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Kopfschildschnecken (Cephalaspidea)

Beschreibung


Blasenschnecke (Bulla ampliata) von der Insel Moorea, Franzö-
sisch Polynesien. Bild: Gustav Paulay (CalPhotos).
 

Kopfschildschnecken sind die urtümlichsten Hinterkiemerschnecken. Viele der etwa 7000 Arten besitzen noch eine Schale (so zum Beispiel die Blasenschnecken, Bullidae), auch wenn sie stark reduziert und meist nur dünnwandig ist.

 
Philinopsis cyanea aus der Timorsee. Blick auf
den Kopf. Bild: Nick Hobgood (Quelle).

Natural History Museum Rotterdam: Bullidae shell pictures.

Der Kopfschild, von dem diese Schnecken ihren Namen haben, ist eine Verbreiterung des Kopfes, die dazu dient, im Boden nach Beute zu graben und außerdem den Mantelraum der Schnecke vor eindringendem Substrat zu schützen.

Kopfschildschnecken jagen andere Hinterkiemerschnecken, meereslebende Borstenwürmer und fressen Foraminiferen. Viele Arten haben gut entwickelte Augen und zusätzliche Sinnesorgane, die ihnen die Beutesuche erleichtern. Das Hancock'sche Organ beispielsweise ist ein chemisches Sinnesorgan neben der rechten Rhinophore. Manche Arten besitzen auch Wimperbündel am Mund, mit denen sie die Schleimspur ihrer Beute verfolgen können.

Zu den Kopfschildschnecken gehören auch Nacktschnecken, wie zum Beispiel Philinopsis cyanea (Familie Aglajidae). Zu den Aglajidae gehören neben der Gattung Philinopsis zum Beispiel auch Chelidonura und Navanax. Ihre Radula ist zurück gebildet, aber dennoch fressen sie auch andere Schnecken, wie zum Beispiel Blasenschnecken, die vollständig, einschließlich Schale, verschlungen werden, indem die Kopfschildschnecke den Schlund ausstülpt und gleichzeitig die Beute einsaugt. Die unverdauliche Schale wird etwas später wieder ausgewürgt. Dies schränkt die Schnecke allerdings dahingehend ein, dass sie nur Nahrung zu sich nehmen kann, die kleiner ist, als sie selbst. Navanax inermis, der an der amerikanischen Westküste von Kalifornien bis Mexiko, sowie im Golf von Mexiko vorkommt, wird jedoch immerhin bis 22 cm groß und ist die größte Art der Familie.

Der hintere Teil des Kopfschildes hebt sich bei diesen Schnecken als Kamm senkrecht nach oben. Besonders zu erwähnen ist auch das charakteristische Schwanzende, das gegabelt ist und an einen Schwalbenschwanz erinnert. Deswegen heißen diese Nacktschnecken auch Swallow tail slugs. Die Parapodien werden, wenn die Schnecke nicht gerade schwimmt, über dem Rücken zusammen geschlagen.


Blick auf das Schwanzende von Chelidonura a-
moena
("Starry swallow tail slug").
Bild: Silke Baron (Quelle).
 

Obwohl sie auf Englisch gerne als "nudibranchs" bezeichnet werden, sind Schwalbenschwanz-Nacktschnecken keineswegs Nacktkiemer. Diese gehören jedoch zu ihrer bevorzugten Beute, ebenso wie kleine Seehasen. Dabei machen Schwalbenschwanz-Nacktschnecken einen deutlichen Unterschied zwischen Schnecken jagenden Nacktkiemern (die sie gerne fressen) und Nesseltiere fressenden Nacktkiemern (die sie vermeiden): Hier ist die abschreckende Wirkung der erbeuteten Nesselzellen also deutlich erkennbar.

Kleine Fühler unter dem Kopfschild (von oben oft nicht zu sehen), sowie weitere Mundtentakel oder Sinnesborsten helfen der Schnecke dabei, ihre Beute entlang deren Schleimspur zu verfolgen. Untersuchungen haben allerdings ergeben, dass die Schnecke dabei nicht weiß, in welcher Richtung die Beute gekrochen ist, d. h. es kommt vor, dass die Schwalbenschwanz-Nacktschnecke eine Schleimspur in der falschen Richtung verfolgt.

 
Ein fast romantischer Tauchgang artet zur Tragödie aus, als ein Nackt-kiemer (Hermissenda crassicornis) auf eine Kopfschildschnecke (Navanax inermis) trifft. Ausgleichende Gerechtigkeit (Anm. d. Verf.), denn auch Hermissenda crassicornis frisst kleinere Nacktkiemer. Quelle: YouTube.
  Mike Roberts: Philinopsis cyanea hunting Stylocheilus. Auf seaslugforum.net. Stylocheilus gehören zu den Seehasen.
  Mary-Jane Adams: Chelidonura inornata - Mating and Trail Following. Auf seaslugforum.net.

Urtümliche morphologische Eigenschaften

Einige urtümliche Eigenschaften der Kopfschildschnecken deuten auf eine enge Verwandtschaft zu den Streptoneura (gekreuztnervige Schnecken, also Vorderkiemer) hin: So sind die Pleurovisceralkonnektive (vgl. Das Nervensystem der Schnecken), die Längsnerven zwischen Pleural- und Visceralganglion noch überkreuzt und die Detorsion nicht vollendet. Die Ganglien sind auch nur wenig konzentriert.

Eine Gruppe, die Drechselschnecken (Gattung Acteon), besitzt sogar noch einen Schalendeckel (Operculum), der den Hinterkiemern sonst fehlt. Die Überfamilie Acteonoidea wurde allerdings inzwischen aus der Gruppe der Kopfschildschnecken ausgegliedert und (in Ermangelung einer geeigneten Übergruppe) als allein stehende Überfamilie den niederen Heterobranchia zugeordnet (vgl. Taxonomie der Gastropoda: Niedere Heterobranchia). In der Nordsee (Island, Britische Inseln, Norwegen), im Atlantik (bis zum Kongo) und im Mittelmeer lebt z. B. die Gemeine Drechselschnecke (Acteon tornatilis). Zu den Acteonoidea gehört auch die Rotgestreifte Blasenschnecke, Bullina lineata (Bullinidae, nicht zu verwechseln mit Bullidae, s. o.) aus Australien.

Judith Oakley: Acteon tornatilis trails auf seaslugforum.net.