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Schnecken (Gastropoda)

Der Körperbau

  Morphologie

In der Biologie bezeichnet man das Fachgebiet, das sich mit dem Bau und der Funktion der Körperteile und Organe eines Lebewesens beschäftigt, als Morphologie.

Im Allgemeinen kann man, wie auch auf dieser Seite, die innere und die äußere Morphologie der Weinbergschnecke unterscheiden. Während man die äußere Morphologie des Tieres durch reine Betrachtung des lebenden Organismus erkennen kann, muss man die Schnecke für die Untersuchung der inneren Morphologie abtöten und sezieren. Dadurch lassen sich die Organe nur schwer in ihrer Funktion im lebenden Tier beobachten.

Inhalt


Gefleckte Weinbergschnecke (Cornu aspersum) aus Katalo-
nien. Bild: Ferrean Turmo Gort (Quelle).
 

Betrachtet man eine Schnecke, die gemächlich ihrer Wege kriecht, so kann man zunächst deutlich den Unterschied zwischen dem lebendigen Körper, der weich und beweglich ist und daher auch als Weichkörper bezeichnet wird, und der leblosen, harten Schale, dem Gehäuse, erkennen.

Der Weichkörper

Der Weichkörper einer Schnecke ist äußerlich einheitlich: Er ist nicht in Segmente unterteilt, wie bei einem Gliedertier (z.B. Gliederfüßer (Arthropoda) und Gliederwürmer (Annelida)). Auch die einzelnen Körperteile gehen fließend ineinander über.

Fuß und Kopf

Dennoch kann man bei einer kriechenden Schnecke einen großen Teil des Körpers außerhalb des Gehäuses erkennen. Dieser Körperteil ist auf der Bauchseite zu einer flachen Kriechsohle entwickelt und dient vorwiegend der Fortbewegung. Man bezeichnet ihn folgerichtig als den Fuß der Schnecke. Dass Schnecken auf ihrem Bauch kriechen, hat ihnen zu ihrem wissenschaftlichen Namen verholfen, Gastropoda, die Bauchfüßer.

Die Schnecke kann den Fuß mit Hilfe eines großen Muskels, des Rückziehmuskels, ins Gehäuse zurück ziehen. Im Inneren des Gehäuses setzt er an der so genannten Schalenspindel (Columella) an, weshalb man ihn auch als Spindelmuskel oder Columellarmuskel bezeichnet. Während das leblose Gehäuse streng genommen kein Teil des Körpers ist, sind Schnecken dennoch über den Spindelmuskel fest mit ihrem Gehäuse verbunden und können es nicht verlassen. Leere Schneckengehäuse, die man in der Natur findet, bleiben nach dem Tod der Schnecke übrig.

 
Kopf einer Schlammschnecke (Lymnaea stag-
nalis
). Bild: Robert Nordsieck.

Am Vorderende des Fußes befindet sich der Kopf der Schnecke. Da beide äußerlich nicht trennbar sind, bezeichnet man sie auch als den Kopffuß - ein kennzeichnendes Merkmal der Schnecken. Der Kopf einer Schnecke trägt Tastorgane, die als Fühler bezeichnet werden. Während die meisten Landschnecken vier Fühler besitzen, die sie einziehen können (dies ist ein kennzeichnendes Merkmal für die Landlungenschnecken (Stylommatophora)), besitzen andere Landschnecken und die meisten Wasserschnecken nur zwei Fühler, die sie nicht einziehen können.


Film: Eine Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea) unterwegs.
Beachtlich: Die Bewegung der Lippen! Quelle: YouTube.
 

Besonders erwähnenswert sind Raubschnecken, wie die rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea), bei denen die Lippen zu einem dritten Fühlerpaar ausgezogen sind. Die Lippen einer Schnecke tragen vor allem Geruchs- und Geschmackssinneszellen und Wolfsschnecken verfolgen ihre Beute, andere Schnecken, anhand deren Schleimspur.

Die meereslebenden Hinterkiemerschnecken (Opisthobranchia) hingegen besitzen ein zweites Fühlerpaar, das ebenfalls vor allem Geruchssinneszellen aufweist und daher als Rhinophoren (Nasenträger) bezeichnet wird.

Die Fühler der Schnecken.

Während bei Landlungenschnecken das größere Fühlerpaar jeweils an der Spitze ein Auge trägt, sitzen die Augen bei anderen Schnecken, wie bei der süßwasserlebenden Schlammschnecke (Lymnaea stagnalis) an der Basis der Fühler.

Die Fortbewegung

Die Fortbewegung der Schnecken ist sehr unterschiedlich und stark an die Lebensweise angepasst. Von Landschnecken kennen wir gut die kriechende Fortbewegung, die im sprichwörtlichen "Schneckentempo" stattfindet. Dabei wandern wellenförmige Bewegungen der Fußsohle von hinten nach vorne und bewegen so die Schnecke langsam nach vorne weiter. Dabei bleibt die Schnecke immer in Kontakt mit dem Untergrund.

