Papillifera papillaris (O.F. Müller, 1774) oder Cochlodina bidens (Linnaeus, 1758)?
![]() Film: The hunt for a tiny Mediterranean snail (The Guardian). |
![]() Unterarten der Italienischen Schließmundschnecke. Links: Papillifera bidens bidens ( Festland Italiens), rechts: Papillifera bidens affinis (Sizilien). Bild: H. Nordsieck (Quelle). |
Zum einen war die Schneckenart offensichtlich an mehreren Orten in Großbritannien sowohl räumlich, als auch zeitlich, getrennt voneinander eingeschleppt worden:
Einerseits fand man 2005 die Italienische Schließmundschnecke auf dem Gelände des Herrenhauses Cliveden House in Berkshire, besser bekannt durch die Profumo-Affäre in den 60er Jahren. In Berkshire waren die Schnecken, wie man später herausfand, mit einer Balustrade eingeschleppt worden, die 1896 von der Villa Borghese in Rom nach England transportiert worden war.
An ihrem zweiten Standort, der kleinen Insel Brownsea Island südwestlich von Bournemouth in Dorset an der Südküste Englands, war die Italienische Schließmundschnecke schon länger bekannt - das Vorkommen war 1993 beschrieben worden. Man nimmt an, dass die Schnecken aus Griechenland auf Felsen in den 1880er Jahren eingeschleppt worden waren. Es handelt sich also um eine Einschleppung zwei unterschiedlicher Populationen der selben Art aus unterschiedlichen Teilen ihres Verbreitungsgebietes.
Dieser Sachverhalt war immerhin interessant genug, dass sich sogar die britische Tageszeitung The Guardian damit beschäftigte (siehe Bild und Video rechts).
Der deutsche Malakologe und Schließmundschneckenexperte H. Nordsieck (hnords.de) hatte sich ebenfalls mit Papillifera bidens beschäftigt, die er in zwei Unterarten einteilte, die zum einen aus Festland-Italien stammte (Papillifera bidens bidens) und zum anderen aus Sizilien (Papillifera bidens affinis). Von dort hatten sich, seinen Erkenntnissen, auf der Grundlage von fünf unterschiedlichen morphologischen Merkmalen, zufolge, beide Unterarten im Mittelmeer-Raum ausgebreitet (vgl. Karte, sowie Bild links).
![]() Italienische Schließmundschnecke (Papillifera bidens), zwei Exemplare paaren sich. Bild: Sigrid Hof (Quelle). |
Seither konnte die Italienische Schließmundschnecke, nun unter ihrem neuen Namen (vgl. folgendes Kapitel) Papillifera papillaris (O.F. Müller, 1774), auch als eingeschleppte Art in Südwest-Deutschland nachgewiesen werden (Rosenbauer, 2011, s.u.).
Dabei wird davon ausgegangen, dass Papillifera bidens in den meisten Fällen durch den Menschen (Schiffsverkehr der Römer und Venezianer) verbreitet wurde.
Die Italienische Schließmundschnecke gehört zu den wenigen Schließmundschneckenarten, die zum einen sehr häufig sind und zum anderen vor allem in vom Menschen geformten, besonders küstennahen, Habitaten vorkommen.
Allerdings konnte bisher noch nicht erklärt werden, warum Papillifera bidens so häufig an anthropogene Habitate gebunden ist: "Die für eine Clausilie auffallend weite Verbreitung mit einer starken Bindung an menschliche Siedlungen wurde bisher ebenfalls nicht erklärt. P. bidens ist ein Musterbeispiel dafür, daß die sog. moderne Malakologie zur Kenntnis mancher Arten wenig beigetragen hat" (H. Nordsieck, vgl. Links).
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Links: Papillifera bidens, lt. H.
Nordsieck (Quelle) Rechts: Cochlodina bidens, lt. F. Welter-Schultes (Quelle). |
![]() Papillifera papillaris: Hérault, Languedoc-Roussillon, Frank- reich. Bild: Philippe Geniez (iNaturalist). |
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![]() Papillifera papillaris affinis: Menorca, Balearen, Spanien. Bild: Benoit Segerer (iNaturalist). |
Bereits von Ridout-Sharpe (2005, s.o.) wurden die englischen Funde in Cliveden House als Papillifera papillaris beschrieben. Dieser wissenschaftliche Name beruht auf Otto Friedrich Müllers Veröffentlichung aus dem Jahr 1774 (vgl. auch "Das Cornu-Problem"). Allerdings ist der Artname bidens von Linné aus dem Jahr 1758 älter und damit, auch laut ICZN (2007: 195: Opinion 2176, September 2007) gültig - der Artname papillaris dürfte daher eigentlich nicht beibehalten werden.
Kadolsky (2009) jedoch sprach sich dafür aus, dass Linné allerdings eigentlich die Art Cochlodina incisa mit seiner Beschreibung von Turbo bidens gemeint hätte und dass daher dieser Name für Papillifera bidens nicht verwendet werden dürfe, bei der es sich ja um eine völlig andere Schließmundschneckenart handelt.
H. Nordsieck war jedoch im Gegensatz dazu der Ansicht, dass diese Folgerung weder nachvollziehbar noch korrekt sei - Cochlodina incisa sei eine nur äußerlich entfernt ähnliche Schließmundschneckenart. Zudem könnte Linné sich möglicherweise geirrt haben: hat die Art als Turbo bidens beschrieben, jedoch beim Zitieren einer Abbildung von Gualtieri hatte sich Linné wahrscheinlich geirrt, denn die Beschreibung der Art und die betreffende Abbildung passen nicht zusammen. Der wissenschaftliche Name der Italienischen Schließmundschnecke sei in der aktuellen Form völlig korrekt.
Schlussendlich war das Ergebnis, dass MolluscaBase (s.u.) heute von Papillifera bidens auf Cochlodina bidens (Linnaeus, 1758) verweist, die eindeutig erkennbar nicht dieselbe Art ist, sondern vielmehr früher als Clausilia incisa Küster, 1876 oder Cochlodina incisa bezeichnet wurde.
Hingegen werden die in Großbritannien gefundenen ursprünglich italienischen und griechischen Schließmundschnecken generell, z.B. in der englischsprachigen Wikipedia (s.u.), heute als Papillifera papillaris (O. F. Müller, 1774) bezeichnet.