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Ruhephasen bei Schnecken

Schnecken sind sehr geruhsame Tiere. Diesen Sachverhalt wird kaum jemand anzweifeln. Sie legen vor allem dann Ruhephasen ein, wenn die Umweltbedingungen nicht angenehm sind. Dabei gibt es vorwiegend zwei Umweltfaktoren, die Schnecken beeinflussen: Trockenheit und Kälte.

Die meisten einheimischen Schneckenarten bewegen sich vorwiegend nachts oder am frühen Morgen oder Abend, wenn es noch kühl und feucht ist. Außerdem sind sie dann aktiv, wenn es geregnet hat. Meist kann man auch nur dann Schnecken finden, ohne sie suchen zu müssen.

Der Trockenschlaf


Geradmündige Schließmundschnecke (Cochlodina orthostoma).
Bild: © Sigrid Hof (Quelle).
 

Die Hitze des Tages und die trockenen Mittagsstunden verbringen Schnecken in einer Ruhephase, die man als Trockenschlaf bezeichnet. Wie sie sich dabei verhalten, ist von Art zu Art sehr verschieden. Gemeinsam haben Landschnecken im Trockenschlaf aber, dass sie die Schalenmündung mit einer Schleimmembran verschließen, nachdem sie sich an ihren Ruheort zurückgezogen haben. Davon ausgenommen sind die Schließmundschnecken (Clausiliidae). Sie brauchen keine Membran. Wie ihr Name schon sagt, besitzen sie einen Schließmechanismus, bei dem eine kleine Kalkplatte, das Clausilium, die Schalenmündung verschließt, wenn sich die Schnecke zurück zieht. Dank ihres schmalen, spindelförmigen Gehäuses können Schließmundschnecken sich auch in schützende Ritzen an Bäumen und Mauern, auf denen sie sonst nach Nahrung suchen, zurück ziehen.

 
Östliche Heideschnecke (Xerolenta obvia) an einem Maschen-
drahtzaun in Wien. Bild: Robert Nordsieck.

Andere Schnecken haben diese Möglichkeit nicht. Sie verlassen sich auf die schützende Wirkung ihrer Schale. Schnecken, die ihren Trockenschlaf draußen verbringen, erkennt man meist an einer hellen Schale, die das Sonnenlicht reflektiert und so die Verdunstung verringert. Aus diesem Grund sind Bänderschnecken (z.B. die Gartenbänderschnecke, Cepaea hortensis) offener Standorte meist gelb gefärbt. Andere Schnecken haben sich an Sonnenlicht und Trockenheit noch besser angepasst: Wärmeliebende (xerophile) Schnecken trockener Standorte, wie z.B. Heideschnecken (z.B. die östliche Heideschnecke, Xerolenta obvia) oder die Zebraschnecke (Zebrina detrita) besitzen ein weißes Gehäuse, das zu Tarnzwecken außerdem dunkle Streifen aufweist. Und so kann man an warmen Tagen ganze Büsche am Wegrand voller kleiner Heideschnecken hängen sehen, die dort ihren Trockenschlaf verbringen.

Andere Schnecken verbringen ihren Trockenschlaf im Boden. Nacktschnecken können sich nicht mit einer Schale schützen und ziehen sich daher an geschützte Orte zurück. So findet man sie im Garten oft unter herum liegenden Brettern. Viele Nacktschnecken vergraben sich während trockenen Perioden auch im Boden.


Eine Zebraschnecke (Zebrina detrita) verbringt
die Trockenruhe an einem Grashalm.
Bild: Robert Nordsieck.
 

Anders als ihre kleinen Verwandten, die Bänderschnecken, vergraben sich auch die Weinbergschnecken gerne im Boden oder ziehen sich tief in die Krautschicht zurück, wo sie gegen die Trockenheit geschützt sind. Die korsische Weinbergschnecke (Tyrrhenaria ceratina) kann sich sogar bis zu 60 cm tief im Boden vergraben. Die sizilianische Weinbergschnecke (Cornu mazzullii) kann ihren Schleim ansäuern und ätzt dann Löcher in den Kalkfels, in die sie sich bei Trockenheit und Hitze zurück ziehen kann. Dann ist sie auch gleich gegen Beutegreifer geschützt.

Die Trockenruhe der Weinbergschnecke.