Neben dieser kriechenden Fortbewegung können viele Landschnecken auch graben (so gräbt beispielsweise die Weinbergschnecke ein Erdloch, um zu überwintern oder ihre Eier abzulegen). Wasserschnecken bewegen sich nicht nur kriechend fort (Schlammschnecken beispielsweise können auch an der Wasseroberfläche hängend kriechen), sondern es gibt auch frei schwimmende Formen.

Fortbewegung der Schnecken.


Film: Eine gefleckte Weinbergschnecke (Cornu aspersum). Beachte auch
die Schaumbildung im Mündungsbereich! Quelle: YouTube.
 

Die Schleimschicht

Nicht nur für ihre Fortbewegung ist noch eine andere sprichwörtliche Eigenschaft der Schnecken wichtig: Sie sind nicht nur langsam, sondern auch schleimig.

Eine Schleimdrüse produziert ein Schleimbett, auf dem die Schnecke kriecht und das sie beim Kriechen als Schleimspur hinter sich zurück lässt. Zusätzlich ist der gesamte lebende Körper einer Schnecke von Schleim bedeckt.

 
Simplon-Schließmundschnecke (Charpentieria dyodon).
Bild: B. Wolf (Quelle).

Der Schleim einer Schnecke besteht aus Polysacchariden und besitzt erstaunliche physikalische Eigenschaften. Seine wahrscheinlich wichtigste Eigenschaft ist Hygroskopie: Er zieht Wasser an, indem die Schleimmoleküle in Verbindung mit Wasser aufquellen. Dadurch schützt er die Schnecke vor Verdunstung. Außerdem hat er erstaunliche Eigenschaften zwischen Klebrigkeit und Flexibilität. Dadurch reduziert er zum einen die Reibung der Fußsohle am Untergrund, zum anderen verleiht er der Schnecke, zusammen mit der Saugwirkung der Fußsohle, einen erstaunlich kräftigen Halt, besonders an glatten Oberflächen. Dadurch ist zu erklären, warum Schnecken unbeschadet eine Messerklinge überwinden können und zum anderen Schließmundschnecken (Clausiliidae) mit ihrem im Verhältnis zum Fuß riesigen Gehäuse an Baumstämmen und Felsen empor kriechen können, ohne herab zu fallen.

Eine Schnecke auf "Messers Schneide": Eine gestreifte Weinbergschnecke (Helix lucorum) überwindet unbeschadet eine Messerklinge.

Überdies hat der Schleim einer Schnecke noch eine wichtige Schutzfunktion. Viele Schnecken können schäumen, wenn sie mit einem Fressfeind (etwa Ameisen) in Kontakt geraten oder ihnen etwas unangenehm ist. Außerdem dient der Schleim als Schutzschicht, die verhindert, dass schädliche Substanzen in Kontakt mit dem Körper kommen.

Eingeweidesack und Mantel

Neben dem Kopffuß, der sich bei der kriechenden Schnecke außerhalb des Gehäuses befindet, bleibt ein rückenseitiger (dorsaler) Teil des Körpers immer im Gehäuse. Man bezeichnet ihn als Eingeweidesack, da sich viele innere Organsysteme darin befinden, die sich allerdings zum großen Teil auch in den Fuß fortsetzen. Der Eingeweidesack wird von einer widerstandsfähigen Gewebeschicht geschützt, die ihn ganz bedeckt und als Mantel bezeichnet wird. Besonders dick ist der Mantel im Bereich der Gehäusemündung ausgebildet, wo die Gefahr durch Verdunstung am größten ist.


Schlammschnecken (Lymnaea stagnalis) bei der Paarung. Bei
der rechten Schnecke ist das Atemloch gut zu sehen.
Bild: Robert Nordsieck.
 

Bei Landschnecken und manchen Wasserschnecken erkennt man hier gut das große Atemloch (Pneumostom), das zur dahinter liegenden Mantelhöhle der Schnecke führt. Die Atemorgane der Schnecken sind je nach Lebensweise unterschiedlich. Grundsätzlich unterscheidet man Kiemenschnecken, die im Meer und im Süßwasser leben, von Lungenschnecken, die an Land und im Süßwasser leben.

Die Fähigkeit zur Luftatmung und verschiedene andere Anpassungen haben nach der Besiedelung des trockenen Landes zu einer starken Artenzunahme der Schnecken durch adaptive Radiation geführt, so dass heute von geschätzten etwa 55.400 Weichtierarten (nach Salvini-Plawen, Mizzaro-Wimmer (2001): "Praktische Malakologie") etwa 43.000 Arten Schnecken sind, von denen etwa 25.000 zu den Landlungenschnecken (Stylommatophora) gehören (umgerechnet nach Fechter, Falkner (1990): "Weichtiere", wo von 100.000 Weichtierarten ausgegangen wird).

Organe und Organsysteme:

Atmung
Blutkreislauf und Exkretion
Ernährung
Nervensystem
Fortpflanzung.

Das Gehäuse


Schale einer Weinbergschnecke (Helix pomatia).
Bild: Robert Nordsieck.
 

