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Die Wellhornschnecke (Buccinum undatum)

 
YouTube Video: "Whelk Facts: you might know whelk eggs!". Video: Animal Fact Files.

Inhalt

Einleitung

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Die Gemeine Wellhornschnecke (Buccinum undatum)) ist eine der bekanntesten Meeresschnecken der nördlichen Hemisphäre. Mit ihrem markanten, spiralförmig gewundenen Gehäuse zählt sie zur Familie der Buccinidae, der Hornschnecken. Der Name "Wellhornschnecke" leitet sich von der wellenartigen Struktur ihrer Schale ab, die vor allem an den Windungen deutlich erkennbar ist. Diese robuste Bauweise schützt die Schnecke vor Fressfeinden und den harschen Bedingungen in ihrem natürlichen Lebensraum – den kalten und gemäßigten Küsten des Atlantiks, sowie der Nordsee, bis in die westliche Ostsee.

Englisch wird die Wellhornschnecke als "whelk" bezeichnet. Die in englischen Texten als "dogwhelk" bezeichneten Schnecken sind aber keine Wellhorn-, sondern Reusenschnecken, wie die Netzreusenschnecke (Hinia reticulata). Im amerikanischen Raum werden auch die dort ansässigen Kronen- und Birnenschnecken (Familie Melongenidae) als "whelk" bezeichnet, in Asien auch die zu den Stachelschnecken (Muricidae) gehörende Rapana venosa, die "japanese whelk", die mit Schiffen im Ballastwasser aus dem Japanischen Meer bis an die europäische Atlantikküste und ins Schwarze Meer verschleppt wurde. Mit der atlantischen Wellhornschnecke (Buccinum undatum) sind diese Schneckenarten jedoch nur weitläufig verwandt.

Taxonomie der Gastropoda: Klade Caenogastropoda: Buccinidae.
Whelks - scavengers that can drill into mussel shells!: Meeresbiologe Prof. Charles Griffiths berichtet über die Lebensweise südafrikanischer Wellhornschnecken (Burnupena).

Verbreitung und Lebensraum

Die Wellhornschnecke ist entlang der Atlantikküste von Nordamerika bis nach Grönland sowie in Europa von Norwegen bis zur Bretagne weit verbreitet. Sie bewohnt hauptsächlich flache Küstengewässer, ist aber auch in Tiefen von bis zu 200 Metern anzutreffen. Dabei bevorzugt sie sandige oder schlammige Untergründe, wo sie sich tagsüber eingräbt und nachts auf Nahrungssuche geht.

Historische und kulturelle Bedeutung

   
Wellhornschnecke (Buccinum undatum) an der Küste Schottlands.
Bild: Jim Greenfield (iNaturalist).
   
  Sipho einer Wellhornschnecke (Buccinum undatum)
Der Sipho einer Wellhornschnecke (Buccinum undatum) dient nicht nur
zur Aufnahme von Atemwasser, sondern auch der Orientierung nach
Nahrung, Artgenossen und Feinden.
Bild: Peter Jonas, Unterwasser-Welt Ostsee.
Bereits in prähistorischer Zeit wurden Wellhornschnecken gesammelt und als Nahrungsquelle genutzt. Archäologische Funde aus der Steinzeit belegen, dass Küstenvölker ihre robusten Gehäuse als Werkzeuge und sogar als einfache Musikinstrumente nutzten. In späteren Jahrhunderten wurden die Gehäuse auch als Schmuck und Dekorationsobjekte geschätzt. Heute sind Wellhornschnecken nicht nur kulinarisch gefragt, sondern auch ein wichtiger Bestandteil der marinen Ökosysteme.

Wellhornschnecke (Wikipedia).
Schutzstation Wattenmeer: Die Wellhornschnecke - Größte Schnecke im Wattenmeer.
Nationalpark Wattenmeer: Themenjahr 2018: Muscheln und Schnecken.

Biologie und Lebensweise

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Körperbau und Anatomie

Die Wellhornschnecke (Buccinum undatum) besitzt ein robustes, spiralförmig gewundenes Gehäuse, das in der Regel 7–8 Windungen umfasst. Die Farbe variiert von blassgelb bis braungrau, häufig mit dunklen Streifen oder Flecken. Das Gehäuse ist stark gerippt, was der Schnecke Stabilität verleiht und ihr hilft, sich in den Strömungen des Atlantiks und der Nordsee zu behaupten.

