Chondrinidae Steenberg 1925
![]() Solatopupa similis (Chondrinidae): Hérault, Frankreich. Bild: Thomas Koffel (iNaturalist). |
![]() Granaria variabilis. Bild: Olivier Gargominy (Quelle, CC 4.0). |
![]() Abida secale: Mündung, vergrößert. Bild Olivier Gargominy (Quelle), bearbeitet. |
Von den Puppenschnecken i.w.S. (Pupilloidea) unterscheiden sich die Kornschnecken vor allem durch die Form ihres Gehäuses, die keine stumpfe Schalenspitze (Apex) aufweist, wie etwa bei den Fässchenschnecken oder Windelschnecken, aufweist, so dass Kornschnecken an etwas korpulente Vielfraßschnecken (Enidae) erinnern, von denen sie sich durch ihr enger gewundenes Gehäuse und die stärkere Mündungsarmatur (siehe Bild links) unterscheiden.
Die felsenlebenden Kornschnecken, wie die Haferkornschnecke (Chondrina avenacea), ernähren sich vorwiegend von Flechten, die am Felsen wachsen. Um an die im Felsen sitzenden Teile der Flechten zu gelangen, raspeln die Kornschnecken auch die oberste Gesteinsschicht ab. Dazu ist ihre Raspelzunge, die Radula, besonders angepasst. Zusätzlich tarnen sich vor allem junge Haferkornschnecken, indem sie ihre Schale mit Gesteinskrümeln verkleiden.
Viele Kornschneckenarten sind gut an das Leben in trockenen Gebieten angepasst und können im Trockenschlaf bis zu einem Jahr ohne Nahrung und Wasser überleben. Als Anpassung an die Trockenheit in einem Großteil ihres Verbreitungsgebietes, aber wohl auch zum Schutz gegen Feinde besitzen Kornschnecken eine hoch entwickelte Mündungsarmatur aus mehreren Falten und Zähnen, ähnlich, wie bei den Schließmundschnecken (Clausiliidae), aber natürlich ohne deren Schließapparat (Clausiliar).
![]() Kornschnecken (Chondrinidae) im Vergleich. Angezeigt sind 5 mm.. Von links nach rechts: Granaria frumentum, Abida secale, Chondrina avenacea. Bilder: Olivier Gargominy (Quelle, CC 4.0), bearbeitet. |
Chondrinidae Steenberg 1925
Granaria
frumentum (Draparnaud 1801)
Granaria
frumentum illyrica (Rossmässler 1835)
Abida secale secale (Draparnaud 1801)
Chondrina avenacea avenacea (Bruguière 1792)
Chondrina avenacea lepta (Westerlund 1887)
Chondrina arcadica clienta (Westerlund 1883)
Chondrina megacheilos burtscheri
Falkner & Stummer 1996
Quelle: Wolfgang Fischer: Checklist of Austrian Mollusca.
Laut neueren molekulargenetischen Erkenntnissen wird die Familie Chondrinidae, zusammen mit den Truncatellinidae in einer eigenen Überfamilie, den Chondrinoidea, außerhalb der Pupilloidea, platziert.
Roggenkornschnecke - Abida secale (Draparnaud 1801)
![]() Roggenkornschnecke (Abida secale). Bild: Olivier Gargominy (Quelle, CC 4.0). |
![]() Roggenkornschnecke (Abida secale) aus dem Kanton Solo- thurn (Schweiz). Bild: © Stefan Haller, (schneckenfoto.ch). |
MolluscaBase
teilt Abida secale in neunzehn Unterarten ein:
Unterarten von Abida
secale (neues Fenster)
Maße: B: 2,3 - 2,8 mm; H: 6 - 11 mm; U: 9 - 9½.
Lebensraum und Verbreitung: Roggenkornschnecken leben an Felsen und in Felsschutt in mäßig lichten Wäldern auf kalkreichem Boden, aber auch auf Wiesen mit dünnem Bodengrund bis oberhalb der Baumgrenze. Die Höhengrenze der Verbreitung der Roggenkornschnecke liegt bei 2700 m NN. Roggenkornschnecken leben auch an Bäumen, in Frankreich sind sie auch auf sonnigen Trockenwiesen ohne Felsen zu finden. Auch in England leben Roggenkornschnecken oft an unbeschatteten Standorten.
Das Verbreitungsgebiet von Abida secale umfasst Westeuropa einschließlich England, im Westen bis nach Spanien. Im Osten erstreckt es sich bis in die West-Slowakei und die südlichen Karpaten.
