken, kalkigen Schalendeckel verschlossen dessen konzentrischer Aufbau typisch für die Gemeine Schnauzenschnecke (Bithynia tentaculata) ist (Bild links). Schnauzenschnecken atmen mit Kiemen, so dass sie außerdem ihr Atemwasser nach Nahrungsteilchen durchfiltern können, ähnlich wie eine Flussdeckelschnecke (Viviparus viviparus). Außerdem ernähren sie sich von zerfallendem Pflanzenmaterial und anderen organischen Überresten (Detritus).

Bevor es seine etwa 20 - 40 einzelne Eier ablegt, reinigt das Weibchen die Unterseite von Steinen, Muschelklappen und Pflanzenteilen extra von Algen. Anschließend fügt es die Eier mit dem Fuß zu einem Laichband zusammen.

Während im Mittelmeerraum noch weitere Arten von Schnauzenschnecken vorkommen, sind in Mitteleuropa nur drei Arten heimisch: Die Gemeine Schnauzenschnecke (Bithynia tentaculata), die Bauchige Schnauzenschnecke (Bithynia leachi) und die Östliche Schnauzenschnecke (Bithynia transsilvanica).

WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Bithyniidae J.E. GRAY 1847, Bithynia transsilvanica (BIELZ, 1853).

Weiterführende Informationen:

Schnauzenschnecken (Bithyniidae).

Quellschnecken (Bythinellidae)


Bythinella cylindrica.
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.
 
 
Rhön-Quellschnecke (Bythinella compressa).
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.
 
Quellschnecken (Bythinella compressa) auf einem Laubblatt.
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.
Die Quellschnecken (Bythinellidae) gehören zu den kleinsten und zugleich am stärksten spezialisierten Süßwasserschnecken Mitteleuropas. Die meisten Arten erreichen nur 1 bis 2 Millimeter Gehäusehöhe und leben bevorzugt in kühlen, sauerstoffreichen Quellbereichen sowie in unterirdischen Zuflüssen.

Quellschnecken sind an gleich bleibend niedrige Temperaturen gewöhnt (kalt-stenotherm), da sie fast nur in Quellen und deren oberstem Ablauf bis zum Oberlauf der Bäche, leben. Die Anwesenheit von Quellschnecken ist ein Indikator für die Reinheit des Quellwassers, im Quellbereich sauberer Gewässer kann man mehrere 1000 Schnecken /m² finden.

Viele Arten der Gattung Bythinella sind endemisch, sie kommen jeweils nur in einem sehr kleinen Gebiet, oft sogar nur in einer einzigen Quelle, vor. Aufgrund dieser hohen Standortbindung ist die Familie einerseits äußerst artenreich, andererseits aber besonders empfindlich gegenüber Umweltveränderungen:

Quellschnecken sind Krenobionten, also Spezialisten mit geringer ökologischer Amplitude, die schon auf geringe Abweichungen von ihren Standard-Lebensbedingungen mit einem Rückgang der Individuendichte reagieren oder ganz verschwinden. Einerseits sind sie an den extremen und kargen Lebensraum in Quellen hervorragend angepasst, andererseits können schon geringe Eingriffe in den Wasserhaushalt, etwa durch Quellfassungen oder Eutrophierung aufgrund von Nährstoffeinträgen, ganze Populationen gefährden.

Ein typischer Vertreter in Österreich ist die Österreichische Quellschnecke (Bythinella austriaca), die in alpinen und pannonischen Quellbereichen vorkommt. Ihre unscheinbare Größe macht sie leicht übersehbar – dabei ist sie ein wichtiger Indikator für intakte Grundwasserlebensräume.


Bayrische Quellschnecke (Bythinella bavarica).
Bild: Alexander Mrkvicka (Quelle). Schussenquelle, Bayern.
 
Verbreitungsgebiet (Deutschland) Name
Nordalpen, Allgäu, Lech- und Isargebiet Bythinella bavarica
Ostalpen, Sudeten und Alpenvorland Bythinella austriaca
Rhön und Vogelsberg Bythinella compressa
Westdeutschland, Niederrhein und Sauerland Bythinella dunkeri
Schwarzwald Bythinella badensis

Verbreitungsgebiete unterschiedlicher Quellschneckenarten (Bythinella) in Deutschland.
 