Die Gehäusemündung ist groß und oval, mit einem charakteristischen Siphonalkanal, der den Sipho schützt, einen schlauchförmig verlängerten Kanal aus Mantelgewebe durch den die Schnecke Wasser ein- und ausströmen lässt. Dadurch kann sie einserseits Sauerstoff aufnehmen und außerdem Gerüchspartikel im Wasser wahrnehmen. Die so genannten Osphradien in der Mantelhöhle helfen ihr dabei, Nahrungsquellen und Artgenossen zu finden und sich vor Feinden zu schützen. Mit dem Sipho kann sie die Richtung solcher Geruchsquellen außerdem genauer bestimmen.

Der Weichkörper der Schnecke besteht, wie bei allen Schnecken, aus Kopf, Fuß und Eingeweidesack. Dieser ist vom Mantel bedeckt und befindet sich vollständig im Inneren des Gehäuses. Wenn die Schnecke aktiv ist,streckt sie Kopf und Fuß aus, wobei sich am Kopfende zwei Fühler befinden, die die Schnecke nicht einziehen kann und an deren Basis (anders als bei vielen Landschnecken) sich die Augen befinden.

Auch die Wellhornschnecke nutzt die schneckentypische Raspelzunge (Radula), um ihre Nahrung - Beute wie Muscheln oder Aas - zu zerkleinern (s.u.).

Der Fuß ist sehr muskulös und dient nicht nur der Fortbewegung, sondern die Schnecke kann sich damit auch fest im Sediment der Gezeitenzone verankern. Wellhornschnecken setzen den Fuß sogar bei der Jagd auf Muscheln ein (s.u.). Am Ende des Fußes befindet sich der Schalendeckel (Operculum), der bei der Wellhornschnecke zu einem starken hornartigen Deckel ausgebildet ist, der bei Gefahr die Gehäuseöffnung verschließt und so die Schnecke vor Räubern schützt.

Fortpflanzung und Entwicklung


Wellhornschnecke (Buccinum undatum) bei der Eiablage.
Bild: Ron Offermans.
 
Die Wellhornschnecke ist getrenntgeschlechtlich: Männchen und Weibchen sind deutlich voneinander zu unterscheiden. Die Paarungszeit der Schnecken ist abhängig von der Wassertemperatur. In kalten Meeresgebieten paaren sich die Tiere, wenn das Wasser im Frühling wärmer wird. In den wärmeren Gewässern Europas findet die Paarung erst im Herbst statt, da dann die kühlere Wassertemperatur für die Entwicklung der Jungen günstiger ist. Das Weibchen lockt dabei das Männchen durch Pheromone an.

Die im Inneren des Körpers stattfindende Befruchtung ermöglicht die Entwicklung einer Eikapsel zum Schutz der Eier: Die Weibchen legen diese charakteristischen, blasenförmigen Eikapseln an Felsen oder harten Untergründen ab. Jede Kapsel enthält zwischen 600 und 2000 Eier: Dabei können die jungen Wellhornschnecken in den Eikapseln von völlig verschiedenen Vätern stammen, denn Wellhornschnecken paaren sich mehrfach und bewahren die Samenzellen auf, bis die Umweltumstände für eine Eiablage günstig sind.

Von den Jungschnecken schlüpft allerdings nur ein Bruchteil: Die übrigen dienen den früher geschlüpften Jungschnecken als erste Nahrungsquelle. Diese Entwicklung, bei der sich die Veliger-Larven im Schutz der Eikapsel vollständig entwickeln, nennt man direkte Entwicklung, da kein freischwimmendes Larvenstadium auftritt. Manche der Eikapseln, die von der Wellhornschnecke gelegt werden, sind sogar leer: Sie dienen nur dazu, die weiter innen befindlichen Jungen zu schützen.

SMITH, K.E. & THATJE, S. (2013): Nurse egg consumption and intracapsular development in the common whelk Buccinum undatum (Linnaeus 1758). Helgoland Marine Research 67 (1), 109-120. (Abstract).