Bedrohungssituation: In Mitteleuropa sind die Lebensräume der
Roggenkornschnecke durch die Forstwirtschaft bedroht, in Großbritannien durch
Veränderungen in der Landnutzung. In Österreich ist Abida secale als
möglicherweise bedroht eingestuft (LC), in Bayern außerhalb der Alpen ist die
Art im Rückgang begriffen; in Deutschland allgemein ist die Roggenkornschnecke
möglicherweise bedroht (LC) (
Gefährdungskategorien gemäß Roter Liste).
Wulstige Kornschnecke - Granaria frumentum (Draparnaud 1801)
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![]() Wulstige Kornschnecke (Granaria frumentum). Bild: Olivier Gargominy (Quelle, CC 4.0). |
Beschreibung: Das Gehäuse der wulstigen Kornschnecke ist hochkonisch bis zylindrisch und von hellbrauner bis grauer Farbe. Die Gehäuseoberfläche ist fein und regelmäßig gerippt mit flachen Nähten zwischen den Windungen (vgl. auch Bild oben rechts). Der Mundsaum ist schwielenartig verdickt und krempenartig umgebogen. Der Angularzahn in der Schalenmündung ist ebenfalls schwielenartig verdickt. Im letzten Teil der letzten Windung ist ein starker weißer Nackenwulst erkennbar.
Meist sind acht Mündunsfalten erkennbar, von denen die vier Palatalfalten weiß durch den Nackenbereich der Mündungswindung zu erkennen sind. Außerdem sind zwei nahe beeinander liegende Columellarfalten und eine kleine Parietalfalte, sowie eine Angularfalte, vorhanden (Erklärung: Mündungsarmatur). Das Verhältnis von Gehäusehöhe und -breite ist variabel, kleinere Gehäuse erscheinen also gedrungener, als größere.
Radovan Coufal
(2020): Bild von
Granaria frumentum in: Plži
přírodní rezervace U Výpustku v CHKO Moravský kras - Malacologica Bohemoslovaca, 19:
114–123. (PDF).
Maße: B: 2,7 - 3 mm; H: 6½ - 8 mm; U: 9 - 10.
Lebensraum und Verbreitung: Die wulstige Kornschnecke bevorzugt trockene und sonnige (xerotherme) Hänge am Fuß von Felsen, Mauern und Geröllhalden, die Art ist auch auf Wiesen in kalkhaltigen Standorten zu finden. Bei oder nach Regen kriechen die Tiere auf Steinen und Felsen, an Wurzeln, am Fuß von Büschen oder an Grasstängeln herum. Bei Trockenheit verstecken sie sich hingegen unter Steinen, zwischen Geröll oder in Felsspalten. An felsigen Standorten überwintern sie unter abgestorbenen Pflanzenteilen. In grasigen Biotopen kann die wulstige Kornschnecke auch als Zwischenwirt für den kleinen Leberegel (Dicrocoelium lanceolatum) dienen.
In Mitteleuropa ist Granaria frumentum zwar weit verbreitet, kommt aber sehr
zerstreut vor, da sie nur in Gebieten mit kalk- bzw. dolomithaltigem Untergrund
zu finden ist. In Österreich und Deutschland kommt sie auch auf Lössgebieten
vor. Ihr Verbreitungsgebiet reicht von Ost- und Südostfrankreich über die
Schweiz, Süd- und Mitteldeutschland bis ins südliche Niedersachsen (Harz). Über
Österreich, Tschechien und die Slowakei, Ungarn und die Balkanhalbinsel setzt
sich das Verbreitungsgebiet bis nach Bulgarien fort. Isoliert kommt Granaria
frumentum auch in Nordfrankreich, Belgien, Norddeutschland und Südostpolen vor (
Verbreitungskarte).
Bedrohungssituation: Granaria frumentum ist in Deutschland als stark
gefährdet (EN) eingestuft, in der Schweiz als gefährdet (VU), in Vorarlberg als
vom Aussterben bedroht (CR) und im übrigen Österreich als möglicherweise
gefährdet (LC) (
Gefährdungskategorien gemäß Roter Liste).
Illyrische Kornschnecke - Granaria frumentum illyrica (Rossmässler 1835)
![]() Illyrische Kornschnecke (Granaria illyrica) aus dem Süd-Tessin (Schweiz). Bild: © Stefan Haller, (schneckenfoto.ch). |
Maße: B: 3,2 - 4 mm; H: 9 - 11,5 mm; U: 9 - 10.
Lebensraum und Verbreitung: Granaria frumentum illyrica lebt an trockenen und offenen Standorten auf Kalksteinboden (z.B. Trockenrasen auf Kalkschutt und Felsensteppen), aber auch in lichten Wäldern und Weingärten. In der Schweiz ist sie bis in einer Höhe von 1300 m NN zu finden.
