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Die Schale |
Siehe
auch: Die Evolution der
Weichtierschale.
Die skalaride Schneckenschale.
![]() Die Schale der meisten Weinbergschnecken ist rechts gewun- den - die Mündung befindet sich auf der rechten Seite der Schalenlängsachse. Bild: Robert Nordsieck. |
Schon bei oberflächlicher Betrachtung sind einige wichtige Merkmale der Schale zu erkennen: Im Gegensatz zur Schale anderer Weichtiere, etwa eines Nautilus, ist die einer Weinbergschnecke asymmetrisch. Um die durch die Schalenspitze verlaufende Schalenachse winden sich die fünf bis sechs Windungen oder Umgänge der Schale bis zur Schalenöffnung oder Mündung. Die Innenwände der Schalenwindungen bilden die Schalenspindel oder Columella, an der sich der Ansatzpunkt des Hauptrückziehmuskels befindet, der deshalb auch als Spindel- oder Columellarmuskel bezeichnet wird.
Der Saum der Schalenmündung einer erwachsenen Weinbergschnecke ist zu einer weißlichen Mündungslippe umgefaltet, an der man die erwachsene Schale erkennen kann. Im Gegensatz dazu erkennt man junge Weinbergschneckenschalen am scharfkantigen Mündungsrand.
Größe, Farbe und Oberflächenstruktur der Schale sind für die einzelnen Arten von Weinbergschnecken weitgehend artspezifisch. Trotz einer gewissen Variation innerhalb der Arten kann man daher die meisten Weinbergschneckenarten mit weitgehender Sicherheit anhand ihrer Schalenmerkmale unterscheiden und bestimmen.
Die Windungsrichtung der Schneckenschale.
![]() Diese junge Weinbergschnecke hat erst wenige Umgänge, ihre Schale ist weich und glasartig, so dass man die inneren Organe sehen kann. Bild: Robert Nordsieck. |
Chemisch besteht die Schale einer Weinbergschnecke vor allem aus Kalk (Calciumcarbonat): Legt man die Schale einer Schnecke in Salzsäure, so wird der Kalk unter Freiwerden von Kohlendioxid zersetzt. Zusätzlich bleibt aber ein organischer Rückstand übrig, der von der Säure nicht angegriffen wird: Während ein großer Teil der Schale aus Kalk besteht, wird sie äußerlich von einer hauchdünnen organischen Schicht, der Schalenhaut (Periostracum), bedeckt. Unter dem Mikroskop ist bei großer Vergrößerung zu erkennen, dass die Schalenwand im Querschnitt aus mehreren Schichten besteht, die aus prismenförmigen Kalkkristallen aufgebaut sind. Die Kristalle sind übereinander quer zueinander gelagert, und verleihen so der Schale eine große Festigkeit. Diese Schalenschicht, die bei weitem den größten Teil des Schalenquerschnitts ausmacht, bezeichnet man daher auch als Prismenschicht (Ostracum). Muscheln und manche Meeresschnecken weisen als innerste Schalenschicht eine Perlmutterschicht, das Hypostracum, auf.
Schnecken können Kalk nicht selbst produzieren – sie müssen ihn mit der Nahrung oder auf andere Weise aufnehmen. Zum einen wird Kalk daher im Rahmen der Verdauung aus der Nahrung aufgenommen, zusätzlich können Weinbergschnecken bei Bedarf auch direkt aus dem Boden Kalk aufnehmen. Dazu verharren sie an einer kalkreichen Stelle und lösen Kalk aus dem Boden, indem sie ihren Schleim mit Kohlendioxid ansäuern, das sie über die Fußsohle abgeben.
Aus der Nahrung gewonnen, wird der Kalk in der Mitteldarmdrüse und in geringerem Umfang in der Eiweißdrüse gespeichert. Wird er als Baumaterial für die Schale benötigt, kann er dann in gelöster Form, als Calcium- und Carbonat-Ionen, über die Hämolymphe zu Drüsenzellen transportiert werden, die über die ganze Oberfläche des Mantels verteilt sind, der auf seiner gesamten Oberfläche innen an der Schale anliegt.
