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Tarnung bei Schnecken

Tarnung durch Bodenpartikel


Kleine Vielfraßschnecke (Merdigera obscura).
Bild: Robert Nordsieck.
 
Die Kleine Vielfraßschnecke (Merdigera obscura, Bild links) ist der kleinere Verwandte der Berg-Vielfraßschnecke (Ena montana).

Vielfraßschnecken (Enidae).

Sie ist vom Nordwesten Afrikas über fast ganz Europa bis nach Süd-Finnland im Norden verbreitet und kommt in Laubwäldern an Stämmen und unter Laub, aber auch außerhalb von Wäldern vor. Im Gegensatz zu ihrem größeren Verwandten hat sie von der Wissenschaft im Jahre 1838 jedoch den wenig schmeichelhaften Gattungsnamen Merdigera, wörtlich etwa "Kot-Träger", erhalten. Ihr Artname, obscura, bedeutet neben "dunkel" auch "versteckt" oder "heimlich".

Der Grund ist, dass Merdigera obscura sich unter einer Camouflage versteckt, indem sie ihr Gehäuse mit dem eigenen Kot und Erdkrumen tarnt. Findet man eine kleine Vielfraßschnecke in einer Mauerritze vor, wie im Bild links, so fällt es zunächst nicht leicht, sie zu erkennen. Eine Übereinstimmung mit den Gehäusen, die man im sauberen Zustand aus einer Schalensammlung kennt, ist nicht leicht zu sehen.

Aktive Tarnung durch Flechtenbewuchs

 
Um auch die Gehäusespitze zu erreichen, kann sich Napaeus
barquini
erstaunlich weit aus der Gehäusemündung ausstre-
cken. Bild: Christoph Allgaier.
Mit welchem Trickreichtum Schnecken bei der Tarnung ihres Gehäuses vorgehen können, hat der Malakologe Christoph Allgaier ( Malakologie) anhand der Schnecke Napaeus barquini von der kanarischen Insel La Gomera beschrieben. Diese kleine Schneckenart, die zu den Vielfraßschnecken (Enidae, s.o.) gehört, kann ihren Körper besonders weit aus der Schalenmündung ausstrecken. Dies nutzt sie, um aktiv Stücke von Flechten, die auch ihre Nahrung ausmachen (dadurch trägt die Schnecke vermutlich durch Endozoochorie auch zur Verbreitung der Flechte bei), auf ihr Gehäuse aufzubringen. Außerdem modelliert die Schnecke mit dem Mund die Flechten in eine besonders tarnende Stachelform. Ein ganz erstaunliches Verhalten, das sich hier entwickelt hat.

 Allgaier, C. (2007): Active Camouflage with Lichens in a Terrestrial Snail, Napaeus (N.) barquini Alonso and Ibáñez, 2006 (Gastropoda, Pulmonata, Enidae). Zoological Science 2007, 24 (9), 869 - 876.

Schalenhaare als Tarnungshilfe

Tarnung oder Camouflage gibt es außer bei Merdigera obscura und anderen Vielfraßschnecken (Enidae) auch bei zahlreichen anderen einheimischen Schneckenarten, so unter den Roggenkornschnecken (Chondrinidae), den Laubschnecken (Hygromiidae), den Tönnchenschnecken (Orculidae), den Grasschnecken (Valloniidae) und den Bernsteinschnecken (Succineidae). Diese tragen oft eine zusätzliche Schicht, meist aus Bodenpartikeln, mit sich herum, die wahrscheinlich eher passiv an einer Schleimschicht hängen bleiben.

Möglicherweise sind die Haare, die viele dieser Schnecken auf der Schalenoberfläche tragen (z.B. zahlreiche Hygromiidae, wie z.B. Trochulus villosus), dabei ebenfalls behilflich.

Jörg Isert: "Tarnung im Tierreich - Pimp my Schneckenhaus". (Spiegel Online, 02.11.2007).

Tarnung durch Algenbewuchs


Donau-Sumpfdeckelschnecke (Viviparus acero-
sus
). Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.
 