Das Verbreitungsgebiet der Illyrischen Kornschnecke erstreckt sich von Südosteuropa (zu Illyrien zählten zu Habsburger Zeiten Kroatien, Slawonien und Dalmatien, in Anlehnung an die alte römische Provinz) bis nach Südost-Österreich und Norditalien. Das Südschweizer Vorkommen im Sottoceneri im Tessin schließt sich an das Hauptvorkommen im Westen, Süden und Osten an.
Systematik: Laut MolluscaBase, sowie Fehér et al. (2010) ist Granaria frumentum illyrica als eine Unterart von Granaria frumentum anzusehen.
Feingerippte Haferkornschnecke - Chondrina arcadica (Reinhardt 1881).
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![]() Chondrina arcadica clienta, Javoříčko, Mähren, Tschechien. Bild: © Radovan Koufal (Quelle). |
Beschreibung: Das Gehäuse der feingerippten Haferkornschnecke hat eine dunkelgraue bis dunkel rotbraune Farbe und eine lang konische Form mit einer wenig oder nicht glänzenden Oberfläche. Die sieben Gehäusewindungen sind relativ stark und gleichmäßig gewölbt. Für die Art charakterisch ist die namengebende Oberflächenskulptur, die aus mehr oder weniger regelmäßigen Zuwachsstreifen besteht, die gelegentlich fein rippig verstärkt sind. Der Saum der Mündung ist scharf und nur im Columellar- und oberen Palatalbereich leicht umgebogen, im Parietalbereich ist er hingegen unterbrochen.
Die Mündungsarmatur von Chondrina arcadica besteht aus einem sehr starken, sehr weit vorne sitzenden angularen Zahn, einem schwächeren, tiefer in der Mündung sitzenden Parietalzahn, zwei Kolumellarfalten und gewöhnlich drei palatalen Zähnen, von denen meist nur zwei gut entwickelt sind, der dritte entweder schwach ist oder völlig fehlt (Erklärung: Mündungsarmatur).
Die feingerippte Haferkornschnecke ähnelt der westlichen Haferkornschnecke (Chondrina avenacea), ist jedoch etwas kleiner und mehr konisch geformt. Im Gegensatz zu Chondrina avenacea sind bei Chondrina arcadica die Umgänge aber gleichmäßiger gewölbt und regelmäßiger und gröber gerippt (vgl. dazu: Naturportal Südwest: Schlüssel Chondrina). Abida secale hingegen, die Roggenkornschnecke, besitzt eine deutlich größere Endwindung als Chondrina arcadica.
Maße: H: 5½ - 7½ mm; B: 2½ mm; U: 7.
Lebensraum und Verbreitung: Die feingerippte Haferkornschnecke lebt vor allem in trockenen und offenen Habitaten auf meist nach Süden exponierten Felsflächen und Felsschutt in Gebirgsregionen. Dort ernähren die Schnecken sich von Flechten, die sie vom Felsen abweiden. Zum Teil kommt Chondrina arcadica auch zusammen mit Chondrina avenacea (s.u.) sympatrisch vor (Klemm 1974, p. 155). Die Art ist sehr ortstreu und die Tiere bewegen sich im Allgemeinen nur wenige Zentimeter am Tag. Wie Klemm (1951, 1974 p. 156) beschrieben hat, wanderte eine Gruppe Chondrina arcadica clienta bei Regen wenige Meter zu nahen Bäumen, um an der Rinde empor zu kriechen und nach dem Regen wieder an ihren ursprünglichen Felsen zurück zu kehren.
Der größte Teil des Verbreitungsgebiets der feingerippten Haferkornschnecke
ist ein geschlossenes Gebiet, das sich von Tschechien und der Slowakei über
Österreich, die Schweiz und Nordost-Italien, Slowenien, Ungarn Rumänien und den
übrigen Balkan bis nach Griechenland und Kleinasien erstreckt. Im Norden reicht
es von der Halbinsel Krim bis in den Kaukasus. Isolierte Vorkommen gibt es
nördlich von diesem Gebiet: Südostdeutschland, Südpolen, Öland, Gotland und
Vänersee in Südschweden (
Verbreitungskarte).
In Deutschland ist die feingerippte Haferkornschnecke sehr selten und kommt nur an einigen Orten im Allgäu, in Franken und auf der östlichen Schwäbischen Alb (vgl. auch Naturportal Südwest: Chondrina arcadica clienta,, s.u.) vor. In Österreich ist Chondrina arcadica clienta bis in einer Höhe von 2400 m zu finden, in Bulgarien bis in einer Höhe von 1900 m.
Westliche Haferkornschnecke - Chondrina avenacea (Bruguière 1792).