Die Jungschnecken schlüpfen nach etwa fünf bis sechs Monaten und sind dann etwa 3–4 mm groß. Sie beginnen sofort mit der Nahrungssuche und wachsen relativ langsam heran: Die Geschlechtsreife wird meist erst nach fünf Jahren erreicht. Die Lebenserwartung der Wellhornschnecke, rechnet man nicht den Faktor Mensch ein, beträgt etwa 10 bis 15 Jahre.

Ernährung und Jagdverhalten

  "Halt die Klappe und du bleibst am Leben!"

Muscheln können sehr gut erkennen, wenn eine Wellhornschnecke in der Nähe ist: Bewegliche Muscheln, wie Kamm-Muscheln (Pectinidae) oder Schwertmuscheln (Pharidae) flüchten, sobald sie eine Wellhornschnecke entdecken.


Miesmuscheln mit Seepocken. Bild: Keith Hiscock, MarLIN.

Sesshafte Muscheln, wie z.B. Miesmuscheln (Mytilidae), versuchen, die Schalenklappen geschlossen zu halten, solange sie eine Wellhornschnecke in der Nähe bemerken.
Wellhornschnecken sind aktive Räuber und Aasfresser. Auf ihrem Speiseplan stehen vor allem Muscheln, Krebstiere und andere Weichtiere, aber auch Seeigel und vielborstige Meereswürmer (Polychaeta). Im Nordatlantik machen diese oft etwa 60% des Mageninhalts von Wellhornschnecken aus.

Andere Meeresschnecken, deren Schalenmündung wie die der Wellhornschnecke durch einen Schalendeckel (Operculum) geschützt ist, werden von Wellhornschnecken angegriffen, indem diese die Schalenwand der Beute mit der Radula anbohren. Dabei ist ihren das angesäuerte Sekret aus einer besonderen Drüse im Fuß behilflich, das den Kalk der Schale auflöst. Anschließend wird der Weichkörper der Beute gefressen, ohne dass eine Gegenwehr möglich wäre. Bei Muscheln verlegt sich die Wellhornschnecke auf eine andere Taktik: Mit ihrem muskulösen Fuß hält sie die Schalenklappen der Muschel offen, oft unterstützt durch ihre kräftige Schale, deren Rand sie wie ein Brecheisen einsetzt. Anschließend wird die Muschel, ebenfalls ohne eine mögliche Gegenwehr, gefressen. Das findet in einer recht schneckenuntypischen Geschwindigkeit statt: Eine 2,5 cm große Herzmuschel (Cardium edule) wird von der Wellhornschnecke in 10 - 20 Minuten verspeist.

Auch Aas verschmähen Wellhornschnecken nicht: In der Nähe von Fischabfällen finden sich oft ganze Gruppen von Wellhornschnecken. Manchmal verfolgen Wellhornschnecken auch Seesterne, fressen, was von deren Nahrung, oftmals ebenfalls Muscheln, übrig bleibt, oder durchsuchen das vom Seestern aufgewühlte Substrat.

HIMMELMAN, J. H.  & HAMEL, J.R.  (1993): Diet, behaviour and reproduction of the whelk Buccinum undatum in the northern Gulf of St. Lawrence, eastern Canada. Marine Biology 116:3, pp. 423-430. (Abstract).
TAYLOR, J.D.  (1978): The diet of Buccinum undatum and Neptunea antiqua (Gastropoda: Buccinidae). Journal of Conchology 29, p. 309. (Abstract).
PRICE, N.R., HUNT, S. (1976): An unusual type of secretory cell in the ventral pedal gland of the gastropod mollusc Buccinum undatum L.. Tissue and Cell 8/2, pp. 217-228. (Abstract).

Verbreitung und Lebensraum

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Zwei Wellhornschnecken (Buccinum undatum) an der Südküste Großbri-
tanniens. Bild: Tamsyn Mann (iNaturalist).
 