Neben seiner Schutzfunktion für den Eingeweidesack hat der Mantel der Schnecken noch eine andere wichtige Funktion: Er ist zuständig für die Bildung des Gehäuses aus Kalk (Calciumcarbonat CaCO3). Während Schnecken zwar mit einem kleinen Gehäuse aus dem Ei schlüpfen, härtet das Gehäuse erst nach dem Schlüpfen aus. Mit zunehmendem Wachstum der Schnecke nimmt auch das Gehäuse an Größe zu. Zum einen wird Gehäusematerial im Mündungsbereich angelagert, wodurch das Gehäuse in konzentrischen Windungen wächst, zum anderen wird Kalkmaterial auch im Inneren des Gehäuses angelagert, wodurch die Gehäusewand dicker und stabiler wird. Außerdem kann dieses Kalkmaterial dazu verwendet werden, Gehäuseschäden zu reparieren.

 
         
Bilder: Helmut Nisters.

Das Gehäuse der Schnecken ist eine im Tierreich einzigartige Bildung. Es ist grundsätzlich asymmetrisch, also zu einer Seite des Körpers gewunden und unterscheidet sich darin z.B. vom Gehäuse eines Nautilus. Man unterscheidet folglich rechts und links gewundene Schneckengehäuse, ein arttypisches Merkmal. Ausnahmen von der Regel sind atypisch gewundene Mutanten, die man bei der Weinbergschnecke als Schneckenkönig bezeichnet.

Bild rechts: Von links nach rechts: Vielfraßschnecken (Enidae): Jaminia quadridens (links gewunden), Zebrina detrita (rechts gewunden), Schließmundschnecken (Clausiliidae): Cochlodina laminata und Macrogastra ventricosa, beide links gewunden.

Die Gehäuseform und -farbe bei Schnecken ist sehr unterschiedlich, aber arttypisch und folglich eines der wichtigsten Bestimmungsmerkmale. Es gibt einerseits rundliche Gehäuse, wie bei den Schnirkelschnecken (Helicidae), andererseits hoch aufgetürmte Gehäuse, wie bei den Schließmundschnecken (Clausiliidae). Entgegen dem Arttypus sehr hoch gewundene Gehäuse bezeichnet man als skalaride Fehlbildung (Treppenwuchs).

Das Kalkgehäuse der Schnecken ist außen von einer organischen Haut, dem Periostracum, überzogen, die Schutz gegen chemische Einwirkung bietet, dem Gehäuse seine Farbe verleiht und bei manchen Arten sogar Haare tragen kann.

Die meisten Meeresschnecken und manche Land- und Süßwasserschnecken besitzen einen Schalendeckel, das Operculum, der bei der kriechenden Schnecke auf dem Schwanzende des Fußes sitzt und die Schalenmündung verschließt, wenn sie sich ins Gehäuse zurück zieht. Landlungenschnecken (Stylommatophora) besitzen niemals ein Operculum, ebenso wenig die meereslebenden Hinterkiemer (Opisthobranchia), deren Gehäuse meist ohnehin zurück gebildet ist.

Die Schale der Schnecken.


Berg-Glasschnecke (Semilimax kotulae). Bild: Gianbattista Nardi.
 

Die erstaunliche Vielfalt von Formen, Farben und Mustern von Schneckengehäusen hat dazu geführt, dass sie seit Jahrhunderten gerne gesammelt werden. Die reichhaltigsten Gehäusesammlungen findet man in Naturhistorischen Museen, aber auch viele private Sammlungen sind äußerst beeindruckend.

Während grundsätzlich alle Schnecken ein Gehäuse tragen wird es bei den Nacktschnecken während der embryonalen Entwicklung nachträglich zurückgebildet. Der Verlust des Gehäuseschutzes hat andererseits den Vorteil besserer Beweglichkeit, besonders auch für unterirdisch lebende oder räuberische Schneckenarten. Die Rückbildung des Gehäuses (die so genannte Vitrinisierung) kann bei rezenten Schneckenarten in sehr unterschiedlichen Entwicklungsgraden beobachtet werden.

Am Beispiel der Glasschnecken (Vitrinidae) ist zum Beispiel die zunehmende Verkleinerung des Gehäuses bei unterschiedlichen Arten zu erkennen, bis die Schnecke sich schließlich nicht mehr ins Gehäuse zurück ziehen kann. Die Schnegel (Limacidae) sind äußerlich Nacktschnecken, besitzen aber noch einen Schalenrest unter dem Mantelschild. Die einheimischen Wegschnecken (Arionidae) hingegen besitzen nurmehr einige Kalkkörner unter dem Mantelschild, die an das Gehäuse erinnern. Interessanterweise gibt es aber in Nordwestamerika die so genannten Springschnecken ("jumping slugs", Hemphillia), deren eigentümlich buckliges Aussehen von der Schale herrührt, die sie noch unter dem Mantel tragen. Auch diese zählen zu den Arionidae.

Fortsetzung: Organe und Organsysteme.