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Pazifische Baumschnecken

Partulidae Pilsbry, 1900

 
Partula radiolata von der Insel Guam.
Bild: Alfred Daniel J. (iNaturalist).
   
 
Samoana conica von Amerikanisch Samoa.
Bild: Ben Hayden (iNaturalist).
Inhalt

Einleitung: Isolierte Ökosysteme und Endemismus

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Für Biologen sind isolierte Ökosysteme von besonderem Interesse – das sind Inseln oder andere Gebiete, die nicht in direkter Verbindung mit einer größeren Landmasse stehen. Durch diese Isolation entwickelten sich Arten, die sonst nirgendwo auf der Welt vorkommen: endemische Arten. Ein besonders großes isoliertes Ökosystem ist Australien, das sich erdgeschichtlich früh von Asien und Antarktika trennte. Dort konnten sich urtümliche Säugetiere wie Beuteltiere (Marsupialia) und Kloakentiere (Monotremata) in großer Vielfalt halten, während sie auf den meisten anderen Kontinenten ausstarben.

Auch viele Inseln, die weit genug vom Festland entfernt sind, beherbergen endemische Tier- und Pflanzenarten. Unter den Schnecken sind bekannte Beispiele die Gattung Liguus aus der Karibik, Achatinella von Hawaii sowie die Gattungen Partula und Samoana aus Polynesien (die beide zu den Partulidae gehören) und schließlich die Kubanischen Baumschnecken (Polymita picta), die nur im Osten Kubas vorkommen.

Systematik und Erscheinungsbild

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Partula lutaensis von Rota, Nord-Marianen.
Bild: Rachael Kaiser (iNaturalist).
 
Systematik der Pupilloidea
(Vereinfacht!)
Pupilloidea
Argnidae H
udec, 1965
Cochlicopidae P
ilsbry, 1900 (1879)
Enidae B. B. W
oodward, 1903 (1880)
Lauriidae S
teenberg, 1925
Orculidae P
ilsbry, 1918
Pagodulinidae P
ilsbry, 1924
Partulidae P
ilsbry, 1900
Pupillidae W. T
urton, 1831
Pyramidulidae K
ennard & B. B. Woodward, 1914
Valloniidae E. S. M
orse, 1864
Vertiginidae F
itzinger, 1833

Quelle: MolluscaBase eds. (2021): Pupilloidea W. Turton, 1831.
 
Die pazifischen Baumschnecken der Familie Partulidae gehören zur Überfamilie der Puppenschnecken i. w. S. (Pupilloidea, vgl. System links). Dazu zählen auch heimische Familien wie die Vielfraßschnecken (Enidae), Glattschnecken (Cochlicopidae), Grasschnecken (Valloniidae), Windelschnecken (Vertiginidae) und die namengebenden eigentlichen Puppenschnecken (Pupillidae).

Partula-Arten kommen in Französisch-Polynesien, im Palau-Archipel und auf den Marianen vor. Die Gehäuse sind meist nur etwa zwei Zentimeter lang: Im Vergleich etwa so groß wie ein Ei einer Achatschnecke (Lissachatina fulica).

Es gibt über hundert Arten, die in waldigen Habitaten an Baumstämmen leben. Junge Tiere halten sich eher in den unteren Stammregionen auf, ältere klettern oft in größere Höhen. Die Lebenserwartung wird auf etwa fünf Jahre geschätzt.

Eine biologische Besonderheit: Partula-Schnecken sind ovovivipar, also lebendgebärend – eine Fortpflanzungsweise, die bei Schnecken selten ist, aber z. B. auch bei manchen europäischen Schließmundschnecken (Clausiliidae) vorkommt.

Bedrohung durch eingeschleppte Arten

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Die Geschichte der polynesischen Baumschnecken ist ein Beispiel für die Verwundbarkeit isolierter Ökosysteme. Mit der menschlichen Besiedlung kamen nicht-heimische Tiere wie Schweine, Katzen und Hunde auf die Inseln, ebenso wie Nutzpflanzen, die Landschaft und Vegetation veränderten und Lebensräume zerstörten.

 
Partula suturalis von der Insel Moorea, 1975.
Bild: Fabrice Prugnaud (iNaturalist).
Auf der Insel Moorea (Gesellschaftsinseln, Französisch-Polynesien Karte) begann das Verschwinden der Partula-Schnecken in den 1960er Jahren, als Afrikanische Riesenschnecken (Lissachatina fulica) eingeführt wurden – ursprünglich zur Zucht, in der Hoffnung auf wirtschaftlichen Gewinn. Das Projekt scheiterte, und die Tiere wurden ausgesetzt. Dank ihrer Anpassungsfähigkeit breiteten sie sich rasch aus, teils sogar auf andere Inseln. Durch Nahrungskonkurrenz beeinträchtigten sie bereits die Populationen der sehr viel kleineren endemischen Baumschneckenarten.