Österreichische Quellschnecke (Bythinella austriaca).
Bild: Alexander Mrkvicka (iNaturalist): Baden, Österreich.

Quellschnecken (Bythinellidae).
WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Bythinellidae LOCARD, 1893.

Wasserdeckelschnecken (Hydrobiidae)

Die Familie der Hydrobiidae ist sehr vielseitig. Neben winzigen süßwasserlebenden Quellschnecken gehören dazu auch die ähnlich winzigen Wattschnecken (Peringia ulvae). Man unterscheidet mehrere Unterfamilien (vgl. System oben).

Quellschnecken (Belgrandiellinae)

 
Klagenfurter Quellschnecke (Graziana klagenfurtensis).
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.
   
 
Der orangefarbene Deckel, wie bei diesem Exemplar schön zu
sehen, unterscheidet Graziana und Belgrandiella von vielleicht
ebenfalls vorkommenden Arten von Bythinella (Bythinellidae).

Quellschnecke (Belgrandiella wawrai).
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.
 
Zu dieser Gruppe gehören stark spezialisierte Schneckenarten, die oft nur in einem einzigen Quellstandort oder Quellbach leben. In Österreich zählen dazu die Gattungen Belgrandiella und Graziana, die in Karstregionen und Kalkalpen vorkommen.

Ein besonders bemerkenswerter Fall ist die Klagenfurter Quellschnecke (Graziana klagenfurtensis), die erst 1994 beschrieben wurde. Sie lebt ausschließlich im Gebiet rund um die Sattnitz südlich von Klagenfurt – außerhalb dieses Bereichs konnte sie nie nachgewiesen werden. Alle fünf oder sechs Quellen in dem Verbreitungsgebiet, in dem die Art vorkommt, sind von Umweltverschmutzung und Grundwasserabsenkung in Mitleidenschaft gezogen.

Aus diesem Grund steht Graziana klagenfurtensis auf der Roten Liste bedrohter Tierarten: Sie wird aufgrund der Gefährdung ihres Lebensraums und des endemischen Charakters ihres Verbreitungsgebietes als vom Aussterben bedroht (critically endangered) eingestuft (vgl. Gefährdungskategorien gemäß Roter Liste).

Quellschnecken (Belgrandiellinae).
Klagenfurter Quellschnecke (Graziana klagenfurtensis).
WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Graziana klagenfurtensis HAASE, 1994.

Literatur

REISCHÜTZ, P. 2009. Graziana klagenfurtensis. In: IUCN 2011. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2011.1.
HAASE, M., MILDNER, P. (1996): Hydrobiidae (Gastropoda, Prosobranchia) Kärntens: Zur Verbreitung der Gattung Graziana. Carinthia II 186 (106): S. 571 - 574. ( PDF).

Wasserdeckelschnecken (Hydrobiinae)


Wattschnecke (Peringia ulvae): Côtes-d'Armor, Bretagne.
Bild: Maëlan Adam (iNaturalist).
 
Wattschnecken (Peringia ulvae) auf einer Austernschale.
Bild: Tiago Carrapiço (iNaturalist): Seixal, Portugal.
 
Zur Unterfamilie Hydrobiinae gehören nicht nur klassische Süßwasserarten, sondern auch Brackwasserbewohner, wie etwa die Wattschnecke (Peringia ulvae), die an den Küsten Nordwesteuropas lebt. Diese Art ist in der Lage, kurzzeitiges Trockenfallen und wechselnde Salzgehalte zu überstehen – eine Ausnahmeerscheinung unter den sonst so empfindlichen Hydrobiiden.

Wattschnecken werden nur 3 bis 6 mm groß und fressen organische Kleinteile. Durch ihren Kot tragen sie zur Sediment-Produktion im Watt bei. In der Ostsee kann die Wattschnecke Brackwasser mit einem so geringen Salzgehalt wie 0,15% (~1,5 PSU) ertragen. Auf einem Quadratmeter Watt kann man manchmal bis zu 20.000 der kleinen Schnecken finden!

