This page in English!  

Käferschnecken

Polyplacophora Gray, 1821

(Synonyme: Loricata Schumacher, 1817; Polyplaxiphora Ducrotay-Blainville, 1819; Placophora Ihering, 1876)

Einleitung


Zwei Rändel-Käferschnecken (Lepidochitona cinerea): Ponte-
vedra, Galicien, Spanien. Bild: Jonatan Antunez (iNaturalist).
 
 
Bezeichnung Artenzahl Prozent
Gastropoda ca. 65.000 - 80.000 ~ 76%
Bivalvia ca. 20.000 ~ 21%
Cephalopoda ca. 900 ~ 1%
Scaphopoda ca. 900 ~ 1%
Monoplacophora ca. 25 < 1%
Polyplacophora ca. 1.000 ~ 1%
Solenogastres ca. 300 < 1%
Caudofoveata ca. 150 < 1%
Mollusca ca. 85.000 - 100.000  
 


Diagramm: Vergrößerte Darstellung!
  Artenzahlen der Mollusca, verteilt auf Untergruppen, prozentual. Quellen: WoRMS: MolluscaBase eds. (2025): Mollusca LINNAEUS, 1758.
Käferschnecken kann man vor allem in den Brandungszonen beobachten. Etwa 1000 Arten dieser urtümlichen Weichtierklasse sind heute bekannt. Die größte Art ist der amerikanische Cryptochiton stelleri, der mit einer Größe von 33 cm an der amerikanischen Nordwestküste vorkommt.

Die etwa 2 cm große Rändel-Käferschnecke (Lepidochitona cinerea) hingegen findet man an den Küsten des westlichen Mittelmeers, im östlichen Nordatlantik und der Nordsee vom Ärmelkanal über die Britischen Inseln bis West-Norwegen und in der westlichen Ostsee (bis Rügen). Die Rändel-Käferschnecke ist in ihrem Verbreitungsgebiet üblicherweise die häufigste Art von Käferschnecken.

Die Tiere leben auf harten Untergrund (Steinen, Muschelschalen, Holz), wo sie Algen abweiden, üblicherweise an flachen Meeresküsten (häufig unterhalb der Niedrigwasserlinie und im Sublitoral, aber auch im Litoral, wo sie bei Niedrigwasser in Gezeitentümpeln zu finden sind.

Ian Frank Smith: Lepidochitona cinerea, Identification and Biology. (Link).

Käferschnecken sind weder Käfer, noch Schnecken, jedoch kann man sich den Sinn ihres deutschen Namens etwa als Panzerweichtiere vorstellen (Käfer sind von allen Insekten die am besten gepanzerten). Englisch werden die kleinen Mollusken als coat-of-mail shells oder chitons bezeichnet. Mail bedeutet hier die Panzerung eines Ritters - vergleicht man eine Käferschnecke etwa mit dem gepanzerten Handschuh eines Ritters, so wird deutlich, was gemeint ist.

Körperbau


Gürtel und Schalenplatten einer Käferschnecke (Mopalia mus-
cosa
): Monterey County, Kalifornien, USA.
Bild: Max Erickson (iNaturalist).
 
Im Gegensatz zu den höher entwickelten Weichtieren, wie Schnecken, Muscheln und Kahnfüßern besitzen Käferschnecken keine Kalkschale. Stattdessen ist ihre Rückenseite noch wie bei den urtümlichsten Weichtieren von einer harten Cuticula des Mantels geschützt. Im Gegensatz zu den Weichtier-Ahnen verläuft die Cuticula bei den meisten Käferschnecken nur noch am äußeren Rand der Rückenseite, deswegen wird sie auch als Gürtel (Perinotum) bezeichnet. Der Rücken selbst wird von acht ineinander greifenden Schalenplatten aus Kalk geschützt, die der Käferschnecke das charakteristische, an einen Panzerhandschuh erinnernde, Aussehen geben. Bei manchen Käferschnecken wächst der Gürtel auf der Rückenseite zunehmend zusammen, so dass die Schalenplatten teilweise bedeckt werden. Im Gegensatz zu den harten, aus Kalk bestehenden Schalenplatten ist der Gürtel flexibel. Der eingangs erwähnte Cryptochiton stelleri heißt dementsprechend auf Englisch gumboot chiton (Gummistiefel-Chiton). Allgemein bezeichnet Chiton eine Käferschnecke (besonders in englischen Texten). Die wissenschaftliche Bezeichnung Chiton ist aber nur eine unter vielen Gattungsbezeichnungen.

 
Kopf einer Käferschnecke (Lepidochito-
na cinerea
): La Rocque, Jersey, GB.
Bild: Chris Isaacs (iNaturalist). 
 

