Kahnfüßer (Scaphopoda)

 
Schalen von Dentalium rubescens aus
dem Mittelmeer. (Quelle)
Klasse Artenzahl
Schnecken (Gastropoda) 43.000
Muscheln (Bivalvia) 10.000
Kopffüßer (Cephalopoda) 650
Kahnfüßer (Scaphopoda) 600
Einschaler (Tryblidia) 20
Käferschnecken (Placophora) 750
Furchenfüßer (Solenogastres) 230
Schildfüßer (Caudofoveata) 120
Weichtiere (Mollusca) 55.400
Artenzahlen der Weichtiere. Diagramm.
 

An der Küste kann man oft angeschwemmte Kalkschalen eines Tieres finden, die aussehen, wie ein Elefantenzahn und daher auch meist umgangssprachlich so genannt werden. Im Gegensatz zum echten Zahn eines Elefanten sind diese Elefantenzähne an beiden Enden offen und viel kleiner - zwischen 2,5 und 12 cm.

Der ursprüngliche Besitzer der Schale, Dentalium entalis, ist ein Vertreter einer weiteren Klasse der Weichtiere, der Kahnfüßer oder Scaphopoda. Ähnlich wie die Muscheln sind Kahnfüßer weitgehend sessile Tiere, die auf oder vielmehr im Ozeanboden leben. Die Biologie spricht hier von einer benthischen Lebensweise, im Gegensatz zur pelagischen Lebensweise von Tieren, die im freien Meerwasser leben. Kahnfüßer leben von der Strandzone bis in eine Tiefe von 7000 m.

Vom lebenden Kahnfüßer sieht man meist nicht mehr als das hintere Drittel seiner Schale. Die Klassenbezeichnung rührt von der charakteristischen Form des Fußes her, der entfernt an ein Boot erinnert. Der Fuß der Kahnfüßer ist ein Grabfuß, mit dem das Tier sich im Ozeanboden eingräbt. Dazu schiebt er wie eine Muschel den Fuß in den Untergrund, verankert ihn dort, indem er Blut in den Fuß presst und zieht dann die Schale nach.

Im Ozeanboden leben Kahnfüßer von Kleinstlebewesen, wie z.B. den einzelligen Foraminiferen. Die Nahrung fängt der Kahnfüßer mit den Captacula, dünne Fangarme, an deren Ende sich klebrige Fortsätze befinden, mit denen das Tier die Foraminiferen ergreift und zur Mundöffnung transportiert. Foraminiferen besitzen eine Kalkschale, die der Kahnfüßer mit der Radula knackt.  Im Magen werden die Überreste der Foraminiferen mittels Verdauungssäften aus den fingerförmigen Mitteldarmdrüsen-Fortsätzen verdaut.


Foraminiferen, die Hauptnahrung der
Kahnfüßer und Furchenfüßer.
 

Hat der Kahnfüßer den erreichbaren Ozeanboden abgegrast, so wandert er zu einem nahe gelegenen Standort weiter.

Betrachtet man den Körperaufbau des Kahnfüßers, so kann man erkennen, das der Mantel die Schale ringsherum auskleidet. Die Mantelhöhle durchzieht das Innere des Kahnfüßers von vorne nach hinten und ist ebenso vorne und hinten offen, wie die Schale. Kahnfüßer haben keine Kiemen. Sie strudeln durch das ins freie Wasser zeigende Hinterende ihrer Schale Wasser in die Mantelhöhle und entziehen ihm durch deren Wand Sauerstoff. Verbrauchtes Wasser wird auf dem gleichen Weg wieder ausgestoßen.

 
Schema des Körperbaus eines Kahnfüßers..
Quelle: Biodidac, Bearbeitung: R. Nordsieck.

Das Herz der Kahnfüßer ist so stark reduziert, dass es im Schema rechts gar nicht dargestellt wird. Der Blutkreislauf des Kahnfüßers ist völlig offen. Das Blut wird nicht vom Herzen, sondern durch Kontraktionen des kräftigen Fußes durch den Körper gepumpt.

Niere und Gonaden besitzen einen gemeinsamen Ausführgang, der ebenso, wie der Darmkanal in die Mantelhöhle mündet. Kahnfüßer sind getrennt geschlechtlich, sie entwickeln sich nach einer äußerlichen Befruchtung über Schwimmlarven vom Trochophora-Typus.

Systematisch stehen die Kahnfüßer als stammesgeschichtlich jüngste Weichtiergruppe (fossil sind sie seit dem Ordovizium bekannt Erdzeitalter) in mehr als einer Beziehung in der Nähe der Muscheln (Bivalvia). Beide Gruppen sind bilateral symmetrische, bodenlebende Tiere mit einem stark entwickelten Grabfuß. Bei beiden Tieren ist der Mantel sehr groß und in zwei Hälften entwickelt, die am Rand verschmolzen sein können.

Im Gegensatz zu den Muscheln besitzen Kahnfüßer aber noch ihre Radula und mit dem rüsselartigen Mundabschnitt und den umgebenden Captacula auch den Rest eines Kopfes. Auch haben die Kahnfüßer nicht, wie die Muscheln, eine strudelnde Ernährungsweise. Man geht daher davon aus, dass sich beide Gruppen sich anfänglich aus gemeinsamen bodenlebenden Vorfahren entwickelt haben, ihre Entwicklung aber später, vielleicht angepasst an die unterschiedliche Ernährungsweise, unterschiedliche Wege beschritten hat.


Zwei Seiten eines Kahnfüßers (Dentalium vulgare).
Oben: Hinteres Ende, durch das Wasser in die
Mantelhöhle gestrudelt wird.
 
Grabfuß beim Eingraben des Tieres.
Bilder: Marc Cochu, Nature 22, Dentalium.
 

Man unterscheidet heute zwei Ordnungen, Dentaliida und Gadilida, die sich u. a. in Schalenform und Bau der Radula unterscheiden. Man geht davon aus, dass die Dentaliida die stammesgeschichtlich ältere Gruppe ist. Man schätzt die Kahnfüßer auf eine Zahl von etwa 600 rezenten Arten ein.

Nicht nur Schnecken und Muscheln wurden von prähistorischen Stämmen zur Schmuckherstellung genutzt. Auch die Schalen von Kahnfüßern wurden zu Ketten verarbeitet, wie man aus einer Ausstellung im Urzeitmuseum in Asparn an der Zaya erfahren kann.

Urzeitmuseum in Asparn an der Zaya (Niederösterreich).

Vor allem in Nordamerika dienten die Schalen von Kahnfüßern vielen Völkern als Schmuck, Wertgegenstand und Zahlungsmittel. So bestanden die berühmten Brustpanzer der Sioux und Kiowa lange aus Dentalium-Schalen, vielfach werden auch heute noch die langen Schalen zu Ketten und Anhängern verarbeitet.

Nach der Besiedlung Nordamerikas durch die Weißen und die Einführung von Geld verloren die Schalen ihre Bedeutung als Zahlungsmittel und Wertgegenstand.

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