Die Wellhornschnecke ist in den kalten und gemäßigten Zonen des Nordatlantiks weit verbreitet. Ihr Vorkommen erstreckt sich von der Küste Nordamerikas über Grönland bis hin zu den Küsten Europas, von Norwegen über die Nordsee und den britischen Inseln bis zur französischen Atlantikküste, im Osten bis in die westliche Ostsee. Besonders häufig findet man sie in der Nordsee, dem Ärmelkanal und entlang der Küsten Schottlands und Irlands. Im Norden erreicht die Wellhornschnecke 85°N, im Süden 45°N.

MarLIN UK: Common Whelk (Buccinum undatum).

Die Schnecke bevorzugt sandige und schlammige Böden in der Nähe von Küstenregionen, kommt aber auch auf Felsgrund vor. Ihre bevorzugten Wassertiefen liegen zwischen 10 und 200 Metern, doch wurde sie auch schon in deutlich größeren Tiefen von über 500 Metern nachgewiesen. In Gezeitenbereichen trifft man die Wellhornschnecke nur selten an, da sie eine gleichmäßige Wassertemperatur bevorzugt und große Schwankungen schlecht toleriert. Offensichtlich leben aber junge und alte Wellhornschnecken in unterschiedlichen Tiefen, die jungen bevorzugen dabei die Flachwasserbereiche, während die älteren Schnecken eher in tiefe Regionen vordringen.

Wattwandern mit Johann: Dit un dat: Die Wellhornschnecke.

Ihre hohe Salztoleranz ermöglicht es der Wellhornschnecke, auch in Gebieten mit schwankendem Salzgehalt zu überleben, beispielsweise in Fjorden oder Flussmündungen, auch wenn Wellhornschnecken bevorzugt in kaltem Wasser mit einem Salzgehalt zwischen 2 und 3 % leben. Sehr niedrige Salzgehalte meidet die Wellhornschnecke, weshalb sie in Brackwassergebieten kaum anzutreffen ist.

Aufgrund ihrer Vorliebe für kühle Gewässer gerät die Wellhornschnecke zunehmend unter Druck durch die Erwärmung der Meere. In südlicheren Teilen ihres Verbreitungsgebietes sind in den letzten Jahren deutliche Rückgänge zu verzeichnen, während in den nördlicheren Regionen, etwa an der Küste Norwegens und Islands, ihre Bestände stabil bleiben oder sogar zunehmen.

Ökologische Bedeutung

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Bei dieser Wellhornschnecke ist das Operculum gut zu sehen.
Bild: Ian Manning (iNaturalist): Nova Scotia, Canada.
In marinen Ökosystem der nördlichen Meere spielt die Wellhornschnecke eine wesentliche Rolle: Als Raubschnecke ist sie Teil des komplexen Nahrungsnetzes und beeinflusst sowohl die Population ihrer Beutetiere als auch das ökologische Gleichgewicht im Meeresbodenbereich.

Wellhornschnecken ernähren sich vorwiegend von Muscheln, Krebstieren und anderen Weichtieren (s.o.)., indem sie Schalen anbohren oder sie mit ihrem muskulösen Fuß unter Zuhilfenahme ihres Schalenrandes aufbrechen (s.o.). Dadurch regulieren sie Muschelbestände und tragen zur Kontrolle von Arten bei, die ansonsten das Gleichgewicht stören könnten. Interessanterweise sind Wellhornschnecken in der Lage, geschwächte oder verletzte Tiere gezielt aufzuspüren: Ihre Osphradien ermöglichen es ihnen, chemische Signale im Wasser zu erkennen und so gezielt Beute aufzuspüren (s.o.). Dieses Verhalten sorgt dafür, dass kranke und verletzte Tiere schneller ausselektiert werden, was die Gesundheit der Populationen stärkt.


Einsiedlerkrebse (Pagurus bernhardus: Oosterschelde, Niederlande)
wählen oft die verlassenen Schalen von Wellhornschnecken als neue
Behausung. Bild: Adrie Rolloos (iNaturalist).
 
Durch die Verdauung und Ausscheidung organischen Materials tragen Wellhornschnecken zur Remineralisierung des Meeresbodens bei. Abgestorbene Reste ihrer Beute und ihre eigenen Exkremente werden von Bakterien und anderen Mikroorganismen zersetzt, was wiederum als Nährstoffquelle für Pflanzen und Algen dient.

