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Betrachtet man die Häufigkeit von rechts und links gewundenen Gehäusen bei Weinbergschnecken, so deutet allein die Tatsache, dass es unter mehreren Zehntausend Weinbergschnecken nur ein links gewundenes Exemplar gibt, darauf hin, dass es sich um einen dominant-rezessiven Erbgang nach Gregor Mendel (1822 - 1884) handeln dürfte. Einige Kreuzungsexperimente führen aber zutage, dass dies in keiner Weise erklärt, wie es zu den außergewöhnlich niedrigen Zahlen an links gewundenen Weinbergschnecken kommt, die diesen sogar den besonderen Namen "Schneckenkönig" eingetragen hat.
Dabei würde man davon ausgehen, dass rechts gewundene Schnecken nur maximal zu einem Viertel links gewundene Nachkommen haben. Tatsächlich kann es aber vorkommen, dass eine rechts gewundene Schnecke ausschließlich links gewundene Nachkommen hervorbringt, selbst wo dies statistisch nicht erklärbar ist. In Gegensatz dazu müssten links gewundene Schnecken, wenn sie sich untereinander paaren, ausschließlich links gewundene Schnecken hervorbringen, denn nach den Regeln eines dominant-rezessiven Erbgangs können sie ausschließlich das Allel für eine links gewundene Schale in sich tragen. Auch wenn sich zwei Schneckenkönige paaren, ist es jedoch sehr wohl möglich, dass der Nachwuchs ausschließlich rechts gewunden ist.
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Wie ist dies zu erklären?
Die Erklärung hat der amerikanische Genetiker Alfred Henry Sturtevant 1923 am Beispiel der Schlammschnecke Radix labiata gefunden: Es handelt sich zwar um einen dominant-rezessiven Erbgang, jedoch um eine so genannte matrokline Vererbung. D.h. nicht der Genotyp der einzelnen Schnecke entscheidet über ihren Phänotyp, also die Richtung, in der ihre Schale gewunden ist, sondern der Genotyp des Muttertiers, oder, im Falle der zwittrigen Weinbergschnecken der Schnecke, von der die Eizelle stammte. Das liegt daran, dass Schnecken zu den Spiralia gehören. In dieser Gruppe finden die Zellteilungen der befruchteten Eizelle in Spiralform statt. Die Richtung, in der diese Spirale dreht (und sich zu guter Letzt auch die Schale windet) wird aber von genetischer Information im Cytoplasma der betreffenden Zelle kontrolliert, da es sich um eine Eizelle handelt, also ursprünglich vom Genotyp des Muttertiers.
Dies soll das folgende Kreuzungsschema an einigen Beispielen verdeutlichen. Dabei muss man jeweils nicht auf die Windungsrichtung des Muttertiers achten, sondern auf den Genotyp der Eizelle.
Die linke Schnecke ist ein reinerbiger
(homozygoter) Schneckenkönig. Sowohl Eizelle (links), als auch Samenzelle (rechts) tragen das Allel L für eine links gewundene Schale. Die rechte Schnecke ist ebenfalls
reinerbig wildtypisch rechts gewunden. |
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Die linke Schnecke ist aus einer Eizelle mit
dem Allel L entstanden, ist also links gewunden, ein weiterer Schneckenkönig. Jedoch dieser ist nicht mehr homozygot - er trägt die Allele R und L. In einem normalen dominant-rezes- siven Erbgang müsste diese Schnecke rechts gewunden sein, da das domi- nante Merkmal, R, ausgeprägt würde. Ebenso ist die rechte
Schnecke aus einer Eizelle mit dem Allel R entstanden |
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Hier ist aus der Eizelle des Schneckenkönigs
mit dem Allel R eine rechts ge- wundene Schnecke entstanden, die zudem (zufällig) auch reinerbig das Allel R trägt. Aus dem Ei der rechts gewundenen Schnecke hingegen
ist ein Schnecken- |
Der weitere Verlauf der Kreuzung sei dem Leser selbst überlassen - So wäre es beispielsweise interessant, was herauskäme, wenn man die linke Schnecke in der zweiten Reihe und die rechte Schnecke in der dritten Reihe miteinander paaren würde. Beides sind Schneckenkönige. Wären die Nachkommen rechts oder links gewunden?