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Die Augen der Schnecken


Kopf einer Weinbergschnecke. Bild: Cornelia Kothmayer.
 

Beobachtet man eine umher kriechende Weinbergschnecke, so kann man ihre Augen gut sehen: Sie befinden sich an der Spitze der großen Fühler. Ohne Vergrößerung ist das Auge der Weinbergschnecke als schwarzer Fleck im Endknopf des großen Fühlers zu erkennen. Die Weinbergschnecke erkundet mit ihren Fühlern ihre Umgebung und wenn sie dabei an ein Hindernis stößt, werden die Fühler blitzschnell eingezogen. Gerade bei den großen Fühlern mit den Augen geschieht dies sehr oft. Dies wirft die Frage auf, wie gut die Sehleistung einer Weinbergschnecke denn wirklich ist.

Unter den Schnecken gehören Landlungenschnecken, wie die Weinbergschnecke zu den am höchsten entwickelten Gruppen. Dies erklärt sich vor allem dadurch, dass die Landlungenschnecken im Verlauf ihrer Evolution die meisten Veränderungen durchmachen mussten, um sich an das Leben auf dem trockenen Land anpassen zu können. Vergleicht man nun die Augen aller Schnecken, so stellt man fest, dass nahezu alle Entwicklungsstufen zu finden sind. Wie auch bei den übrigen Weichtieren steht die Entwicklung des Sehsinnes bei den Schnecken in Zusammenhang mit ihrer Lebensweise. Allerdings besitzen Schnecken, im Gegensatz zum Beispiel zu den Muscheln (Bivalvia) und den Kahnfüßern (Scaphopoda) immer einen Kopf, auch wenn sie fast sesshaft (sessil) leben.

 
Napfschnecke an ihrem angestammten Lagerplatz.
Quelle: Morris, Currie: Rocky Shore Ecology.

Gerade bei Schneckengruppen, die eine nahezu sessile Lebensweise haben, kann man aber die am einfachsten gebauten Augen finden. Dazu zählen vor allem die Napfschnecken (Patellidae). Napfschnecken verlassen ihren heimatlichen Felsen nicht und ihre Bewegung beschränkt sich darauf, von ihrem Ruheplatz zur Nahrung und wieder zurück zu kriechen.

 


Grubenauge der Napfschnecken.
 

Für ihre Bedürfnisse reicht daher ein einfaches Gruben- oder Becherauge aus. Becheraugen entstehen, indem sich die Außenhaut (Epithel) einsenkt und Lichtsinneszellen auf gegenüberliegenden Seiten des Augenbechers Licht und Schatten unterscheiden können. Dieser Effekt wird noch verstärkt, indem Pigmentzellen die Lichtsinneszellen gegeneinander und gegen den Einfall seitlicher Lichtstrahlen isolieren. Man spricht daher auch von Pigmentbecher-Augen. Außer bei den Schnecken findet man sie in Form von Pigmentbecher-Ocellen auch bei manchen Muscheln.

Der Bau eines Becherauges begrenzt allerdings erheblich seine Sehleistung: Becheraugen können nur Hell und Dunkel unterscheiden und die Einfallrichtung des Lichtes feststellen. Sie sind allerdings nicht dazu in der Lage, Formen zu erkennen oder gar ein Bild darzustellen.

Eine zunehmende Bewegungsfreiheit der Meeresschnecken wurde allerdings erst dann möglich, als sich auch die Sehsinnesorgane verbessert hatten. Dies geschah, indem sich der Augenbecher vertiefte und sich außerdem die Augenöffnung verkleinerte. Es entstand ein Effekt, den sich in historischer Zeit die so genannte Lochkamera (Camera obscura) zu Nutze machte: Man kann ein Bild in ausreichender Schärfe darstellen, indem man die Öffnung (Blende) der Kamera oder des Auges verkleinert. Je kleiner die Blendenöffnung ist, desto schärfer ist das Bild. Allerdings wird es so aufgrund der geringen Menge einfallenden Lichtes relativ lichtschwach. Auch ist der darstellbare Ausschnitt begrenzt.

 

 
Lochkamera-Auge der Seeohrschnecke.

Seeohrschnecke (Haliotis tuberculata).
Bild: Sylvie Danio, Nature 22: Gastéropodes 1.
 

Ein Lochkamera-Auge findet man heute bei verschiedenen Meeresschneckengruppen, zum Beispiel bei den Seeohren (Haliotidae) und bei den Kreiselschnecken (Trochidae).

Tatsächlich ist das Lochkamera-Auge der Meeresschnecken sogar noch etwas verbessert: Der Augeninnenraum ist von einem lichtbrechenden Sekret erfüllt, das eine etwas lichtstärkere Bilddarstellung ermöglicht.