Süßwasserschnecken, wie etwa Schlammschnecken (Lymnaeidae) oder Sumpfdeckelschnecken (Viviparidae) tarnen sich oftmals "unfreiwillig", indem sie aufgrund ihrer langsam kriechenden Lebensweise von Algen überwachsen werden und dadurch mit dem Hintergrund des Gewässers verschmelzen (siehe Bild links). Im Besonderen gilt dies für die Sumpfdeckelschnecken, die sich unter anderem filtrierend ernähren und dazu längere Zeit an einem Standort verharren können.

Bunte Meeresschnecken - Gift und Mimikry

Allgemein gesehen sind Landschnecken optisch deutlich besser getarnt, als ihre oftmals sehr bunten meereslebenden Verwandten. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Sichtverhältnisse an Land ganz andere sind, als in den Tiefen des Ozeans. Außerdem sind die meisten Meeresschnecken sehr viel dickschaliger als Landschnecken, wie man besonders gut an den "schwer gepanzerten" Helmschnecken (Cassidae) sehen kann. Oftmals mag die bunte Farbe von Meeresschnecken jedoch außerdem eine Warnung sein, dass sie giftig sind (z.B. die Kegelschnecken - Conidae), oder von ihrer Beute, Quallen,"gestohlene" Nesselzellen (sog. Kleptocniden) in ihren Körperanhängen besitzen, wie viele Nacktkiemerschnecken (Nudibranchia). Andere Schnecken machen sich diesen Sachverhalt möglicherweise zunutze, indem sie durch bunte Farben vortäuschen, giftig oder gefärhlich zu sein (Mimikry).

 
Tiger-Porzellanschnecke (Cypraea tigris), Queensland, Australien.
Bild: Nathan Cook (iNaturalist).
Kaurischnecken (Cypraeidae) bedecken ihre Schale mit zwei lappenartigen Auswüchsen ihres Mantels und können mit diesen Fortsätze, so genannte Mantelpapillen, bilden (siehe Bild rechts). Eine mögliche Interpretation dessen ist, dass die Kaurischnecken so ihre Silhouette verschleiern und von potentiellen Feinden nicht erkannt werden. Eine andere Interpretation ist, dass sie so vortäuschen, mittels Nesselzellen wehrhaft zu sein, obwohl dies ganz und gar nicht zutrifft.

Polymorphismus als Tarnung

Keineswegs alle Landschnecken sind jedoch erdfarben und gut getarnt. Gerade die einheimischen Bänderschnecken (vor allem die Gattung Cepaea) zeichnen sich durch eine große Vielfalt an Farben und Bänderungen aus.

Was auf den ersten Blick wie ein deutlicher Nachteil erscheint, entpuppt sich als entscheidender Vorteil, wenn man sich die Fressfeinde dieser Schnecken ansieht, im Besonderen Singvögel, wie z.B. die Singdrossel (Turdus merula), die Schnecken an der Schale packt und an einem passenden Stein zerschmettert, um an das nahrhafte Innere zu gelangen. Durch die große Vielfalt an Farben und Formen dieser Schnecken ist jedoch immer ein Anteil vor neugierigen Blicken geschützt, je nach Lichtverhältnissen und Bodenbewuchs. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass zumindest immer ein Teil der Population überlebt.

Bänderschnecken.

Mit dieser Strategie sind die Bänderschnecken jedoch nicht allein. So sind beispielsweise auch die kubanischen Baumschnecken (z.B. Polymita picta) durch ihre bunten Schalen bekannt. Und auch ihr wichtigster Fressfeind ist ein Vogel, allerdings ein Raubvogel, der Schneckenweih (Gattung Rostrhamus). Ebenso bunt gefärbt sind viele der Helicinidae, landlebender, deckeltragender Verwandter der im Süßwasser lebenden Kahnschnecken (Neritidae), vermutlich aus ähnlichen Gründen. Auch hier lässt sich nicht ausschließen, dass möglicherweise Giftigkeit vorgetäuscht werden soll.

Wie die Schnecken an Land gelangten.

Letzte Änderung: 14.09.2025 (Robert Nordsieck).