Bauch- und Rückenseite einer Käferschnecke (Polyplacophora).
Hellgrau: Gürtel; Dunkelgrau: Schalenplatten; Hellrosa: Mantel; Dunkelrosa: Fuß;
Rot: Kiemen. Quelle: Livingstone, Biodidac, weitere Bearbeitung: R. Nordsieck.
Der Körper der Käferschnecken ist stark an den Lebensraum der Brandungszone angepasst. Betrachtet man die Unterseite einer Käferschnecke (kein leichtes Unterfangen, da die kleinen Weichtiere sehr stark am Untergrund haften), so erkennt man den kräftigen Fuß und am vOrdnung:en Ende des Käferschnecke die Mundöffnung. Einen deutlichen Kopf, wie ihn die Schnecken haben, besitzen Käferschnecken nicht. Ein chemisches Sinnesorgan unterhalb der Radula, das so genannte Subradularorgan, informiert die Käferschnecke über essbares Material in ihrer unmittelbaren Reichweite.

Ebenso, wie bei anderen Weichtieren, wird die schützende Rückenepidermis als Mantel bezeichnet. Im Gegensatz zu den höheren Weichtieren besitzen Käferschnecken jedoch keine Mantelhöhle. Stattdessen befindet sich zwischen dem Gürtel an der Außenseite und dem Fuß eine Mantelrinne, die U-förmig um den hinteren Teil des Körpers verläuft. In der Mantelrinne stehen zahlreiche hintereinander angeordnete Kiemen - weichtiertypische Ctenidien oder Kammkiemen.

Fortbewegung


Zusammengerollte Käferschnecke (Mopalia lignosa): British Co-
lumbia, Kanada. Bild:  Marcie Callewaert John (iNaturalist).
 
Die weitaus meisten Käferschnecken sind Algen fressende Pflanzenfresser, die auf Steinen und Felsen, aber auch auf Muschelschalen in der Brandungszone grasen. Dabei saugen sich die kleinen Weichtiere mit dem kräftigen Fuß am Untergrund fest, unterstützt durch den Gürtel, der ebenfalls eng an den Untergrund gepresst wird.

Die Fortbewegung der Käferschnecken ist daher entsprechend langsam, wenn sie alle Nahrung in ihrer Reichweite abgegrast haben, bewegen sie sich mit einer langsamen Bewegung der Fußsohle (vergleichbar etwa der Fortbewegung mancher Schnecken) weiter, bis ihnen wieder genug Nahrung zur Verfügung steht. Dank der Schalenplatten und einer weichtier-untypischen Längsmuskulatur ("Einrollmuskel") können Käferschnecken sich, wenn sie vom Untergrund abgelöst werden, einrollen, wie eine Assel.

Ernährung

Nicht nur die Schale ist bei Käferschnecken hart. Auch Käferschnecken, ebenso wie die Schnecken, besitzen eine Raspelzunge (Radula), mit der sie Nahrung vom Untergrund raspeln, sofern sie nicht, wie Placiphorella rufa (s.u.), zu den selten Fleisch fressenden Arten der Klasse gehören. Die Käferschnecke Chaetopleura apiculata, die im Golf von Mexiko, im Nordwest-Atlantik, sowie im Ostpazifik und vor Kolumbien vorkommt, hat die härtesten Zähne, die man in der Natur kennt - Chaetopleura raspelt oft Steine besonders intensiv ab, um an Nahrung zu gelangen, die in Ritzen und Zwischenräumen sitzt. Materialforschungsinstitute untersuchen nun, wie dieses harte Material (es ist bei aller Härte interessanterweise nicht spröde) durch Wechselwirkungen zwischen organischen und anorganischen Komponenten entsteht und möglicherweise nachgebildet werden kann.

 
Vorderansicht der räuberischen Käferschnecke Placiphorella
rufa
: Sitka, Alaska, USA. Bild: Paul Norwood (iNaturalist)
Einige wenige Käferschneckenarten (Placiphorella)) sind zu einer räuberischen Ernährungsweise übergegangen. Dazu heben sie den vOrdnung:en Teil des Gürtels vom Untergrund ab und lauern auf Beute, vorwiegend kleine Krustentiere. Kleine, tentakelartige Fortsätze des Mantels dienen der Käferschnecke dabei zur Orientierung. Berührt ein Beutetier die Tentakel, so wird der Gürtel an den Untergrund gepresst und das Beutetier gefressen.

Sinnesorgane


Käferschnecke (Tonicella lineata) auf dem Skelett eines See-
Igels. Bild: Jerry Kirkhart (Quelle).
 
