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Die Fortbewegung der Schnecken

Obwohl die Schnecken (Gastropoda) unter den Weichtieren (Mollusca) die vielseitigste und artenreichste Gruppe sind, kann man ihre Fortbewegung auf ein spezialisiertes Organ zurück führen, das den meisten von ihnen vom Grundbauplan her gemeinsam ist.

Der Fuß


Der beschwerliche Weg einer Weinbergschnecke durch das
Unterholz offenbart hier den Anblick der Fußsohle.
Bild: Robert Nordsieck.
 

Der so genannte Fuß ist im Wesentlichen der größte Teil des beim aktiven Tier außerhalb der Schale sichtbaren Körpers. Bei den meisten Schnecken ist er auch der Bauchseite (ventral) zu einer flachen Kriechsohle umgeformt, was auf die häufigste und sprichwörtliche Fortbewegungsmethode der Schnecken hindeutet: Sie kriechen.

Kriechen

Am besten ist uns diese Fortbewegungsmethode natürlich von den Landschnecken bekannt, die wir zumindest bei entsprechender Witterung am häufigsten beobachten können. Am Beispiel der Weinbergschnecke (Helix pomatia) haben wir auch beschrieben, wie dieser Bewegungsvorgang abläuft: Die Schnecke versetzt ihre Fußsohle in wellenförmige Bewegungen, die sie nach vorne tragen.

 
Moosblasenschnecke (Aplexa hypnorum).
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien (mrkvicka.at).
Da sich Schnecken, im Gegensatz z.B. zu ihren Verwandten, den Muscheln (Bivalvia), in einer bestimmten Richtung fortbewegen, hat sich am Vorderende des Fußes der Kopf als Zentrum der meisten Sinneszellen und -organe, mit Fühlern und Augen, gebildet. Man kann nicht erkennen, wo der Kopf aufhört und der Fuß anfängt und bezeichnet daher beides zusammen als Kopffuß (Cephalopodium), ein kennzeichnendes Merkmal der Schnecken.

Fortbewegung einer Landschnecke (Weinbergschnecke Helix pomatia).

Film: Unterseite einer kriechenden Schnecke (Cornu aspersum). MOV-Datei, ca. 2 MB.

Beim Kriechen hinterlassen Schnecken eine sprichwörtliche Schleimspur, die entsteht, weil eine große Drüse am Kopfende der Fußsohle Schleim produziert, der die Reibung zwischen Fußsohle und Untergrund reduziert, einer der Gründe, warum Landschnecken zu so erstaunlichen Leistungen in der Lage sind, wie unverletzt über eine Messerklinge zu kriechen.

Die Geschwindigkeiten, die Schnecken mit dieser Art der Fortbewegung erreichen können, sind unterschiedlich. Die Weinbergschnecke (Helix pomatia) erreicht etwa 7 cm/min. Wasserschnecken sind meist schneller - Die Schlammschnecke Lymnaea stagnalis erreicht 12 cm/min., die Wellhornschnecke (Buccinum undatum) erreicht auf der Nahrungssuche 16 cm/min. Erstaunlich ist die Geschwindigkeit der Blasenschnecken (Physidae). Diese kleinen Wasserschnecken bewegen sich manchmal mit etwa 20 cm/min. fort. Die schnellste Art soll unbestätigten Angaben zufolge die Moosblasenschnecke (Aplexa hypnorum) sein.

Viele Landschnecken, darunter gerade die Weinbergschnecken, nutzen ihren Fuß außer für die eigentliche Fortbewegung auch zum Graben im Erdboden. Manche räuberischen Schnecken, wie beispielsweise die Rucksackschnecken (Testacellidae) und die Daudebardien (Daudebardiinae), leben fast ausschließlich unterirdisch und jagen Regenwürmer.


Schöne Landdeckelschnecke (Pomatias elegans), mit Schalen-
deckel (Operculum). Bild: Michael Stemmer.
 
  Schlammschnecke (Lymnaea stagnalis)
Eine Schlammschnecke (Lymnaea stagnalis) kriecht an der
Wasseroberfläche. Bild: Robert Nordsieck.

Einen Sonderfall unter den Landschnecken stellen die Landdeckelschnecken dar, wie zum Beispiel die Schöne Landdeckelschnecke (Pomatias elegans). Diese haben sich aus anderen Vorfahren entwickelt, als die Landlungenschnecken (Stylommatophora), zu denen die Weinbergschnecke gehört. Daher sieht auch ihre Fortbewegung etwas anders aus, obwohl sie auf dem gleichen Grundprinzip beruht. Die Landdeckelschnecke bewegt sich fort, indem sie die beiden Hälften ihres Fußes getrennt nach vorne bewegt, sie kriecht sozusagen "zweifüßig".

Es sind aber keineswegs nur die Landschnecken, die sich auf ihrem Fuß kriechend fortbewegen. Auch eine Napfschnecke (Patella vulgata), die ihre Ruhephasen an Felsen geklammert verbringt, kriecht auf der Nahrungssuche umher, und ebenso tut das eine Wellhornschnecke (Buccinum undatum) auf der Suche nach Beute, nur ist letztere dabei deutlich schneller. Manche räuberischen Meeresschnecken nutzen ihren Fuß außerdem auch dazu, die Schalenhälften einer Muschel auseinander zu halten, während sie den Bewohner fressen.