Es ist allerdings nur schwer möglich, mit einem Lochkamera-Auge das Bild scharf zu stellen. Daher kann man davon ausgehen, dass Schnecken, wie die Meerohrschnecken und die Kreiselschnecken wahrscheinlich eher Formen und Schatten erkennen können.

Während diese Augenform vor allem für sehr langsame pflanzenfressende Schnecken durchaus ausreichend ist, war eine Voraussetzung für die Entstehung höher entwickelter Schneckengruppen und für räuberisches Verhalten ein besseres Lichtsinnesorgan, das die Bilderkennung ermöglicht.

Diese Entwicklung nahm ihren Lauf, indem das Epithel die Sehöffnung des Auges überwuchs und eine durchsichtige Zellschicht als Hornhaut (Cornea) das Auge nach außen abschloss. Aus dem lichtbrechenden Sekret im Inneren des Augenbechers entwickelte sich eine kugelige Blase, die effizienter das Licht brechen konnte. Man nennt diesen Augentyp ein Blasenauge.

 
Flussdeckelschnecke (Viviparus contectus). An der Fühlerbasis
sitzt ein Blasenauge mit durchsichtiger Hornhaut.
Bild: © Alexander Mrkvicka, Wien.

Blasenaugen findet man bei vielen Meeresschnecken und Süßwasserschnecken, wie zum Beispiel der Apfelschnecke Ampullaria.

 

 


Einfaches Linsenauge der Wein-
bergschnecke.
 

Die Entwicklung zum Linsenauge als weiter entwickelter Form ist fließend, dürfte allerdings vorwiegend mit der Konsistenz des lichtbrechenden Materials in der Augenblase zu tun haben, die sich zu einer Linse weiter entwickelt.

Echte Linsenaugen gibt es vor allem bei den Kopffüßern, deren Augen allerdings so hoch entwickelt sind, dass sie damit den Fischen Konkurrenz machen können. Andererseits ging mit der Entwicklung der Lungenschnecken auch eine Verbesserung des Blasenauges einher, so dass die Lungenschnecken allgemein höher entwickelte Blasenaugen oder einfache Linsenaugen besitzen.

Die Augenblase der Weinbergschnecke, um zum eingangs erwähnten Beispiel zurück zu kehren, ähnelt schon deutlich einer echten Linse, allerdings kann die Weinbergschnecke ihre Linse nicht scharf stellen, da sie keinen Linsenmuskel besitzt. Ein Linsenmuskel ist nur in der Evolution der Kopffüßer entstanden.

Untersuchungen am Auge der Weinbergschnecke haben außerdem ergeben, dass die Netzhaut einer Weinbergschnecke nur zwei Typen von Sehsinneszellen enthält. Das reicht nicht aus, um Farben darzustellen. Da die Linse nicht scharf gestellt werden kann, ist weiterhin davon auszugehen, dass das Bild, das die Weinbergschnecke sieht, eher unscharf ist. Wie einfache Versuche ergeben haben, können Schnecken Hindernisse aber gut vermeiden und kriechen darum herum. Dass sie mit dem Fühler daran stoßen, dürfte angesichts dessen eher ein Versuch sein, das Hindernis aus nächster Nähe genauer zu untersuchen. Offensichtlich ist dies also eine Leistung, die das Auge der Weinbergschnecke nicht erbringen kann.

 
Gemeine Blindschnecke (Cecilioides acicula). Höhe ca. 5 mm.
Bild: © Alain Bertrand (Mollusques continentaux de France).

Außerdem kann man erkennen, dass das Auge bei den Weichtieren auf einem anderen Entwicklungsweg entstanden ist, als etwas bei den Wirbeltieren: Es handelt sich um ein everses Auge, bei dem die Sinneszellen ins Augeninnere zeigen.

Zusätzlich zu den Augen besitzen Schnecken noch Lichtsinneszellen, die auf dem Körper verteilt sind und die für den so genannten Schattenreflex sorgen. Wenn ein Schatten über eine Schnecke fällt, wird diese sich schnell in die Schale zurück ziehen, da es sich in der Natur mehr als wahrscheinlich um einen Fressfeind handeln dürfte.

Auch Schnecken können blind sein oder blind werden. Zum einen gibt es, vor allem unter den bodenlebenden Schnecken blinde Arten, darunter z.B. die Bodenschnecken (Férussaciidae), darunter die gemeine Blindschnecke (Cecilioides acicula). Zum anderen kommt es zum Beispiel bei Weinbergschnecken vor, dass die Augen nicht gebildet werden. Eine blinde Schnecke kann sich aber dennoch mit Hilfe ihrer Fühler gut in ihrer Umgebung zurecht finden. In Wales wurde sogar unlängst eine blinde, bodenlebende Nacktschnecke gefunden, die räuberisch lebt.

Links

Die Augen der Weichtiere.
Das Auge der Weinbergschnecke.

Literatur

Salvini-Plawen, L.; Mizzaro-Wimmer, M. (2001): Praktische Malakologie. Wien.