Wattschnecken sind jedoch nicht nur die kleinsten, sondern im Prinzip auch die schnellsten Schnecken im Watt: Allerdings nicht, wenn sie sich "herkömmlich" fortbewegen. Dann erreichen sie maximal 2 cm/min. Allerdings lassen sie sich an der Wasserobefläche hängend von der Flut vertragen, was mit bis zu 3,5 km/h eine deutlich schnellere Fortbewegungsmethode ist.

Weitere Gattungen dieser Unterfamilie leben in Grundwasserleitern, Quellbächen und Gräben und sind häufig nur mikroskopisch bestimmbar. Ihre hohe Spezialisierung macht sie zu wertvollen Bioindikatoren, aber auch zu besonders gefährdeten Arten.

Wattschnecke (Peringia ulvae).
Beachexplorer.org: Steckbrief: Peringia ulvae.
WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Hydrobiidae W. STIMPSON, 1865.

Zwergdeckelschnecken (Tateidae)


Neuseeländische Zwergdeckelschnecke (Potamopyrgus antipodarum).
Bild: Sylvain G. (iNaturalist): Haute-Garonne, Midi-Pyrénées, Frankreich.
 
 
Potamopyrgus antipodarum.
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.
Die Familie Tateidae ist vor allem auf der Südhalbkugel verbreitet: Viele ihrer Vertreter stammen ursprünglich aus Australien und Neuseeland. In Mitteleuropa ist jedoch eine Art von besonderer Bedeutung: die Neuseeländische Zwergdeckelschnecke (Potamopyrgus antipodarum).

Diese Art wurde im 19. Jahrhundert vermutlich mit Ballastwasser nach Europa eingeschleppt und hat sich seither in vielen Flüssen, Kanälen und Seen ausgebreitet. Aufgrund ihrer geringen Ansprüche und hohen Reproduktionsrate konnte sie sich rasch gegenüber einheimischen Arten durchsetzen. Obwohl die Art eigentlich ovovivipar (lebendgebärend ist), besitzt sie außerdem die Fähigkeit zur parthenogenetischen Fortpflanzung (Jungfernzeugung), wodurch sie sich gegebenenfalls sehr schnell vermehren kann.

Die Widerstandsfähigkeit der Neuseeländischen Zwergdeckelschnecke ist rekordverdächtig: Die Art toleriert Strömungsgeschwindigkeiten bis 0,5 m/s, eine Salinität von 0–1,5% (~15 PSU, vgl. Ostsee), Temperaturen von 0-34°C, Trockenphasen von 24 Stunden und kann bis zu 50 Tage auf feuchten Oberflächen. Außerdem können Zwergdeckelschnecken, ebenso wie die Federkiemenschnecken (Valvatidae) das Verdauungssystem von Fischen und Vögeln unbeschadet passieren werden so verbreitet. Außerdem kann die Schnecke laut mehreren Quellen ein Tempo von mehr als 1m pro Stunde erreichen.

Wie schnell sind Schnecken? Ein Vergleich.

Die Neuseeländische Zwergdeckelschnecke ist heute eine der häufigsten Schneckenarten in mitteleuropäischen Fließgewässern – allerdings mit einem negativen Beigeschmack: Ihr massenhaftes Auftreten gilt als Hinweis auf ökologische Störungen. Wo diese Art dominiert, sind empfindlichere Schneckenarten oft bereits verschwunden. Sie wird daher gelegentlich als "Zeigerorganismus der anderen Art" bezeichnet.

Potamopyrgus antipodarum kann in manchen Flüssen über 95% der Biomasse an Wirbellosen ausmachen, wodurch einheimische Arten verdrängt werden und außerdem Populationen von Arten, die sich von diesen ernähren (z.B. Forellen), beeinträchtigt werden. Die Art ist zudem extrem schwer auszurotten: Selbst Filteranlagen von Klärwerken oder Heißwasserbehandlungen können ihr oft nichts anhaben. In Nordamerika und Australien zählt sie mittlerweile zu den problematischsten invasiven Süßwasserschnecken.

Schnecken und Muscheln: Tateidae.
Zwergdeckelschnecken (Tateidae).
WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Tateidae THIELE, 1925.

Caenogastropoda i. s.