Kriechen an der Wasseroberfläche

Vom Beispiel der Landschnecken ausgehend nimmt man natürlich an, dass Schnecken vor allem auf dem Boden umher kriechen. Während das auf die Landschnecken auch zutrifft, können Süßwasserschnecken, wie vor allem die Schlammschnecken (Lymnaeidae) auch an der Unterseite der Wasseroberfläche entlang kriechen. Die luftgefüllte Mantelhöhle (Schlammschnecken sind Lungenschnecken, die Sauerstoff aus der Luft atmen) verleiht ihnen Auftrieb und zusammen mit der Schleimspur reicht die Oberflächenspannung des Wassers, um die Schnecke zu tragen, so dass sie zum Beispiel Algen abweiden kann.

Springende Schnecken

 
Bei diesem Jungtier von Conomurex luhuanus kann man gut an
der Fußspitze (links oben) den säbelförmigen Deckel erkennen.
Bild: Richard Ling (Quelle).

Manche bodenlebenden Meeresschnecken bewegen sich aber nicht nur kriechend fort. Die Flügel- oder Fechterschnecken (Strombidae) setzen dazu auch ihren sichelförmigen Schalendeckel, das Operculum, ein. In den Ozeanboden geschoben, nutzen sie ihn, um sich nach vorne zu katapultieren und so über den Ozeanboden zu springen. Flügelschnecken heißen sie aber nicht deswegen, sondern weil ihre Schale flügelartig erweitert ist. Den Namen Fechterschnecken verdanken sie einer Zweckentfremdung ihres Schalendeckels: Mit dem scharfkantigen Operculum können sie empfindliche Hiebe austeilen, wenn sie sich verteidigen müssen.

Ulrich Wieneke, Han Stoutjesdijk und Philippe Simonet: Gastropoda - Stromboidea: Reichhaltige Homepage über Flügelschnecken und ihre Verwandten.

In dem folgenden Film von BBC Earth kann man gut erkennen, wie die Tulpenschnecke (Fasciolaria tulipa), übrigens selbst eine fleischfressende Schnecke, versucht, springend der riesigen Pleuroploca gigantea zu entkommen.

Cornu aspersum
"Hüpfende" Cornu aspersum (vgl. Text).
Bild: Robert Nordsieck.
 

Giant Horse Conch and Burglar Hermit Crabs! Quelle: BBC Earth auf YouTube.

Zum Unglück der Tulpenschnecke ist Pleuroploca gigantea übrigens die größte Schneckenart der westlichen Hemisphäre; allerdings, obwohl auf Englisch als "horse conch" bezeichnet, ist sie keine Flügelschnecke (Strombus), sondern ein Verwandter der europäischen Wellhornschnecke (Buccinum undatum).

Wenn man hingegen sagt, dass eine Landschnecke hüpft, meint man damit eine andere Fortbewegungsmethode: Viele Landschnecken, etwa die Gefleckte Weinbergschnecke (Cornu aspersum), die besonders bei trockenem Wetter den Wasserverlust durch Verdunstung fürchten müssen, setzen beim Kriechen nur Teile ihrer Fußsohle auf und hinterlassen so eine "gestrichelte" Schleimspur. Aber natürlich hüpfen sie nicht wirklich.

Schwimmende Schnecken

Viele Meeresschnecken haben eine andere Fortbewegungsmethode entwickelt: Während viele Arten, geschützt von einer schweren gepanzerten Schale am Ozeanboden umher kriechen, haben diese Arten zugunsten einer größeren Beweglichkeit auf den Schutz einer Schale verzichtet.

 
Die Parapodien dieses Seehasen (Aplysia punctata) sind in
Ruhestellung über dem Rücken zusammen gefaltet.
Bild: Erling Svensen.

Der Seehase (Aplysia depilans) ist zum Beispiel eine Meeresschnecke, die ihren Namen zwar ihren hasenohrartig verbreiterten Fühlern verdankt, deren Fußsaum aber auch flügelartig verbreitert ist. Die flossenförmigen Anhänge (Parapodien) kann die Schnecke zu einem Trichter bilden und das Wasser hindurchpressen, wodurch sie in der Vegetation des Ozeansbodens, etwa in Seegraswiesen, umher schwimmen kann. Ein Seehase hat zwar eine Schale, aber sie ist sehr leicht, dünnwandig und vom Mantel geschützt.


Links: See-Engel (Clione limacina). Rechts: Seeschmetterling (Limacina helicina).
Bilder: Russ Hopcroft (Arctic Ocean Diversity).
 

Andere Meeresschnecken haben diese schwimmende Lebensweise aber zur Perfektion entwickelt und verzichten dazu auf jeden Schutz durch eine Schale. So hat der Seeschmetterling Limacina helicina, aus ihrem Fuß zwei große Parapodien entwickelt, mit dessen Hilfe sie genug Auftrieb erhält, um schwebend durchs Wasser treiben zu können. Seeschmetterlinge leben von Plankton, kleinen Krebstieren und Schneckenlarven, die sie mit einem Schleimnetz aus dem Wasser fangen.

Die großen Ansammlungen von Seeschmetterlingen fallen oft einer anderen schwimmenden Meeresschneckenart zum Opfer, dem See-Engel, Clione limacina. Diese Meeresnacktschnecke, die ihren Namen den großen, flügelartigen Parapodien verdankt, frisst außerdem Quallen, deren Nesselzellen gegen den Schleim der Schnecke wirkungslos sind.

Eine besondere Schwimm-Methode hat die Veilchenschnecke (Janthina janthina) entwickelt: Sie schwimmt mit Hilfe eines selbst gebauten Floßes aus luftgefüllten Schleimblasen. Zwar kann sie selber nicht schwimmen, aber mittels ihres Floßes treibt sie an der Meeresoberfläche und kann so, ebenso wie Clione, Jagd auf Quallen machen.