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Polynesische Baumschnecken (Partula)


Die Südseeinsel Moorea gehört zu den Society Islands (Gesell-
schaftsinseln). Bild: Martin Hablützel.
 
 


Karte.

Für den Biologen sind isolierte Ökosysteme von besonderem Interesse. Das sind Inseln und andere Gebiete, die nicht mit einer größeren Landmasse in direkter Verbindung stehen. Durch die Isolation entwickelten sich hier Arten, die sonst nirgendwo auf der Welt zu finden sind. Man bezeichnet diese Arten als endemisch. Ein Beispiel für einen sehr großen isolierten Raum ist der Kontinent Australien. Durch seine erdgeschichtlich sehr frühe Isolation von Asien und Antarktika konnten sich in Australien urtümliche Säugetiere, wie Beuteltiere (Marsupialia) und Kloakentiere (Monotremata) zu einer viel größeren Vielfalt entwickeln und starben nicht, wie auf den meisten anderen Kontinenten aus. Ein anderes Beispiel für isolierte Ökosysteme sind die meisten Inseln, die ausreichend weit vom Festland entfernt sind, dass keine Tiere das Meer überqueren können. Bei den Schnecken sind besondere Beispiele für endemische Arten solcher isolierten Ökosysteme die Baumschnecken vieler Inselgruppen, so beispielsweise die Gattung Liguus aus der Karibik, die Gattung Achatinella von der Inselgruppe Hawaii, und die Gattungen Partula und Samoana von den Inselgruppen Polynesiens.

Die in Französisch Polynesien, im Palau-Archipel und auf den Marianen-Inseln heimischen Baumschnecken der Gattung Partula sind meist kleine Schnecken mit einer Gehäuselänge von wenigen Zentimetern. Systematisch gehören sie zu den Landlungenschnecken (Stylommatophora), und dort zu den Sigmurethra, zusammen mit den ähnlich aussehenden, aber viel größeren Achatschnecken (Achatina). Vergleicht man eine Partula-Schnecke mit dem größeren Verwandten, so kann man in etwa sagen, dass eine Partula-Schnecke etwas größer ist, als ein einzelnes Ei einer Achatschnecke (z.B. Achatina fulica).

 
Partula taeniata. Bild:  Edinburgh Zoo.

Es gibt über hundert unterschiedliche Arten in waldigen Habitaten an Baumstämmen lebender Partula-Schnecken, die sich äußerlich in der Schalenform ähneln. Junge Exemplare der ungefähr zwei Zentimeter großen Schnecken besiedeln meist die tieferen Bereiche eines Baumes, während man ältere Exemplare meist in größere Höhen findet. Man schätzt, dass Partula-Schnecken etwa fünf Jahre alt werden können. Partula-Schnecken sind lebend gebärend (ovovivipar), was bei Schnecken eher ungewöhnlich ist, aber z.B. auch bei manchen europäischen Schließmundschnecken (Clausiliidae) vorkommt.


Partula taeniata aus dem Haumi-Tal auf Moorea.
Bild: Trevor Coote, IUCN.
 

Die Geschichte der polynesischen Baumschnecken ist ein trauriges Kapitel darüber, was geschieht, wenn der Mensch in ein bestehendes Ökosystem eingreift, und wie verletzlich die isolierten Ökosysteme der meisten Inseln gegen Veränderungen von außen sind. Besonders gilt dies für Ökosysteme, in die der Mensch während der Besiedlung nicht heimische Tiere eingeführt hat, z.B. Haustiere, die Schäden in der Natur anrichten (Schweine, Katzen und Hunde), sowie, wenn die Naturlandschaft durch Landwirtschaft so stark verändert wird, dass die heimischen Tiere dort nicht mehr leben können.

Auf der Pazifik-Insel Moorea, die zu den Gesellschaftsinseln Französisch-Polynesiens gehört, wurde die Vernichtung der Partula-Schnecken durch die Einführung der afrikanischen Riesenschnecken eingeleitet.

Diese großen Achatschnecken, die eingangs bereits erwähnt wurden, sind in vielen Teilen der Welt vor allem durch den Menschen verbreitet worden, entweder eingeschleppt mit Obst aus den Herkunftsländern, oder, wie im Fall von Moorea, absichtlich, um gezüchtet zu werden. Der erwartete wirtschaftliche Gewinn mit der Zucht von Achatschnecken in Französisch-Polynesien in den 1960er Jahren blieb aber aus und so wurden die großen Landschnecken kurzerhand ausgesetzt und sich selbst überlassen. Da es keine entsprechenden Schneckenarten auf Moorea gibt und die großen Landschnecken überdies ausgesprochen anpassungsfähig sind, konnten die Achatschnecken sich auf den pazifischen Inseln stark vermehren, sie wurden sogar durch den Menschen unfreiwillig auf einige andere Inseln weiter verbreitet.