Eine besondere Anpassung an ihre Lebensweise sind die Lichtsinnesorgane der Käferschnecken: In den Schalenplatten auf dem Rücken der Käferschnecke befinden sich die so genannten Ästheten. Die Ästheten sind mechanische Sinnesorgane, die Wasserbewegungen erkennen können. Meist sind sie zusätzlich zu mehreren Mikro-Ästheten verzweigt. Innerhalb der Ästheten können zusätzlich Schalenaugen entwickelt sein. Bei den Käferschnecken gibt es zwei Arten von Schalenaugen:

Intrapigmentäre Schalenaugen befinden sich in den Ästheten und bestehen aus einem kleinen Pigmentbecher mit Sinneszellen und einer darüber liegenden Linse. Bei den extrapigmentären Schalenaugen hingegen befindet sich der Pigmentbecher außerhalb der Ästheten in der Außenhaut (Tegumentum) und die Scheitelkappe des Ästheten ist zu einer Linse umgewandelt worden. Die Schalenaugen ermöglichen der Käferschnecke das Unterscheiden von Licht und Schatten auf ihrer Rückenseite. Dadurch kann die Käferschnecke auftauchende Bedrohungen erkennen, ohne den schützenden Gürtel vom Untergrund anheben zu müssen. Bei Acanthopleura-Arten können mehrere Tausend Schalenaugen auf dem Rücken verteilt sein.

Jan Osterkamp: Käferschnecken balancieren Panzerung und Aufklärung. Spektrum.de (20.11.2015).

Fortpflanzung

Käferschnecken sind größtenteils getrennt geschlechtlich. Die ursprünglich paarigen Gonaden sind meist zu einem unpaarigen Organ mit zwei in die Mantelrinne mündenden Ausführgängen verwachsen. Die Befruchtung findet im Wasser statt. Die Entwicklung der Käferschnecken findet über ein freischwimmendes Trochophora-ähnliches Larvenstadium statt, aus dem sich nach einer Metamorphose ein dem erwachsenen ähnelndes Jungtier entwickelt.

Cryptochiton stelleri beim Laichen (Bilder: Robin Gwen Agarwal, iNaturalist).

Systematik

Die Klasse Polyplacophora Gray, 1821 - Käferschnecken wird in drei rezente Ordnungen aufgeteilt, zu denen 13 Familien mit insgesamt ca. 1000 rezenten Arten gehören:

 
Tonicella lokii: San Mateo, Kalifornien, USA.
Bild: Alison Young (iNaturalist).
   
 
Unterseite von Placiphorella velata: San Luis Obispo, Kalifor-
nien, USA. Bild: Alex Heyman (iNaturalist).
Polyplacophora Gray, 1821

Unterklasse: Neoloricata Bergenhayn, 1955

Ordnung: Callochitonida Giribet & Edgecombe, 2020
Familie: Callochitonidae Plate, 1901

Ordnung: Chitonida Thiele, 1909
Unterordnung: Acanthochitonina Bergenhayn, 1930
Überfamilie: Cryptoplacoidea H. Adams & A. Adams, 1858
Familie: Acanthochitonidae Simroth, 1894 (1881): z.B. Cryptochiton stelleri (Middendorff, 1847).
Familie: Choriplacidae Ashby, 1928
Familie: Cryptoplacidae H. Adams & A. Adams, 1858
Familie: Hemiarthridae Sirenko, 1997
Überfamilie: Mopalioidea Dall, 1889
Familie: Mopaliidae Dall, 1889: z.B. Placiphorella rufa S. S. Berry, 1917 und Mopalia muscosa (A. Gould, 1846).
Familie: Schizoplacidae Bergenhayn, 1955
Familie: Tonicellidae Simroth, 1894: z.B. Tonicella lineata (W. Wood, 1815) und Lepidochitona cinerea (Linnaeus, 1767).
Unterordnung: Chitonina Thiele, 1909
Überfamilie: Chitonoidea Rafinesque, 1815
Familie: Callistoplacidae Pilsbry, 1893
Familie: Chaetopleuridae Plate, 1899
Familie: Chitonidae Rafinesque, 1815
Familie: Ischnochitonidae Dall, 1889
Familie: Loricidae Iredale & Hull, 1923
Überfamilie: Schizochitonoidea Dall, 1889

Ordnung: Lepidopleurida Thiele, 1909
Unterordnung: Lepidopleurina Thiele, 1909
Familie: Abyssochitonidae Dell'Angelo & Palazzi, 1989
Familie: Hanleyidae Bergenhayn, 1955
Familie: Leptochitonidae Dall, 1889
Familie: Nierstraszellidae Sirenko, 1992
Familie: Protochitonidae Ashby,, 1925

Weiterführende Informationen und Links

 

Letzte Änderung: 29.09.2025 (Robert Nordsieck).