Das Nervensystem
Die Funktionen der Organe im Körper der Weinbergschnecke werden vom
Nervensystem gesteuert. Das ursprüngliche Nervensystem der Weichtiere bezeichnet
man als tetraneurales Nervensystem - es besteht aus vier Hauptnervenbahnen, die
von einem zentralen, im Kopfbereich liegenden, Schlundring ausgehen und diesen
mit Nervenknoten, den Ganglien, verbinden, die der Verarbeitung von durch
Sinneszellen gewonnenen Reizinformationen und von Anweisungen an Organe und
Muskulatur dienen.
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Schlundring der Weinbergschnecke.
Quelle: Kilias
(1985). |
Diesen urtümlichen Zustand findet man heute noch bei einfachen Schnecken, wie
z.B. den an Felsen lebenden
Napfschnecken. Besonders bei den hoch entwickelten Landschnecken hat jedoch
eine starke Entwicklung zur Konzentration aller Ganglien im Bereich des
Schlundringes stattgefunden. Bei der Weinbergschnecke ist diese Konzentration so
weit fortgeschritten, dass die einzelnen Ganglien teilweise nicht mehr zu
erkennen sind (siehe Abbildung). Man kann bei der Weinbergschnecke also von
einer deutlichen Tendenz zur Hirnbildung (Cerebralisation) sprechen.
Zur Abbildung:
Bg: Bukkalganglion; No: Augennerv; Cg: Cerebralganglion; Pdg:
Pedalganglion; Plg: Pleuralganglion; PVg: Parietal- und Visceralganglien. 1:
Cerebro-Pedalkonnektiv; 2: Cerebropleuralkonnektiv.
Man unterscheidet im Nervensystem der Weinbergschnecken neben den immer
paarweise vorliegenden Ganglien zwei Typen von Nervenverbindungen:
- Kommissuren: Sie bilden eine Querverbindung zwischen zwei gleichen
Ganglien.
- Konnektive: Sie bilden die Längsverbindung zwischen zwei unterschiedlichen
Ganglien der selben Seite.
Im ursprünglichen Zustand des Nervensystems der Schnecken waren die Ganglien
an wichtigen Punkten des Körpers verteilt, wo sie der Verschaltung von
Nerveninformationen dienten. Im Schlundring der Weinbergschnecke jedoch sind
Ganglien, Kommissuren und Konnektive schon so weitgehend miteinander
verschmolzen, dass die einzelnen Bestandteile nicht mehr ohne weiteres zu
erkennen sind:
- Cerebralganglien: Die beiden Cerebralganglien stellen am ehesten schon das
"Gehirn" der Weinbergschnecke dar. Jedes Cerebralganglion besteht dabei
bereits aus drei verschiedenen Bereichen, vergleichbar einem Vorder-, Mittel-
und Hinterhirn. Während vom Vorderhirn die Nerven zu den
Fühlern, der Sehnerv
und der Riechnerv ausgehen und zum Penis führen, reichen vom Hinterhirn Nerven
zu den Lippen und zum Gleichgewichtsorgan der Schnecke, den Statocysten. Das Mittelhirn schließlich ist die Schaltzentrale sämtlicher
Cerebralnerven der Schnecke. Über Konnektive steht es außerdem mit den übrigen
Ganglien, über eine Kommissur mit dem zweiten Cerebralganglion in Verbindung.
- Pedalganglien: Die Pedalganglien bilden den unteren Teil des
Schlundringes. Sie sind vor allem Ausgangspunkt für Nervenbahnen zur
Muskulatur des Fußes.
- Eingeweideganglien: Den hinteren, oberen Teil des Schlundringes bildet das
große Eingeweideganglion. Wie der Name schon sagt, gehen von hier vor allem
Nervenbahnen zu den unterschiedlichen inneren Organen und Organsystemen aus.
In Wirklichkeit besteht das Eingeweideganglion der Weinbergschnecke aus fünf
verschiedenen Ganglien, die sich bei einfacheren Schnecken noch in
unterschiedlichen Teilen des Körpers befinden, bei der Weinbergschnecke jedoch
fast verschmolzen sind:
- Pleuralganglien: Die beiden Pleuralganglien bilden den äußersten Teil
des Eingeweideganglions. Von ihnen führen Nervenbahnen vor allem zum
Rückziehmuskel des Schlundes und zum Hauptrückziehmuskel (Spindelmuskel).
- Parietalganglien: Die beiden Parietalganglien bilden den Ursprung der
Mantelnerven. Sie sind kaum als eigene Ganglien erkennbar, da sie fast
völlig mit dem Visceralganglion verschmolzen sind, an das sie sich links und
rechts anschließen.
- Visceralganglion: Das in der Mitte liegende Visceralganglion stellt das
eigentliche Eingeweideganglion dar: Von hier gehen Nervenbahnen zu den
Organsystemen des Verdauungstraktes, des Genitalapparats, sowie zu Herz und
Niere der Weinbergschnecke, aus.
Weiter vorne im Kopfbereich bilden die beiden Buccalganglien ein weiteres
Nervenzentrum, von dem aus Nerven zum Vorderdarm und zu den Speicheldrüsen
führen. Über ein Paar Kommissuren sind sie mit den Cerebralganglien verbunden.
Siehe auch: Das Nervensystem der
Schnecken.