Die starke Zunahme der großen Achatschnecken blieb ähnlich wie in anderen Teilen der Welt nicht lange unbemerkt. Bald richteten die großen Landschnecken in den Obstplantagen Mooreas und anderer Inseln so große Schäden an, dass man sich Gedanken darüber machen musste, wie das Problem zu lösen war.

 
Moorea - ein Inselparadies? Bild:  Martin Hablützel.

Ohne jede Beachtung der Möglichen ökologischen Folgen kam man auf die Idee, eine Raubschnecke einzuführen und auszusetzen, die aus Amerika dafür bekannt war, dass sie Schnecken unterschiedlichster Arten verspeiste. Diese Schnecke ist die rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea). Sie lebt von anderen Landschnecken, die sie entlang deren Schleimspur verfolgt. Dabei kriecht sie auch auf Bäume und sogar kurze Strecken unter Wasser.

Die Wolfsschnecke verfolgte aber unerwarteterweise nicht etwa die großen Achatschnecken, sondern vielmehr die kleineren heimischen Partula-Schnecken. Diese hatten dem eingeführten Räuber nichts entgegen zu setzen, und so mussten französische Genetiker Ende der 1970er Jahre mit Schrecken feststellen, dass die Partula-Arten eine nach der anderen zu verschwinden begannen. Eine amerikanische Studie ergab 1984, dass die endemischen Arten von Partula auf der Insel Moorea voraussichtlich innerhalb dreier Jahre völlig ausgerottet sein würden. Und tatsächlich waren 1987 alle frei lebenden Baumschnecken auf Moorea verschwunden.


Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea), ausgewachsenes Exemplar.
Bild: Jim Miller, Jacksonville Shell Club.
 

Inzwischen hatten internationale Initiativen zur Rettung der Baumschnecken bereits versucht, Proben einzelner Partula-Arten einzusammeln und sicher aufzubewahren. Kolonien von Partula-Schnecken befinden sich heute beispielsweise im Zoo auf der englischen Kanalinsel Jersey (der bekannte Durrell-Zoo), im Shedd-Aquarium in Chicago, im London Zoo und in anderen zoologischen Gärten. Partula-Schnecken sind nicht einfach zu halten, sie verlangen ein ausgewogenes Zusammenspiel von Feuchtigkeit, Temperatur, Lichtverhältnissen und Nahrungsangebot, andernfalls stellen sie die Vermehrung ein und die Kolonie geht zugrunde. Einige Kolonien immerhin konnten erhalten werden. Neuerdings gibt es sogar schon die ersten Versuche, Partula-Schnecken an geschützten Orten wieder auszuwildern.

Erst unlängst, im April 2010, gelang es im Zoo von Bristol, Partula-Schnecken der Art Partula faba von der polynesischen Insel Raiatea, die in der Natur schon ausgestorben ist, zur Vermehrung anzuregen - 15 Jungtiere mit einer Größe von etwa 2 mm kamen lebendig zur Welt - Partula faba ist lebend gebärend (ovovivipar).

Für einige der pazifischen Baumschneckenarten ist jedoch jede Hilfe zu spät. Sie müssen als ausgestorben und als unwiederbringlich verloren angesehen werden.

Zwei andere Raubschneckenarten aus Afrika, Gonaxis quadrilateralis und Gonaxis kibwenziensis sind ebenfalls aus ähnlichen Gründen auf verschiedenen Pazifikinseln ausgesetzt worden (z.B. auf Saipan und auf Guam) und haben dort ähnliche Auswirkungen auf die endemische Landschneckenfauna. Tillier und Clarke (1983) gingen davon aus, das bereits mindestens einhundert einheimische Schneckenarten ausgerottet worden waren und weitere mehrere Hundert von der Ausrottung bedroht seien. Die beiden afrikanischen Raubschneckenarten stellen ebenfalls nicht den afrikanischen Riesenschnecken nach, zu deren Kontrolle sie eigentlich eingeführt worden waren, sondern den kleineren Baumschnecken.

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