Die fatale Einführung der Rosigen Wolfsschnecke

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Euglandina frisst eine Bradybaena similaris.
Bild: Bill Frank, Jacksonville Shell Club.
 
Die Achatschnecken verursachten bald massive Schäden an Obstplantagen. Das Problem ist in den USA selbst heute noch so groß, dass es u.a. verboten ist, Achatschnecken selbst zur Terrarienhaltung zwischen Staaten zu transportieren. Besonders ernst zu nehmen ist der wirtschaftliche Schaden in einigen Südstaaten und auf Hawaii, wo die Achatschnecken auch in der Natur am besten überleben können.

Um das Problem zu lösen, wurde ohne Rücksicht auf die möglichen ökologischen Folgen eine Raubschnecke eingeführt: die Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea). Dieser spezialisierte Schneckenjäger verfolgt andere Schnecken anhand ihrer Schleimspuren, klettert auf Bäume und kann sogar kurze Strecken unter Wasser zurücklegen. Anstatt jedoch die großen Achatschnecken zu dezimieren, wozu sie durchaus in der Lage ist, jagte Euglandina rosea jedoch bevorzugt die kleineren einheimischen Partula-Arten. Diese hatten dem neuen Räuber nichts entgegenzusetzen.

Weitere eingeführte Raubschnecken

Neben Euglandina rosea wurden auf anderen Pazifikinseln auch zwei afrikanische Raubschneckenarten eingeführt – Tayloria (vormals Gonaxis) quadrilateralis und Tayloria (vormals Gonaxis) kibweziensis aus der Familie Streptaxidae, die auf Englisch auch als "hunter snails" bezeichnet werden. Wie schon die Rosige Wolfsschnecke jagten auch sie nicht die Achatschnecken, sondern die kleineren einheimischen Baumschnecken.

Herbert, D., Kilburn, D.: "Field guide to the Land Snails and Slugs of Eastern South Africa", Natal Museum Pietermaritzburg, 2004. S. 151 ff.

Jedoch wurden nicht nur Raubschnecken eingeführt. Zur Bekämpfung der Achatschneckenplage wurde aus Neuguinea die Landplanarie Platydemus manokwari eingeführt. Diese befiel nicht nur die Achatschnecken, sondern auch die kleinen endemischen Baumschnecken, bei denen sie aufgrund deren Seltenheit deutlich mehr Schaden anrichtete.

Ausrottung und Rettungsversuche

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Partula Snail: RZSS Conservation Projects - Great days out for a good cause!
YouTube Video auf dem Kanal des Edinborough Zoo.
Bereits Ende der 1970er Jahre stellten französische Genetiker fest, dass die Partula-Arten eine nach der anderen verschwanden. Eine Studie von 1984 prognostizierte, dass die endemischen Partula-Schnecken auf Moorea in drei Jahren ausgerottet sein würden – 1987 waren sie tatsächlich in der Natur verschwunden.

Bereits 1983 schätzten Tillier & Clarke (s.u.) dass mindestens 100 endemische Schneckenarten ausgerottet worden waren und mehrere Hundert weitere vom Aussterben bedroht seien.

Internationale Artenschutzprojekte sammelten rechtzeitig Tiere ein und brachten sie in Zoos und Forschungseinrichtungen, darunter der Durrell Zoo (Jersey), das Shedd Aquarium (Chicago) und der London Zoo. Partula-Schnecken sind in Menschenobhut anspruchsvoll: Temperatur, Feuchtigkeit, Licht und Nahrung müssen exakt passen, sonst vermehren sie sich nicht. Dennoch konnten einige Kolonien erhalten werden.

Erste Wiederauswilderungen an geschützten Orten wurden bereits erprobt. Ein besonderer Erfolg gelang im April 2010 im Zoo von Bristol: Partula faba von der Insel Raiatea, die in der Natur bereits ausgestorben war, brachte 15 lebende Jungtiere zur Welt.

Es gab allerdings auch Rückschläge: So gelang es 1993 dem London Zoo, eine Population von 400 Partula turgida zu erreichen. Diese wurden anschließend in ein umzäuntes Reservat auf der Insel Moorea ausgewildert. Bereits 1995 war die dortige Population durch Wolfsschnecken so dezimiert worden, dass sie nicht überlebte. Die letzten verbliebenen Exemplare der Art im London Zoo verstarben schließlich an einer Infektionskrankheit durch den Parasiten Steinhausia. Laut Ferber (1998) der erste dokumentierte Fall, dass eine vollständige Spezies durch eine Infektionskrankheit vernichtet wurde.

Links und Literatur

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Letzte Änderung: 15.08.2025 (Robert Nordsieck).