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Pazifische BaumschneckenPartulidae Pilsbry, 1900 |
![]() Partula radiolata von der Insel Guam. Bild: Alfred Daniel J. (iNaturalist). |
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![]() Samoana conica von Amerikanisch Samoa. Bild: Ben Hayden (iNaturalist). |
Für Biologen sind isolierte Ökosysteme von besonderem Interesse – das sind Inseln oder andere Gebiete, die nicht in direkter Verbindung mit einer größeren Landmasse stehen. Durch diese Isolation entwickelten sich Arten, die sonst nirgendwo auf der Welt vorkommen: endemische Arten. Ein besonders großes isoliertes Ökosystem ist Australien, das sich erdgeschichtlich früh von Asien und Antarktika trennte. Dort konnten sich urtümliche Säugetiere wie Beuteltiere (Marsupialia) und Kloakentiere (Monotremata) in großer Vielfalt halten, während sie auf den meisten anderen Kontinenten ausstarben.
Auch viele Inseln, die weit genug vom Festland entfernt sind, beherbergen endemische Tier- und Pflanzenarten. Unter den Schnecken sind bekannte Beispiele die Gattung Liguus aus der Karibik, Achatinella von Hawaii sowie die Gattungen Partula und Samoana aus Polynesien (die beide zu den Partulidae gehören) und schließlich die Kubanischen Baumschnecken (Polymita picta), die nur im Osten Kubas vorkommen.
![]() Partula lutaensis von Rota, Nord-Marianen. Bild: Rachael Kaiser (iNaturalist). |
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Partula-Arten kommen in Französisch-Polynesien, im Palau-Archipel und auf den Marianen vor. Die Gehäuse sind meist nur etwa zwei Zentimeter lang: Im Vergleich etwa so groß wie ein Ei einer Achatschnecke (Lissachatina fulica).
Es gibt über hundert Arten, die in waldigen Habitaten an Baumstämmen leben. Junge Tiere halten sich eher in den unteren Stammregionen auf, ältere klettern oft in größere Höhen. Die Lebenserwartung wird auf etwa fünf Jahre geschätzt.
Eine biologische Besonderheit: Partula-Schnecken sind ovovivipar, also lebendgebärend – eine Fortpflanzungsweise, die bei Schnecken selten ist, aber z. B. auch bei manchen europäischen Schließmundschnecken (Clausiliidae) vorkommt.
Die Geschichte der polynesischen Baumschnecken ist ein Beispiel für die Verwundbarkeit isolierter Ökosysteme. Mit der menschlichen Besiedlung kamen nicht-heimische Tiere wie Schweine, Katzen und Hunde auf die Inseln, ebenso wie Nutzpflanzen, die Landschaft und Vegetation veränderten und Lebensräume zerstörten.
![]() Partula suturalis von der Insel Moorea, 1975. Bild: Fabrice Prugnaud (iNaturalist). |
![]() Euglandina frisst eine Bradybaena similaris. Bild: Bill Frank, Jacksonville Shell Club. |
Um das Problem zu lösen, wurde ohne Rücksicht auf die möglichen ökologischen Folgen eine Raubschnecke eingeführt: die Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea). Dieser spezialisierte Schneckenjäger verfolgt andere Schnecken anhand ihrer Schleimspuren, klettert auf Bäume und kann sogar kurze Strecken unter Wasser zurücklegen. Anstatt jedoch die großen Achatschnecken zu dezimieren, wozu sie durchaus in der Lage ist, jagte Euglandina rosea jedoch bevorzugt die kleineren einheimischen Partula-Arten. Diese hatten dem neuen Räuber nichts entgegenzusetzen.
Neben Euglandina rosea wurden auf anderen Pazifikinseln auch zwei afrikanische Raubschneckenarten eingeführt – Tayloria (vormals Gonaxis) quadrilateralis und Tayloria (vormals Gonaxis) kibweziensis aus der Familie Streptaxidae, die auf Englisch auch als "hunter snails" bezeichnet werden. Wie schon die Rosige Wolfsschnecke jagten auch sie nicht die Achatschnecken, sondern die kleineren einheimischen Baumschnecken.
Herbert, D., Kilburn,
D.: "Field guide to the Land Snails and Slugs of Eastern South Africa",
Natal Museum Pietermaritzburg, 2004. S. 151 ff.
Jedoch wurden nicht nur Raubschnecken eingeführt. Zur Bekämpfung der Achatschneckenplage wurde aus Neuguinea die Landplanarie Platydemus manokwari eingeführt. Diese befiel nicht nur die Achatschnecken, sondern auch die kleinen endemischen Baumschnecken, bei denen sie aufgrund deren Seltenheit deutlich mehr Schaden anrichtete.
![]() YouTube Video auf dem Kanal des Edinborough Zoo. |
Bereits 1983 schätzten Tillier & Clarke (s.u.) dass mindestens 100 endemische Schneckenarten ausgerottet worden waren und mehrere Hundert weitere vom Aussterben bedroht seien.
Internationale Artenschutzprojekte sammelten rechtzeitig Tiere ein und brachten sie in Zoos und Forschungseinrichtungen, darunter der Durrell Zoo (Jersey), das Shedd Aquarium (Chicago) und der London Zoo. Partula-Schnecken sind in Menschenobhut anspruchsvoll: Temperatur, Feuchtigkeit, Licht und Nahrung müssen exakt passen, sonst vermehren sie sich nicht. Dennoch konnten einige Kolonien erhalten werden.
Erste Wiederauswilderungen an geschützten Orten wurden bereits erprobt. Ein besonderer Erfolg gelang im April 2010 im Zoo von Bristol: Partula faba von der Insel Raiatea, die in der Natur bereits ausgestorben war, brachte 15 lebende Jungtiere zur Welt.
Es gab allerdings auch Rückschläge: So gelang es 1993 dem London Zoo, eine Population von 400 Partula turgida zu erreichen. Diese wurden anschließend in ein umzäuntes Reservat auf der Insel Moorea ausgewildert. Bereits 1995 war die dortige Population durch Wolfsschnecken so dezimiert worden, dass sie nicht überlebte. Die letzten verbliebenen Exemplare der Art im London Zoo verstarben schließlich an einer Infektionskrankheit durch den Parasiten Steinhausia. Laut Ferber (1998) der erste dokumentierte Fall, dass eine vollständige Spezies durch eine Infektionskrankheit vernichtet wurde.
Letzte Änderung: 15.08.2025 (Robert Nordsieck).