Seitenanfang.

Die im Folgenden beschriebenen Familien gehören zur Überfamilie Cerithioidea und sind damit verwandt mit den meereslebenden Nadelschnecken (Cerithiidae). Nachdem ihre systematische Position innerhalb der Caenogastropoda noch nicht abschließend ergründet ist, erhalten sie einstweilen den Status "incertae sedis".

Nadelschnecken sind weltweit in Meeren im Flachwasser auf sandigen Untergründen und Korallenriffen mit Sand und Algen oder auch Fels zu finden. Sie sind in warmen und gemäßigten Zonen, insbesondere aber in den Tropen verbreitet. In der Nordsee ist die etwa 0,5 bis 1,5 cm große Genetzte Nadelschnecke (Bittium reticulatum) häufig (siehe: Seegraswiesen). Wenige Arten der Nadelschnecken treten auch in Mangrovenwäldern auf: Die Cerithidae und verwandte Gruppen sind ein weiteres Beispiel für die mehrfach stattgefundene Besiedlung des Süßwassers aus dem Meer. Nadelschnecken sind eine alte Schneckengruppe, deren Fossilien seit der Trias belegt sind: Zahlreiche Arten dieser Familie dienen außerdem als Leitfossilien des marinen Tertiärs. 

Wikipedia: Nadelschnecken.
WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Cerithioidea J. FLEMING, 1822.

Kronenschnecken (Thiaridae)


Nadel-Kronenschnecke (Melanoides tuberculata).
Bild: Frederico A. Sonntag (iNaturalist): São José de Piranhas, Brasilien.
 
Die Kronenschnecken (Thiaridae, nicht zu verwechseln mit den ebenfalls als Kronenschnecken bezeichneten meereslebenden Melongenidae) sind eine Familie im Süßwasser lebender Schnecken mit einem tropischen Verbreitungsgebiet und etwa 110 bekannten rezenten Arten.

Kronenschnecken sind getrennt geschlechtlich, allerdings pflanzen sich viele Arten dieser Familie parthenogenetisch fort, weshalb es bei diesen Arten, ähnlich wie bei der Neuseeländischen Zwergdeckelschnecke (s.o.), fast nur Weibchen gibt. Ebenso sind auch die Kronenschnecken ovovivipar, d.h. die Weibchen besitzen einen speziellen Brutbeutel, in dem sie sowohl Eier als auch die sich entwickelnden Jungtiere bis zu deren Schlupf als fertig entwickelte, kleine Schnecken zurückhalten.

 
Nadel-Kronenschnecke (Melanoides tuberculata).
Bild: Chris Rakowski (iNaturalist): Austin, Texas.
In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet sind Thiaridae in tropischen Flüssen und Seen in Mittelamerika, Südamerika, Afrika und Asien sowie auf den karibischen und pazifischen Inseln anzutreffen.

In Mitteleuropa ist hingegen vor allem die sogenannte Nadel-Kronenschnecke (Melanoides tuberculata) von Bedeutung. Sie gehört zu den am meisten in Aquarien gehaltenen Schnecken und ist dort auch als Indische oder Malaiische Turmdeckelschnecke bekannt. Tatsächlich ist sie ursprünglich von Ostafrika bis Südostasien verbreitet.

Vermutlich als Aquarienschnecke wurde die Nadel-Kronenschnecke vom Menschen durch unsachgemäße Haltung und Entsorgung in vielen Teilen der Welt eingeschleppt: In den USA wird sie als Zwischenwirt für verschiedene parasitische Saugwürmer auch als ein gesundheitliches Problem für den Menschen angesehen. Zudem verdrängt sie durch ihre deutlich stärkere Vermehrung und durch Nahrungskonkurrenz die einheimischen Schneckenpopulationen.

In Deutschland (Schwandorf, Bayern) und Österreich (Vöslau, Villach) wurde sie vor allem in Thermen und künstlich erwärmten Gewässern angesiedelt.

Wikipedia: Kronenschnecken, Nadel-Kronenschnecke.
FALKNER, G., FECHTER, R. (1990): Weichtiere, S. 128. Mosaik-Verlag München.
GLÖER, P., MEIER-BROOK, C. (2003): Süßwassermollusken, S. 32. Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung DJN, Hamburg.