Die Kältestarre

 
Der Winterdeckel schützt die Weinbergschne-
cke nicht nur gegen Frost, sondern auch vor
Austrocknung. Quelle: schneckenzucht.de.

Das andere Extrem ist die winterliche Kälte, die die meisten Schnecken nicht leicht ertragen können. Viele Nacktschnecken, z.B. die großen Wegschnecken (Arionidae) sterben im Herbst ab, nachdem sie ihre Eier gelegt haben. Viele Schnecken können aber auch überwintern und mehrere Jahre alt werden. Besonders hoch entwickelt ist das Überwinterungsverhalten der Weinbergschnecke (Helix pomatia). Sie verschließen ihre Gehäusemündung mit einem Kalkdeckel, ziehen sich im Inneren des Gehäuses zurück und können sich durch das entstehende Luftpolster noch weiter gegen Kälte isolieren. Den Winter verbringen sie in einer selbst gegrabenen Erdhöhle, die zusätzlich mit Moos ausgekleidet wird. Wenn die Weinbergschnecke außerdem noch überschüssiges Wasser ausscheidet und nicht benötigte große Moleküle in ihrem Blutkreislauf in ihre Bausteine zerlegt, kann sie Frosttemperaturen von bis zu -40°C ertragen, ohne zu erfrieren. In der Kältestarre ist die Aktivität einer Schnecke außerdem auf das Notwendigste reduziert, sogar der Herzschlag verringert sich auf ein Minimum.

Die Überwinterung der Weinbergschnecke.

Der Kalkdeckel, den Weinbergschnecken für ihre Überwinterung bilden, ist aber wahrscheinlich nur in zweiter Linie eine Anpassung an die Kälte, obwohl er die Schnecke vor eindringendem Eis schützt. Weinbergschnecken bilden einen solchen Kalkdeckel auch, vorausgesetzt, dass ihnen ausreichend Kalk zur Verfügung steht, um sich gegen Trockenheit zu schützen. Die mediterranen Verwandten der Weinbergschnecke, zum Beispiel die gefleckte Weinbergschnecke (Cornu aspersum) und die Singschnecke (Cantareus apertus) bilden ihn sogar nur dann, denn eine Überwinterung in dem Maße, wie das die Weinbergschnecke tut, führen diese Arten in ihrer angestammten Heimat nicht durch.

 
Berg-Glasschnecke (Semilimax kotulae). Bild: Gianbattista Nardi.

Grunzschnecke (Cantareus apertus). Bild: Clemens M. Brandstetter, Buers.
 

Nutznießer der Kältestarre der meisten Schneckenarten sind die Glasschnecken (Vitrinidae). Diese kleinen Schnecken leben räuberisch und fressen andere Schnecken, die sich in Kältestarre befinden. Die frostigen Temperaturen scheinen den kleinen Räubern nichts auszumachen - sie kriechen sogar über den Schnee, wenn sie auf Nahrungssuche sind.

Schlafen Schnecken?

Naturgemäß ist es sehr schwer, bei einem so geruhsamen Tier wie einer Schnecke festzustellen, ob es schläft oder wach ist, wenn es gerade nicht aktiv ist. Neueste Forschungen haben aber ergeben, dass Schnecken auch Ruhephasen einlegen, wenn sie sich nicht gegen Trockenheit oder Kälte schützen müssen. Diese Forschungen wurden bei Wasserschnecken (Spitzschlammschnecken, Lymnaea stagnalis) durchgeführt. Die Forscher untersuchten zunächst das Verhalten der Schnecken, um schlafähnliches Verhalten zu finden. Und tatsächlich stellte sich heraus, dass die Schnecken immer wieder etwa zwanzigminütige Ruhepausen einlegten, während derer sie entspannt waren, aber auch eine deutlich herabgesetzte Reaktion auf Reize, sowohl auf Berührungsreize, als auch auf Nahrungsangebot, zeigten. Interessanterweise zogen sich die Schlammschnecken während ihrer Schlafpausen nicht einmal in ihre Schale zurück.

Auch Landschnecken zeigen Ruhephasen, die vielleicht auf Schlaf hinweisen, verbringen sie allerdings, zum Schutz vor Trockenheit und Fressfeinden, in ihrer Schale.

Links und Literatur