Außerdem dient die Wellhornschnecke (außer dem Menschen, s.u.) auch vielen Tieren als Nahrung: Darunter sind unterschiedliche Watvögel, wie der Austernfischer (Haematopus ostralegus), sowie Fische und Krebstiere. Auch Seesterne können Wellhornschnecken erbeuten: Zu diesen gehört z.B. der Eisseestern (Marthasterias glacialis), der nicht nur Muscheln und andere Seesterne frisst, sondern eben auch Schnecken. Nachdem die Wellhornschnecke durchaus andere Seesterne auch verfolgt, um von deren Nahrungsresten zu profitieren (s.o.), muss sie mit Hilfe ihrer Osphradien anhand von den Seesternen abgegebener Geruchsstoffe (Saponine) genau identifizieren, um welche Art von Seestern es sich handelt, um nicht selbst zur Beute zu werden.

Animal Diversity Web: Buccinum undatum.

Die leeren Gehäuse der Wellhornschnecken bieten nach ihrem Tod kleinen Meeresbewohnern, wie Einsiedlerkrebsen (z.B. Pagurus bernhardus), Unterschlupf und Schutz vor Fressfeinden. Damit fördern sie indirekt die Biodiversität der Meeresböden.

Schutzstation Wattenmeer: "Wo ist Bernhard?".

Gefährdung und Schutz

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  Imposex: Wenn Weibchen Männchen werden

Imposex bezeichnet eine durch Schadstoffe, insbe-sondere Tributylzinn (TBT), ausgelöste geschlecht-liche Fehlbildung bei Meeresschnecken. Weibliche Tiere entwickeln dabei männliche Geschlechts-merkmale wie Penis und Samenleiter, was ihre Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt oder sogar vollständig verhindert.

Der Effekt tritt besonders stark bei räuberischen Meeresschnecken wie Wellhornschnecken auf, die als Bioindikatoren für Schadstoffbelastungen im Meer gelten. Das Ausmaß des Imposex lässt Rück-schlüsse auf die Konzentration der schädlichen Substanzen im Wasser zu.

Obwohl TBT in den meisten Ländern seit den 2000er Jahren verboten ist, sind die Rückstände in vielen marinen Ökosystemen noch immer nach-weisbar und beeinträchtigen die Bestände der Wellhornschnecke erheblich.
Wellhornschnecken gelten in der Meeresforschung als wichtige Bioindikatoren für Schadstoffbelastungen. Besonders empfindlich reagieren sie auf hormonaktive Substanzen wie Tributylzinn (TBT), das früher weit verbreitet in Antifouling-Anstrichen für Schiffe eingesetzt wurde. TBT bewirkt bei weiblichen Wellhornschnecken die Ausbildung männlicher Geschlechtsmerkmale – ein Phänomen, das als Imposex bezeichnet wird. In stark belasteten Gebieten führt dies häufig zur Unfruchtbarkeit der Tiere, was in der Folge ganze Populationen zum Erlöschen bringen kann. Das Auftreten von Imposex wird daher als klarer Hinweis auf Schadstoffbelastungen in marinen Ökosystemen gewertet und weltweit zur Umweltüberwachung genutzt.

Überfischung und Umweltbedrohungen

Neben chemischen Belastungen sind Wellhornschnecken auch durch Überfischung gefährdet: In vielen Küstenregionen gelten sie als kulinarische Delikatesse (s.u.) und werden als Beifang, zum Teil aber auch gezielt gefangen und gesammelt. Die intensive Befischung, häufig ohne nachhaltige Managementpläne, hat in einigen Gebieten zu einem deutlichen Rückgang der Bestände geführt. Hinzu kommen Veränderungen der Meeresökosysteme durch Klimawandel und Meeresverschmutzung. Steigende Wassertemperaturen und die Versauerung der Ozeane wirken sich negativ auf die Entwicklung der Kalkschalen aus, die für das Überleben der Wellhornschnecken essenziell sind.

Schutzmaßnahmen und Nachhaltigkeit

In der Europäischen Union wurden Maßnahmen ergriffen, um den Einsatz von TBT als Antifouling-Mittel stark einzuschränken. Seit dem Verbot im Jahr 2008 sind Erholungszeichen bei den betroffenen Schneckenpopulationen zu beobachten. In Großbritannien und Irland gibt es zudem erste Ansätze für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Bestände durch Fangquoten und Schutzgebiete. Langfristig wird jedoch nur ein bewussterer Umgang mit marinen Ressourcen und ein stärkerer Schutz der Lebensräume der Wellhornschnecke ihre Bestände sichern können.