Schwarzdeckelschnecken (Melanopsidae)


Kurze Kronenschnecke (Holandria holandrii).
Bild: Alexander Mrkvicka (Quelle): Fluss Kulpa, Slowenien.
 
Die Schwarzdeckelschnecken (Melanopsidae) sind eine kleine Familie im Süßwasser lebender Schnecken, die in Europa, Nordafrika, Asien, Neuseeland und auf einigen Pazifikinseln verbreitet sind. Es gibt etwa zehn bekannte rezente Arten in sechs anerkannten Gattungen.

Die kleinen bis großen Schnecken haben ein eiförmiges oder schmales konisches Gehäuse mit meist fester Wand, nur geringfügig gewölbten oder auch abgestuften Umgängen und oft knotigen Rippen oder glatter Oberfläche. Die Gehäusemündung ist am unteren Rand oft mit einer Rinne versehen. Das Operculum weist nur wenige Windungen auf. Die Schnecken haben einen glatten Mantelsaum. Bei allen Arten treten sowohl Weibchen als auch Männchen auf. Es werden Eier abgelegt, aus denen fertige Schnecken schlüpfen. Die Schwarzdeckelschnecken ernähren sich als Weidegänger vorwiegend von Algen.

Schwarzdeckelschnecken bevorzugen meist feste Substrate in Bächen und Flüssen, vorwiegend in subtropischen bis tropischen Regionen. Ihr disjunktes Verbreitungsgebiet umfasst den Mittelmeerraum mit dem Einzugsgebiet der Donau, Nordafrika und dem nahen Osten, darüber hinaus Flüsse Neuseelands, Neukaledoniens und einiger anderer pazifischer Inseln.

 
Schwarze Pechschnecke (Microcolpia  daudebarti daudebartii)
Bild: Alexander Mrkvicka (iNaturalist): Bükk-Gebirge bei Miskolc, Ungarn.
 
Thermen-Pechschnecke (Microcolpia daudebartii acicularis).
Bild: Alexander Mrkvicka (Quelle): Bad Vöslau, Niederösterreich.
In Mitteleuropa sind mehrere Arten von Schwarzdeckelschnecken präsent: In Slowenien und Kroatien kommt die südosteuropäisch verbreitete Kurze Kronenschnecke (Holandria holandrii) vor: Sie lebt in schnell fließenden Flüssen und Bächen und ernährt sich von mikroskopischen Algen.

Aus dem westlichen Schwarzmeergebiet donauaufwärts bis nach Ostösterreich und die Slowakei hat sich hingegen die Schwarze Pechschnecke (Microcolpia daudebartii) ausgebreitet. Als Unterart Microcolpia daudebartii acicularis ist sie, auch als Thermen-Pechschnecke bezeichnet, in Thermen und warmen Gewässern zu finden: Dieses Vorkommen stellt ein Relikt aus den wärmeren Zwischeneiszeiten dar, als die Art, wie fossil nachweisbar ist, bis nach Bayern und Thüringen vorkam. Ähnliche Relikte gibt es in Bad Vöslau und Bad Fischau in Niederösterreich, sowie im Bükk-Gebirge in Ungarn.

Fossil sind zwar zahlreiche Verwandte der Thermen-Pechschnecke aus dem Tertiär (siehe Erdzeitalter) der Donauländer nachgewiesen. Wahrscheinlicher ist aber, dass die österreichischen Thermenschnecken Relikte aus den warmen Zwischeneiszeiten sind, da es keine direkte Kette fossiler Nachweise gibt, die die heutigen Arten mit im Tertiär lebenden Arten verbinden würden. Zusammen mit der Thermen-Kahnschnecke (Theodoxus prevostianus) und der Thermen-Zwergquellschnecke (Bythinella pareyssii, s.u.) gehört die Thermen-Pechschnecke daher zu den besonders schützenswerten Arten.

Schwarzdeckelschnecken (Melanopsidae).
WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Microcolpia daudebartii (PREVOST, 1821).
Wikipedia: Kurze Kronenschnecke, Thermen-Pechschnecke.
Bad Vöslau: Schneckenreservat - Kultur und Geschichte.
Wikipedia: Naturdenkmal Hansybach.