![]() Wachstum der Weichtierschale (am Beispiel einer Muschel): A: Schematischer Längsschnitt durch die Schalenbildungszone. B: Dreidimensionale Darstellung des Dickenwachstums. Prb: Bildung des Ostracums; Pmb: Bildung des Hypostracums. Ps: Periostracum; Pr: Ostracum; Pm: Hypostracum; Ep: Mantel-Epi- thel. d: dorsal (rückenseitig); v: ventral (bauchseitig). Quelle: Wehner, Gehring: Zoologie (1995). |
![]() An den Wachstumsstreifen auf der Schale dieser Weinberg- schnecke kann man erkennen, wie viel sie jeweils pro Tag ge- wachsen ist. Bild: Robert Nordsieck. |
![]() Junge Helix lucorum mit gut erkennbaren Wachstumsunterbre- chungen, die durch Wachstumspausen während Trockenperio- den entstehen. Bild: Robert Nordsieck. |
An den Wachstumsstreifen auf der Schale einer Weinbergschnecke kann man erkennen, wie viel die Schale an einem Tag gewachsen ist. Ungefähr kann man daran auch das Alter abzählen, das die Schnecke bei ihrer Geschlechtsreife hatte, bis mit der Ausbildung der Mündungslippe (s. u.) das Größenwachstum der Schale endete. Auch kann man daran erkennen, ob die Schnecke zu diesem Zeitpunkt gut mit Nahrung und Kalk versorgt war, da sie dann schneller wächst und der Wachstumsstreifen folglich breiter ist.
Auf der Schale anderer Schnecken, etwa der Gestreiften Weinbergschnecke (Helix lucorum), kann man außerdem quer verlaufende Wachstumsunterbrechungen erkennen. Während dies bei einheimischen Schnecken an der Überwinterung liegt, während der die Schnecke praktisch nicht wächst, entstehen Wachstumsunterbrechungen, die man als helle Gebiete in den dunklen Schalenbändern erkennen kann, bei der ursprünglich aus Kleinasien stammenden Helix lucorum, die nicht überwintert, durch Wachstumspausen während Trockenperioden, die die Schnecke eingegraben im Boden überdauert.
Mit dem Erreichen der Geschlechtsreife im Alter von etwa drei Jahren endet auch das Größenwachstum der Schale einer Weinbergschnecke. Im Mundsaumbereich bildet sich dabei eine umgefaltete Mündungslippe, die den vorher scharfkantigen Mundsaum abschließt und die Schale einer erwachsenen Weinbergschnecke von der eines Jungtieres unterscheidet.
Der Zusammenhang zwischen der Geschlechtsreife einer Weinbergschnecke und dem Abschluss des Schalenwachstums lässt sich an einem Krankheitsbild zeigen, dass entsteht, wenn eine Schnecke von einem parasitären Saugwurm befallen wird, der die Zwitterdrüse der Schnecke zerstört. Infolge dieser parasitären Kastration endet das Wachstum der Schnecke nicht – durch diesen Riesenwuchs wird diese Krankheit äußerlich erkennbar. Bei solchermaßen parasitär kastrierten Weinbergschnecken kommt es auch nicht zur Ausbildung einer Mündungslippe. Eine parasitäre Kastration findet auch bei der Leberegelschnecke (Galba truncatula) nach einem Befall durch den Großen Leberegel (Fasciola hepatica) statt.
![]() Weinbergschnecke (Helix pomatia) mit beschädigter und repa- rierter Schale. Bild: Robert Nordsieck. |
Im Laufe ihres Lebens ziehen sich die meisten Weinbergschnecken irgendwann einmal Schäden an ihrer Schale zu, durch Unfälle oder auch durch den Angriff eines Feindes. Viele solche Schnecken, wenn sie den Unfall überleben, weisen später reparierte Schalenstellen auf, die sich von der übrigen Schalenoberfläche deutlich unterscheiden. Zwar befinden sich auf der gesamten Manteloberfläche Kalk abscheidende Drüsenzellen, die das Material zur Reparatur der Schalenwand produzieren können. Eine Schalenhaut jedoch kann nur von den spezialisierten Drüsenzellen am äußeren Mantelrand hergestellt werden. Den nachträglich reparierten Stellen an der Schalenwand fehlt daher eine Schalenhaut – ihre körnige, unregelmäßige Oberflächenstruktur unterscheidet sie von auf herkömmlichem Wege entstandenen Schalenteilen.
Eine vollständige Wiederherstellung der gesamten Schalenwand einschließlich der Schalenhaut ist während des Größenwachstums der Schale möglich. Nachdem dieses durch Auswachsen der Mündungslippe abgeschlossen ist, kann nach einem Schalenschaden nur noch die Schalenwand, jedoch nicht mehr die Schalenhaut, rekonstruiert werden.
Neben
Schalenschäden, die sich die Weinbergschnecke durch äußere Einwirkung zuziehen
kann, kann es auch vorkommen, dass die Schale einer Weinbergschnecke anderweitig
missgebildet ist, ohne dass der Schnecke davon ein unmittelbarer Nachteil
entstehen muss:
Missbildungen der Schneckenschale.