![]() Westliche Haferkornschnecke (Chondrina avenacea). Bild: Olivier Gargominy (Quelle, CC 4.0). |
![]() Chondrina avenacea. Bilder: Olivier Gargominy (Quelle, CC 4.0). |
![]() Chondrina avenacea - Schalenansicht. |
Das Innere der Mündung ist gelblich bis rotbraun gefärbt. Der Mundsaum ist elliptisch, nur wenig erweitert und kaum zurückgebogen. Auf der parietalen Seite ist er unterbrochen. In der Mündung sind meist acht kräftige Zähne zu erkennen: Davon drei Palatalzähne, deren oberster schwächer ausgebildet sein oder fehlen kann, ein weit vorne sitzender Angularzahn, ein tief in der Mündung sitzender Parietalzahn und zwei Columellarzähne (Erklärung: Mündungsarmatur).
Eine ähnliche Art ist die feingerippte Haferschnecke (Chondrina arcadica), bei der jedoch die letzte Schalenwindung nicht vergrößert ist. Außerdem hat Chondrina arcadica gleichmäßig und stark gewölbte Windungen und etwas tiefere Nähte. Schließlich ist das Gehäuse von Chondrina arcadica etwas kleiner und mehr konisch geformt (vgl. dazu: Naturportal Südwest: Schlüssel Chondrina).
Maße: H: 6 - 8 mm; B: 2,3 - 2,5 mm; U: 7 - 8.
Lebensraum und Verbreitung: Die westliche Haferkornschnecke ist streng an Kalkstein oder Dolomit gebunden. Dort besiedelt sie die sonnenbeschienenen Seiten von Felsen und Felswänden. Nur bei hoher Luftfeuchte oder auf nassen Oberflächen sind die Tiere aktiv, ansonsten kann man sie oft im Trockenschlaf auf der Felsoberfläche auffinden. Nur extreme Trockenheit verbringen die Schnecken hingegen versteckt unter Gesteinsschutt und in Felsritzen. Deswegen werden die Schnecken auch oft mit Gesteinsbrocken verschleppt.
Laut Klemm 1974, p. 155, (vgl. Chondrina arcadica) kommen beide Arten oft auch sympatrisch vor (Kuiper, 1953, zitiert in Klemm, 1974). Die westliche Haferkornschnecke ernährt sich von endolithischen Flechten, Algen und zerfallendem organischem Material (Detritus). Mit Hilfe ihrer Radula raspeln die Tiere eine dünne Schicht vom Stein und verwerten die darin lebenden Flechten und Algen.
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Chondrina avenacea ist in Mitteleuropa weit verbreitet, allerdings nur verstreut, da sie an Gebiete gebunden sind, in denen Kalk oder Dolomit ansteht. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich von der spanischen Mittelmeerküste (etwa auf Höhe von Valencia) durch Süd- und Ostfrankreich, die Schweiz, Süddeutschland, Österreich und Norditalien (Appenin, Südtirol) bis nach Tschechien. Kleine Vorkommen gibt es in Südbelgien und isoliert kommt die Art auch in Bulgarien vor. Im Gebirge ist Chondrina avenacea bis in einer Höhe von 1800 m, laut Klemm sogar bis 2900 m, zu finden.
Das nördlichste Vorkommen von Chondrina avenacea in Deutschland wurde aus Thüringen (Hörselberge bei Eisenach) berichtet.
In Österreich besiedelt Chondrina avenacea alle Kalkgebiete der österreichischen Alpen, auch kleine, eingesprengte Kalkfelsen. Mit Ausnahme zweier Standorte reicht Chondrina avenacea nur wenig ins Alpenvorland hinein. Besonders häufig ist sie in Kärnten und Osttirol (Klemm, 1974).
Generoso-Kornschnecke - Chondrina generosensis H. Nordsieck 1963
![]() Generoso-Kornschnecke (Chondrina generosensis) aus dem Süd-Tessin. Bild: © Stefan Haller, (schneckenfoto.ch). |
Maße: B: 2,1 - 2,9 mm; H: 4,6 - 7,0 mm; U: 5½ - 6½.
Lebensraum und Verbreitung: Die Generoso-Kornschnecke lebt an Kalkfelsen sowohl an offenen Standorten, als auch in schattigen Wäldern, in der Nähe von Wasserfällen und ebenfalls an Berggipfeln. In niederen Lagen bevorzugt die Generoso-Kornschnecke kühle und nordexponierte Stellen. Chondrina generosensis lebt in Höhen zwischen 700 und 1700 m NN.
Wie der Name schon sagt, kommt die Generoso-Kornschnecke in der Südschweiz im Sottoceneri des Tessin (und dort u. a. am Monte Generoso) vor, sowie in nahe liegenden Gebieten Norditaliens in der Nähe von Como.
Bedrohungssituation: Wegen ihres kleinen Verbreitungsgebietes ist die Art in der Schweiz potentiell gefährdet.
![]() Mit Bildern von Stefan Haller: http://www.schneckenfoto.ch. |
Letzte Änderung: 24.08.2025 (Robert Nordsieck).