Heterobranchia

Die Heterobranchia oder "Verschiedenkiemer" sind eine Gruppe sehr unterschiedlicher Schnecken. Ihre Systematik hat sich in den letzten Jahren immer wieder verändert: Grundsätzlich gehören zu den Heterobranchia Schneckengruppen, in deren Entwicklungsgeschichte sich die Torsion nachträglich zurück entwickelt hat und durch diese Detorsion die Hauptnervenbahnen (Konnektive) wieder entkreuzt wurden. Aufgrund ihrer parallel verlaufenden Nervenbahnen wurden die Hinterkiemerschnecken (Opisthobranchia) und Lungenschnecken (Pulmonata) früher gemeinsam als Euthyneura (Geradnervige Schnecken) bezeichnet.

Aufgrund weiterer phylogenetischer Studien auf der Grundlage molekulargenetischer Untersuchungen in den letzten Jahren hat sich jedoch ergeben, dass nicht nur diese Euthyneura zu den Heterobranchia zu zählen sind, sondern auch einige andere Schneckengruppen. Viele davon, die heute unter dem Sammelbegriff "niedere Heterobranchia" zusammengefasst werden, wurden früher anderen Gruppen zugerechnet, so z.B. die Federkiemenschnecken (Valvatidae) und die Perspektivschnecken (Architectonicidae). Besonders auch unter diesen Teilgruppen ist die Systematik jedoch nicht annähernd abgeschlossen, so dass es weiterhin zu Veränderungen kommen wird.

Meeresschnecken Systematik: Heterobranchia.
WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Heterobranchia BURMEISTER, 1837.

Federkiemenschnecken (Valvatidae)


Gemeine Federkiemenschnecke (Valvata piscinalis).
Bild: Pierre Corbrion (iNaturalist).
 
Die Kamm- oder Federkiemenschnecken sind eine sehr widersprüchliche Gruppe. Sie besitzen einen Schalendeckel (Operculum), wie viele andere Meeres- und Süßwasserschnecken, aber im Gegensatz zu diesen sind sie Zwitter.

Systematisch werden sie außerdem auf der Grundlage molekulargenetischer Untersuchungen zu den Heterobranchia gestellt, unter denen sie allerdings eine autonome Position haben, also keiner untergeordneten Großgruppe zugeordnet werden können. Mit anderen autonomen Schneckengruppen fasst man sie daher zu den "Niederen Heterobranchia" zusammen, da ihr Besitz eines Schalendeckels darauf hindeutet, dass sie zu Anfang der Entwicklung der Heterobranchia entstanden sind.

Quelle: WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Valvatidae GRAY, 1840.

Federkiemenschnecken sind sehr kleine Süßwasserschnecken, die sich durch eine besondere, federähnliche Kieme auszeichnen, die sie aus der Mantelhöhle hervorstrecken können. Möglicherweise zur Reinigung dieser Federkieme besitzen sie außerdem einen charakteristischen fadenförmigen Fortsatz, den Pallialtentakel, den sie ebenfalls aus der Mantelhöhle hervorstrecken. Die genaue Bedeutung dieses Pallialtentakels ist jedoch noch nicht bekannt.

 
Kopf der Gemeinen Federkiemenschnecke (Valvata piscinalis).
Gut erkennbar: Vorderfuß, lange Schnauze und Federkieme.
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.
Die Fühler der Federkiemenschnecken am gut abgesetzten Kopf mit dem deutlichen Schnauze (Rüssel oder Proboscis) sind lang und zur Basis hin zu verjüngt. Ihr Fuß ist flach, vorn in zwei Spitzen gespalten und hinten gerundet.

Federkiemenschnecken sind Detritusfresser, leben also von zerfallendem organischem Material. Selbst sind sie eine wichtige Nahrungsquelle der Fische, so dass die Gemeine Federkiemenschnecke (Valvata piscinalis) beispielsweise auch Plötzenschnecke oder Schleienschnecke genannt wird. Allerdings konnte auch gezeigt werden, dass die kleinen Schnecken, ebenso wie die Neuseeländische Zwergdeckelschnecke (Potamopyrgus antipodarum), den Weg durch den Verdauungstrakt eines Fisches überleben können, so dass der Fisch zur Verbreitung der Schnecke beiträgt.