BUND: Die Wellhornschnecke, eine geduldige Jägerin.

Historische und kulturelle Bedeutung

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Die Wellhornschnecke, früher auch als "Kinkhorn" bezeichnet, hat in der Geschichte des Menschen lange eine bemerkenswerte Rolle gespielt: Bereits in der Antike wurden die robusten Gehäuse der Schnecken als Werkzeug und Schmuck verwendet. Archäologische Funde belegen, dass die stabilen Schalen sowohl von Küstenbewohnern als auch von Händlern über weite Entfernungen transportiert wurden.

Die stabilen und oft kunstvoll gewundenen Gehäuse der Wellhornschnecke dienten dabei in manchen Kulturen als natürliche Werkzeuge: So wurden sie als Löffel, Wasserbehälter oder sogar als Signalhörner genutzt. Ähnlich wie bei den größeren tropischen Tritonshörnern (z.B. Charonia tritonis) war es möglich, durch gezieltes Anblasen der Öffnung ein dröhnendes Geräusch zu erzeugen, das über weite Entfernungen zu hören war. In der nordischen Mythologie wurde der Klang eines Schneckenhorns mit den Rufen der Meeresriesen in Verbindung gebracht.

Anders als etwa die Nordische Purpurschnecke (Nucella lapillus, vgl. Purpurherstellung) kann die Wellhornschnecke jedoch nicht zur Herstellung von Farbstoff genutzt werden.

 
Wellhornschnecke (Buccinum undatum): Nova Scotia, Canada.
Picture: Ian Manning (iNaturalist).
   
 
Gekochte Wellhornschnecken (Bulots cuits) in der Normandie.
Bild: Wikipedia.nl.
Im Mittelalter galt die Wellhornschnecke in manchen Regionen als Heilmittel gegen verschiedene Krankheiten. Aus zerriebenem Schneckenfleisch oder pulverisierten Schalen wurde eine Art Tinktur hergestellt, die bei Atemwegsproblemen und Hautleiden angewendet wurde. Diese medizinische Nutzung ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten, spiegelt jedoch die historische Bedeutung der Schnecke wider.

Wist je dat? (Wussten Sie das?)

In den Niederlanden nennt man die Wellhornschnecke "Wulk", während sie in Flandern, besonders in ihrer gekochten Form, als "Karakollen" bekannt ist. Diese Bezeichnung stammt wahrscheinlich aus dem Spanischen: "Caracoles" bedeutet dort ganz einfach "Schnecken".


Wulloks (Karakollen): Traditioneller Seafood-Snack aus Oostende (Flandern, Belgien). Bild: Sandra Fauconnier.

Der Begriff stammt aus der Zeit der Spanischen Niederlande (16. bis 18. Jahrhundert), als die Region unter iberischem Einfluss stand.

Bis heute werden in Flandern "Karakollen" traditionell auf Märkten in Tontöpfchen gekocht und verkauft – eine kulinarische Verbindung zur Vergangenheit!
 
In vielen europäischen Küstenregionen war die Wellhornschnecke – auf Französisch häufig als "Bulot" oder "Buccin", auf Englisch als "Whelk" bekannt (s.o.) – seit Jahrhunderten eine geschätzte Delikatesse. Besonders in Frankreich, Großbritannien und Irland gehören sie traditionell auf die Speisekarte. Die Zubereitung erfolgt meist durch Kochen oder Dünsten, oft in Kombination mit Knoblauchbutter oder Kräutern. Neben ihrer kulinarischen Bedeutung wurden die Gehäuse der Wellhornschnecken auch als Handelsgut geschätzt. In den Küstenmärkten Nordwesteuropas waren sie fester Bestandteil des Angebots und wurden mit anderen Meeresfrüchten getauscht oder verkauft.

Wikipedia.nl: Buccinum undatum.
Nieuwsblad: ‘Karakollen’ zijn écht Antwerps.

Wirtschaftliche Nutzung

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Während Wellhornschnecken früher überwiegend als Beifang in der Küstenfischerei landeten oder im Wattenmeer gesammelt wurden (s.o.), gibt es heute auch Bestrebungen, diese Schnecken gezielt in Aquakultur zu züchten. Erste Versuche zeigen vielversprechende Ergebnisse, insbesondere in Hinblick auf nachhaltige Produktion und Schonung der natürlichen Bestände. Der Vorteil der Aquakultur liegt in der Kontrolle über Wasserqualität und Nahrungsangebot, was zu einem schnelleren Wachstum und einer höheren Fleischqualität führt.

FAO: Whelk (Buccinum undatum): Seite der UN Food and Agriculture Organization (FAO) mit Daten zu Verbreitung und Fischereizahlen der Wellhornschnecke.
NIELSEN, J.W., Rønfeldt, J.L. (2022): "Appraisal of a novel fishery of whelks (Buccinum undatum) in Danish Waters". Regional Studies in Marine Science 56. (Link).

In der Küche gilt das Fleisch der Wellhornschnecke als besondere Delikatesse. Ihr leicht salziger, nussiger Geschmack wird in vielen Küstenregionen geschätzt. Besonders in Frankreich und Großbritannien finden sie regelmäßig den Weg auf die Speisekarten der Meeresfrüchterestaurants: Traditionell werden die Schnecken allerdings besonders in Frankreich und in Flandern gekocht oder in Knoblauchbutter serviert. Auf den Britischen Inseln und in den Niederlanden werden Wellhornschnecken in Essig eingelegt und als Snack serviert.

Der bekannte britische Starkoch Rick Stein, bekannt für seine maritimen Köstlichkeiten, hat Wellhornschnecken in der Form von "Whelk Spring Rolls" auf die Karte gesetzt, eine moderne Interpretation der klassischen Frühlingsrolle, bei der das zarte Schneckenfleisch mit frischen Kräutern und Gemüse kombiniert wird. Damit will er zeigen, dass Wellhornschnecken nicht nur traditionell mit Essig und Salz genossen werden können, sondern auch in modernen Gerichten ihren Platz finden.

Unsung Seafood: Rick Stein tries Jack's Whelk Springrolls.

Auch In Asien, vor allem in Korea und Japan, wird das Fleisch ebenfalls verarbeitet und in verschiedenen Gerichten verwendet.

Wirtschaftliche Nutzung von Meeresschnecken: Wellhornschnecken.

Fazit und Ausblick

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Die Wellhornschnecke (Buccinum undatum) ist eine der bekanntesten und größten europäischen Meeresschnecken mit einem Verbreitungsgebiet bis nach Kanada und Grönland. Die Wellhornschnecke ist eine Raubschnecke mit einem beeindruckenden Jagdverhalten, die vor allem anderen Schnecken und Muscheln nachstellt. Andererseits gehört sie auch selbst zur Beute vieler Tiere, wie Austernfischern und Seesternen. Ihr robustes Gehäuse ermöglicht ihr das Leben in unterschiedlichen Wassertiefen in Atlantik, Nord- und Ostsee, aber die Verschmutzung des Meerwassers mit Schadstoffen wie Tributylzinn setzt den Populationen sehr zu. So wurde die Wellhornschnecke auch zu einem wichtigen Indikator für für die Gesundheit maritimer Lebensräume.

Gleichzeitig ist sie eine kulinarische Delikatesse, die seit Jahrhunderten in den Küstenregionen Europas geschätzt wird. Die wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Meeresfrüchten könnte der Wellhornschnecke zukünftig sogar neue Wege in der Aquakultur eröffnen – ein spannender Schritt, der gleichzeitig Schutz und Nutzung in Einklang bringen könnte. Ein nachhaltiger Umgang mit diesen Tieren ist in bedeutender Weise entscheidend, um ihre Bestände langfristig zu sichern und die Meeresökosysteme vor weiterem Schaden zu bewahren. In diesem Sinne steht die Wellhornschnecke symbolisch für die Notwendigkeit, Meeresressourcen mit Respekt und Umsicht zu nutzen.

 

Letzte Änderung: 15.08.2025 (Robert Nordsieck).