Ebenso wie diese hat sich auch die Gemeine Federkiemenschnecke (Valvata piscinalis) als weniger empfindlich gegenüber chemischen Schadstoffen erwiesen. Valvata piscinalis kann also genauso als "negative Zeigerart" dienen, da sie auch dort in großer Zahl auftreten kann, wo andere Schneckenarten aufgrund von Gewässerbelastung bereits verschwunden sind.

Süßwasserschnecken als Bioindikatoren

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Spitze Sumpfdeckelschnecke (Viviparus contectus).
Bild: Alexander Mrkvicka (iNaturalist): Klagenfurt Land, Kärnten. 
Auch wenn Süßwasserschnecken nicht so klassisch als Zeigerorganismen oder Bioindikatoren gelten wie Muscheln, können sie dennoch viel über den Zustand eines Gewässers verraten: Manche Arten wie die Gemeine Schnauzenschnecke (Bithynia tentaculata) oder die Gemeine Sumpfdeckelschnecke (Viviparus viviparus) kommen bevorzugt in mäßig belasteten, sauerstoffreichen Gewässern vor und gelten daher als Begleitarten naturnaher Lebensräume.


Thermenquellschnecke (Belgrandiella pareyssii)
Bild: Alexander Mrkvicka (iNaturalist): Bad Vöslau, Niederösterreich. 
 
Beide ernähren sich aber auch, ähnlich wie Muscheln, zumindest zeitweise durch Filtration des Wassers. Besonders die mitteleuropäischen Sumpfdeckelschneckenarten Viviparus viviparus und Viviparus contectus wurden bereits mehrfach zum Weichtier des Jahres gewählt, um damit Achtsamkeit dafür zu schaffen, dass Bau- und Regulierungsmaßnahmen wie z.B. die maschinelle Entkrautung von Flussläufen schwerwiegende Folgen für solche eigentlich nicht seltenen Schneckenarten haben können.

Andere Arten zeigen uns auf ganz eigene Weise, wenn etwas nicht mehr stimmt: Die Neuseeländische Zwergdeckelschnecke (Potamopyrgus antipodarum) und die Gemeine Federkiemenschnecke (Valvata piscinalis), breiten sich auch dann noch aus, wenn anspruchsvollere Arten bereits im Rückgang begriffen oder verschwunden sind. Ihre Anwesenheit in großer Zahl ist oft ein Anzeichen dafür, dass die Wasserqualität anderen, empfindlicheren Arten nicht mehr genügt, etwa aufgrund von Eutrophierung durch Überdüngung des angrenzenden Geländes oder auch bedingt durch menschliche Bautätigkeit.

Besonders spezialisierte Schnecken wie die Quellschnecken der Gattungen Bythinella, Belgrandiella oder Graziana (s.o.) kommen hingegen nur an ganz bestimmten Standorten vor. Sie sind weniger Bioindikatoren im engeren Sinn als vielmehr Zielarten des Naturschutzes: Ihr Vorkommen weist auf alte, weitgehend unbeeinträchtigte Lebensräume hin – ihr Verschwinden dagegen auf den schleichenden Verlust solcher Habitate. Quellschnecken sind oftmals vor allem deswegen gefährdet, wenn sie endemisch sind, also nur in einem eng begrenzten Gebiet vorkommen. Gerade dann sind sie besonders anfällig für Umweltbeeinträchtigung, sei es durch Wasserverschmutzung, Überdüngung oder Bautätigkeit.

So liefern uns Schnecken nicht nur spannende Einblicke in die Evolution der Weichtiere, sondern helfen uns auch dabei, die Qualität unserer Gewässer besser zu verstehen – und zu bewahren. Schließlich machen auch die seltenen und möglicherweise einzigartigen Tier- und Pflanzenarten unsere Umwelt und unsere Heimat zu etwas Besonderem. Ihr Verlust andererseits ist nicht wieder rückgängig zu machen.

 

Letzte Änderung: 28.06.2025 (Robert Nordsieck).